Urschrei ist ein Black Metal-Duo aus Bayern. Dekadenz ist deren erste Vollrille. Es beinhaltet 11 Tracks. Urschrei waren mir bisher nicht bekannt. Das sind die Grundinfos.

Machen wir 10 Tracks draus. Das Intro ist wohl eines der Belanglosesten, das ich je gehört habe. Nicht schlecht, nicht zu hochtrabend oder pathetisch - einfach zu lang und überflüssig (im Gegensatz zum "Ausklang", der angesichts des vorhergehenden Gewitters ein schöner, ruhiger Abschluss des Albums ist). Im Anschluss an den ermüdenden "Einklang" gibt es dann jedoch direkt gut auf die Umme. Die Songs auf dem vorliegenden Album sind überraschend durchwachsen. Würde man hier einzelne Elemente extrahieren wollen, so müsste man den Lesern einiges an Leseausdauer zumuten. Auf "Dekadenz" scheinen über den Daumen gepeilt viele Elemente durch, die mir in der einen oder anderen Form schon bei anderen Bands und Genres untergekommen sind. So legt das aus Felix Wolfrum und Micha Eibisch bestehende Duo grossen Wert auf eine Mischung aus mächtigen Gitarrenwänden im pompösen Midtempo - allerdings nur an zweiter Stelle, dominiert letztlich doch die Liebe zu flinken hochtönigen Gitarrenriffs (wie im Refrain zum Titelsong). Anleihen aus dem Heidenstahl sind erkennbar, die Verortung im Viertel melodischen Schwarzmetalls dominiert jedoch.

Es sind jene hochtönigen Gitarrenriffs, die in fast jedem Lied Einsatz finden und mir teilweise bitter aufstossen (Protipp: Mit ein wenig Gefummel am Equalizer des Abspielgerätes lassen sich stellenweise Ohrenschmerzen verhindern). So lässt mich der dudelriffige Anfang von "Blutverbunden" doch erschaudern und einiger extremer musikalischer Patzer gewahr werden, die ich in meinen mehreren Jahren Redaktionsarbeit bei Schwermetall schon serviert bekommen habe. Die Herren treiben es mit dem mehrsaitigen Gebrauch von Hochtönen so weit, dass die Gitarre stellenweise gar wie ein Dudelsack klingt! Gerne neigt man zudem auch zum Einsatz von Soli, die im Grossen und ganzen allerdings wohl platziert und eingespielt sind. Ein positives Beispiel für einen gesunden Mittelweg zwischen der Liebe zum Hochton und stampfendem Riffing bietet übrigens der hervorragend groovige Song "Apathie" (übrigens mein Favorit auf dem Album!), ein weiteres Positivbeispiel liefern die Jungs mit dem emotionalen Überlängestück "Welk" (wohl mein zweiter Favorit).

Was fehlt noch? Achja, zumindest Schlagzeug und Vocals bedürfen einer Erwähnung. Nun, das Doppelpedal ist Urschrei nicht unbekannt und wird auch nicht verfehmt. Gern arbeitet Drummer Micha mit allen Gliedmassen Felle und Becken gleichzeitig ab, was im Zusammenspiel mit der Gitarrenarbeit pompöse Eskapaden hervorbringt (siehe "Apathie"). Man munkelt, dass auf Urschreis heidenmetallener Demo aus dem Jahre 2009 noch Klargesänge zum Einsatz kamen - auf diese wird auf "Dekadenz" vollständig verzichtet. Sänger Felix beschränkt sich hier auf einen shoutigen Krächzgesang, der angesichts der Spieldauer von rund 60 Minuten zu keinem Zeitpunkt nervig wird.

Wie eingangs erwähnt ist "Dekadenz" ein sehr vielschichtiges Album. Die jeweiligen Songs sind intensiv ausgearbeitet, wobei auf häufige Wiederholungen und Monotonie gezielt verzichtet wird. Stattdessen setzen Urschrei spannende Akzente und Details. Mir brennt es in den Fingern, das Album als ‚überladen’ zu brandmarken und doch wäre es dem Dargebotenen eigentlich nicht ganz gerecht, weshalb ich diesen Satz einfach mal für sich sprechen lasse. Philosophischen Tiefgang (textlich) darf man auf diesem Album nicht erwarten. Sehr wohl jedoch eine gute Stunde liebevoll ausgearbeiteten, gut produzierten melodischen Black Metal. "Dekadenz" ist kein Knaller, aber ein überdurchschnittlich gutes Debütalbum.

Albuminfo

Punkte

 

3/5

Label

Eigenproduktion

Veröffentlichung

7/2014

Format

CD

Land

Genre

Pagan Metal