Ohne auch nur einen einzigen Zweifel im Raume stehen zu lassen: Ulver sind eine der vielseitigsten Schwarzblechproduzenten gewesen. Noch weniger Zweifel bestehen darin, dass Engstirnigkeit bei wohl keiner anderen Formation als Attribut so deplatziert wäre, wie bei Ulver. Sind jedoch kaum Zweifel an Ulvers kreativen Fähigkeiten anzubringen, so quaken die Frösche jedes Mal, wenn es um die Thematik der Selbsttreue von Ulver geht, sind doch die im Ambient, Trip Hop oder gar im Neofolk beheimateten neuen Werke Ulvers, arg von den Schwarzstahlwurzeln des norwegischen Geschwaders entfernt. Das Augenmerk stets auf künstlerische Extravaganz gelegt, brüskierte die Truppe nach einem unvergesslichen Schwarzstahldebüt die Gemeinschaft mit einem Album ohne jegliche E-Gitarren, um sich danach wieder auf ihre Wurzeln zu besinnen und sich schliesslich gänzlich hirnrissigen Exzessen hinzugeben. Vier Dinge ziehen sich jedoch durch das gesamte Werk von Ulver: die Atmosphäre, die undurchdringbare Finsternis und der stete Willen, Grenzen zu durchbrechen und schliesslich der Wille zum Intellekt. Genau diese Elemente sind auch dem vor kurzem erschienenen Tribut-Album zu extrahieren.

Sechsundzwanzig Bands versuchen sich auf zwei Plastikplatten daran, die Kuriosität, die Atmosphäre oder die Emotionalität von Ulver zu toppen. Währenddem sich die erste Flachrille den metallischen Klängen hingibt, drohen auf der Zweitscheibe Klirren, Surren, Schreie, Keyboards und vertrackte Rhythmen im Stile der experimentellen Seite Ulvers. Drohen ist jedoch mehr auf die beklemmende Stimmung, denn auf die Ungeniessbarkeit der Musik zu beziehen. Auch wenn mir zuvor keine der Formationen ein Begriff war – kaputt sind sie alle und das ist auch gut so. Nur mit der nötigen Portion an Wagemut und Geisteskrankheit lässt sich aus Ulvers Stücken noch mehr herausholen. So sind denn auch die meisten Stücke nicht sonderlich nahe an den Originalen. Dennoch ist die Handschrift der Wölfe, deren Gesamtwerk von 1993 bis 2005 zum Zuge kommt, ständige Erkennungsmarke.

Sinnlos wäre an dieser Stelle ein schrittweises Durchackern der einzelnen Beiträge. Vielmehr seien die besonders herausstechenden Kompositionen kurz erläutert: Panacea Enterpainment drohen mit "Porn Piece or the Scars of Cold Kisses" besonders glaubhaft mit einem Weltuntergang. In einer Ambient-lastingen Umgebung zaubern sie tiefschwarze Wolken mitten in das sommerliche Sonnenlicht. Aidan Baker kreiert eine gläserne Stimmung voller Keyboards – wirklich hörenswert, aber nicht sonderlich abwechslungsreich. Langweilig hingegen ist der Beitrag von "Noises of Russia", bei dem einzig das Klirren von Scheiben die Monotonie bricht. Als letzten Beitrag dieser CD möchte ich die schleppend langsame Version von "Utreise" erwähnen, interpretiert von Bosque. Die eingängig faszinierende Melodie kommt auch in dieser verzögerten Version hervorragend zur Geltung. Ansonsten befinden sich auf der ruhigeren zweiten CD viele Stücke, die sich zum passiven Musikgenuss sehr eignen, allerdings beim aktiven Zuhören Längen aufweisen. Für offene Ohren aber durchaus interessant. Noch empfehlenswerter ist dagegen die erste Platte:
Von den metallischen Beiträgen sticht der Opener von Unfurl ins Ohr. Die emotionale Interpretation von "Lost in Moments" kommt ausgesprochen abwechslungsreich daher. Einzig die etwas zu saubere und hoch gesungene Stimme lässt Raum für Kritik offen. Auch die gigantische Version von "Utreise", welche von Avathar inszeniert wurde, geht blitzschnell ins Ohr und lässt den Hörer nicht so schnell wieder los. Das erste Mal richtig schwarzmetallisch wird es bei Asmodée und "Wolf and Hatred", welches mir jedoch im Original besser gefällt. Sael bringt dann "Wolf and Passion" recht nahe an Ulvers Variante und punktet damit zwar nicht mit Kreativität, dafür jedoch mit einem guten Stück. Wardaemonic killt schliesslich mit einer völlig unterkühlten Variante von "Nattens Madrigal". Sehr heiserer Gesang trifft auf eine rohe Kelleraufnahme: so muss es sein. Viel ruhiger geht FB[FoRce] an Ulvers "Graablick Blew Hun Vaer" und lockert die erste Scheibe rechtzeitig mit industriellen Exzessen auf. Zwar eher nicht mein Ding, aber trotzdem hörenswert. Karna’s Keyboard-betontes "Naturmystikk" geht dann wieder tief unter die Haut. Surrende Gitarren treffen auf ein sakrales Ambiente und eine eingängige Melodie. Sehr gelungen. Eher weniger erwähnenswert sind hingegen die letzten beiden Beiträge dieser CD von Year Zero und Sinestesia.

Komische Musik noch komischer interpretiert und vielseitige Klangkunst in Grossmenge von vielseitigen Truppen zusammengefasst: Abwechslung, Spannung und Ohrenreiz garantiert. Wer Ulver als avantgardistischer Black Metal mag, wird sich an Scheibe eins laben. Wer auch die experimentelle Seite Ulvers nicht missen mag, darf sich auch noch am Zweitling erfreuen.

Albuminfo

Punkte

 

0/5

Label

Cold Dimensions

Veröffentlichung

9/2008

Format

CD

Land

Genre

Metal