…Death Metal? Wirklich?... Ich kann’s nicht mit Sicherheit erkennen. Es ist zu düster hier. Dort! Ein Thrash Riff, oder war’s doch Black Metal?

Von einer wohlklingenden Melodie werd ich fortgelockt, tiefer hinein in den mir unbekannten, aber wegen seiner düsteren, unheilschwangeren Atmosphäre keinesfalls unangenehmen Wald. Fast schon fühl ich mich wie im Paradies.

Ein Gekeife, einem erzürnten Wolfes gleich, holt mich jedoch sofort aus meinen Tagträumen. Gehetzt von einem Rudel Kreaturen, halb Pferd, halb Wolf, treibt es mich hinaus auf eine Lichtung. Schon glaube ich mich verloren, als, wie aus dem Nichts, eine anfangs noch dünne, aber zunehmend an Kraft gewinnende Stimme die mich verfolgende Horde zu vertreiben scheint. Kaum ein paar Schritte getan in der vermeintlichen Freiheit, lockt eine sehr gelungene Harmonie mich rechterhand in ein Dickicht. Ein Pfefferstrauch, denke ich, doch ich irre. Die beissende Schwade pfeffernen Geruches kam vom Strauche nahe des Dickichts, an dessen stämmigem Astwerk eine wohlriechende, aber leicht verkümmerte Blüte verzweifelt nach einer im Fangorn, denn so heisst dieser, zu meinem Erstaunen aber nicht Keyboard verseuchte Wald, nicht vorhandenen Spezies schreit. (Du wirst wissen, geneigter Leser, welche Spezies gemeint ist. Genau! Dieses manchmal zwar anmutig erscheinende, aber hochgiftige Insekt, das in solchen Regionen nicht selten den Genuss eines Waldspazierganges trüben kann.)

Mein Atem geht schwer, denn die Luft ist durchzogen vom Geruch eines bleischweren Gitarrenriffs. Trotzdem verspüre ich das Verlangen, einen Freudentanz zu zelebrieren, denn eine traurig klingende Stimme zieht mich wahrlich magisch in die Höhe. Langsam in Ekstase verfallend und eine, dem der genannten Stimme nicht wirklich würdigen, schon fast falsch klingende Weise von mir gebend, entsteige ich, wie ein Phoenix aus der Asche, dem uralten Gebüsch, das mich in seiner Erhabenheit keine Sekunde an seiner Herkunft aus der alten Welt des Thrash zweifeln lässt. Keine Sekunde zu spät, wie sich herausstellt, denn schon beginnt sich der Strauch unter der Last donnernder Gitarren in eine, mit einer gläsern anmutenden Schicht überzogene Skulptur der Steinheit (so heisst die von allen Bewohnern des Waldes angebetete Gottheit des Zornes und der Zwietracht) zu verwandeln. Immer noch schwebend, glaube ich mich für ewig verdammt im endlos erscheinenden Strudel von punkähnlichen Riffs. Doch diese missliche Lage ist nur von kurzer Dauer. Wie die Wellen eines sturmgepeitschten Ozeans zerschellt das in meinen Ohren unangenehm klingende, doch für die (glücklicherweise kurze) Zeit des Frühlings typische Gewitter an den nahe liegenden, teils majestätisch aufragenden, teils neckisch in den Himmel zeigenden Riffs. Der Anblick beginnt mich zu faszinieren, als plötzlich der Luftzug, der mich bis anhin trug, nachlässt und mich langsam in den, vor dem Gebirge vorbeifliessenden Fluss gleiten lässt.

Von den growlenden Strudeln erfasst, treibt es mich das treibenden Gewässer hinunter, bevor ich mich, nach stetigem Wechsel von ruhigen und tubulenten Passagen, von einer durch ihren Abwechslungsreichtum bestechenden, wie die eines schmerzgepeinigten Engels klingenden Stimme in ein Koma gewiegt fühlte. Ein unverhofftes, mich an eine Truppe mir in frühester Jugend bekannter Spielmänner erinnerndes Intro lässt mein Herz wieder höher Schlagen und ich erwache aus einem Traum, der mein Dasein bereichert hat.

Um mich der nüchternen Realität des deutschen Ortes Dresden zuzuwenden (Dem Leser sollte dieser Ort, spätestens nach der Lektüre dieser Geschichte, als Heimat einer talentierten, ihrem Namen alle Ehre machenden, zwei Weibsbilder und vier Mannsbilder umfassenden Gruppe Spielleute ein Begriff sein.): Es fällt mir schwer, den Traum abzuschütteln. Immer wieder erscheinen mir Bilder eines, trotz der scheinbar nie endenden Dunkelheit klar erscheinenden Sees aus cleaner Gitarre, an dessen Ufern ein Melodiebogen, schwarz blühender Seerosen gleich, erklingt.

Schreie, gequält und doch so herrlich aggressiv schmeicheln meinen Ohren und katapultieren mich, aus der Tiefe des Gewässers kommend, hinauf in die dichte, pechschwarze Wolkendecke, die erfüllt von Doublebass Attacken bebend zwischen den Gewächsen des Waldes hängt. Es erscheint, als ob die in angenehm harmonischer, treffender Art angeordneten Breaks, die schwarzen, bebenden Nebelschwaden als Lebenselixier einatme… (Heiliger J.R.R., lass deine Träume in uns weiterleben, bitte…)

Albuminfo

Punkte

 

4/5

Label

GUC

Veröffentlichung

6/2003

Format

CD

Land

Genre

Death Metal