Und tatsächlich, die extrem lange Spielzeit beinhaltet so einiges. Man bewegt sich zwischen brutalem Black Metal, der häufig in gnadenloses Geknüppel abdriftet, und elektronisch dominiertem Industrial der stereotypen Mach- und Klangart. Vorwiegend orientiert man sich an realen Instrumenten und echtem Schlagzeugspiel, allerdings wird das jeweilige Stück stets von elektronischen Komponenten gestützt. Nicht selten überlagern sich vor allem die Tieftöne dabei, sodass ich teilweise glaubte, es sei um die Membranen meiner Boxen geschehen – ein wabernder, knatternder Soundsalat, Kotze. Auch der unregelmässig einsetzende Gesang lässt sich am besten damit zusammenfassen. Denn die multiplen elektronischen Verzerrungen, welche die Stimmen von Ravèz und Janos durchlaufen, lassen nicht viel vom Originalsound übrig.
Aus dem Hochgefühl vor Reizflut tränender Augen und geistiger Schallunterjochung reissen uns die Italiener dann mit einem abrupten Abbruch ihrer geplanten Route, reissen zügellos das Steuer herum und fahren andere Dimensionen ab. So folgt beispielsweise auf das grandios boshafte "Abscene" ein mit "Oceanwoods" minimalistischer Ambient-Track, der sich auf künstliches Instrumentarium beschränkt.
Für die Knüppeleskapaden hat man sich was besonderes ausgedacht – um sie nicht langweilig werden zu lassen, driften die Italiener in betreffenden Stücken in einer unaussprechliche Welt des Wahnsinns ab, quälen Saiten und musikalische Logik aufs allerschlimmste und heben die Geschwindigkeit. Exkursionen in eine Existenz jenseits von Moral und Wert, die musikalisch auf einer solch abstrakten Ebene der Gewalt stattfinden, dass sie sich jeder noch so stygischen Schreibfähigkeit entziehen und bar jeder Beschreibungsmöglichkeit aus den Lautsprechern direkt ins Hirn dringen.
Man schleicht hier vehement auf irgendein Ziel zu; es wird ein musikalischer Pfad vorgezeichnet, der aber weder Struktur hat noch Ausblick auf das Ziel gibt. Wir kommen niemals an und die Italiener (V.E.G.A.) lassen uns eiskalt im Regen stehen, nachdem das Album durchgelaufen sind, stehen wir wieder genau am Anfang und fühlen uns keinen Deut erhellter.
(V.E.G.A.) sind gewiss nicht die ersten, die versuchen ihr Image auf Irrsinn und augenscheinlichem neuralen Totalausfall zu errichten und es gibt bei aller Liebe Bands, die diesen Akt der Selbstvermarktung verbauen. Die Herren hinter dieser Formation allerdings klingen unwahrscheinlich überzeugend und liefern hier ein extrem intensives Werk ab. Dass sie keine offizielle Homepage oder Kontaktmöglichkeit vorweisen können erzeugt in Verbindung mit dem herrlich kranken Artwork rund ums Gesamtwerk nochmal ein Sahnehäubchen Glaubwürdigkeit.
"Alienforest – A Sick Mind’s Hologram" ist wirklich krankes Zeug, hier wird mit Verzerrungen und Samples experimentiert, mit Schmerzgrenzen und technischen Einbahnstrassen. Gänsehaut ist garantiert – wer die Scheibe bei Nacht zu hören wagt, wird sich vor dem Schlafen gehen nochmal genau im Raum umschauen. Schwere, äusserst exklusive Kost, die nicht jedem schmecken wird.
Albuminfo
Punkte |
4/5 |
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Label |
Debemur Morti Productions |
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Veröffentlichung |
2/2009 |
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Format |
CD |
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Land |
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Genre |
Black Metal |