Black Metal ist tot – Mehr oder weniger ja. Zumindest wenn man vom ursprünglichen Black Metal spricht. Das Genre selbst lebt heute immer noch und scheint nicht zu verschwinden. Die kontinuierliche Weiterentwicklung jener Musik, die in ihren Ursprüngen noch als Schwarzmetall bezeichnet wurde, muss nicht zwingend deren Untergang bedeuten. Ob heutige Schöpfungen dieser Sparte noch Black Metal genannt werden dürfen, ist eine andere Frage, mit der man sich vermutlich zähe Nächte langer Gespräche um die Ohren schlagen kann.
Panchrysia fallen jedenfalls unter jene Künstler, die modernen, kontroversen, zeitgenössischen Schwarzstahl produzieren, dabei keinen sehr hohen Bekanntheitsgrad geniessen und auch um ihr drittes Full-Lenght "Deathcult Salvation" keine grossartige Promotion betreiben. Als Begleitband bei einer Europatournee der Schweden von Marduk kamen die Belgier bereits in Kontakt mit dem Drumherum der Popularität und genossen im Kielwasser eben jener kriegsbegeisterten Panzerdivisionskommandeure den Status einer anerkannten Musikergruppe. Möglicherweise trug eben diese Zusammenarbeit in Form der neuen Veröffentlichung "Deathcult Salvation" ihre ersten Früchte. Immerhin fanden die Aufnahmen unter den Händen des Marduk Bassisten Devo Andersson statt und dem Kenner entgeht beim Reinhören nicht, dass Gastsänger Mortuus (Marduk, Funeral Mist) nicht unwesentlich zur Kreation atmosphärischer, frostiger Schwarzklänge beitrug.

Das leider uninteressant gestaltete Cover verleitet auf den ersten Blick zu falschen Schlussfolgerungen. Hier dringen weder stumpfe Beschwörungen des jüngsten Tages aus den Lautsprechern noch huldigt man dem Gehörnten Chef der Unterwelt. Zahrim und Mortuus schleudern stattdessen in Worten manifestierte Wut und Aggression in die Mikrofone; befassen sich mit den Abgründen menschlicher Tierhaftigkeit. Die Belgier beweisen mit ihrem dritten Studio-Album letztlich auch instrumentell, dass sie ordentliche Brutalität und unkonventionelle Abmischungen auf ein einziges Album komprimieren können.

Die dargebotenen Schlagzeug-Metzeleien sorgen dafür, dass man "Deathcult Salvation" am besten laut geniesst, unspektakuläre Riffs erzielen trotz scheinbarer Einfallslosigkeit die passende Wirkung auf den Hörer – Emotionsgewitter für den Augenblick. Hinzu kommt die etwas gewagte Idee, mit Soundsamples und Stimmenverzerrern herumzuexperimentieren und das nicht zu knapp. Letzteres beansprucht seine Existenz wohl auf der Grundlage, die musikalisch vermittelten Emotionspakete zu untermalen, was für meinen Geschmack ausgezeichnet gelingt.
Das vorliegende Werk erscheint nach mehrmaligem Durchlaufen in sich abgeschlossen und setzt klare Grenzen. Jedes einzelne Lied unterscheidet sich merklich vom vorigen, ohne dass es jemals an Grifffestigkeit mangelt oder etwas aus dem Gefüge des Gesamtwerkes gleitet. Für modernen Black Metal produzieren Panchrysia ziemlich abwechslungsreiche Klanggewalten, die allerdings nichts für Zwischendurch sind und eine Menge Aufmerksamkeit erfordern - Der Hörer wird für seine Konzentration mit brausenden Hasstiraden und mörderischer Verzweiflung belohnt.

Das letztendliche Ergebnis ist im positiven Sinne konfuser, wahnwitziger und erbarmungsloser Black Metal der neuen Schule, komplett losgelöst von dem rauen Magnetbandgeprügel der frühen 90er. Vor allem Mortuus Unterstützung erweckt den Eindruck, man habe sich hier stellenweise an späten Marduk-Alben orientiert und im direkten Vergleich mit Vorgängerwerken wie "Malicious Parasite" wird schnell offensichtlich, dass sich in den 4 Jahren zwischen beiden Veröffentlichungen viel verändert hat, allen voran die zunehmende Wichtigkeit von elektronischen, künstlichen Tonspuren und Verzerrungen sowie die Abkehr von einstiger Monotonie. Dem einen mag dieser neue Sattel auf dem Rücken der Belgier zusagen, auf der anderen Seite bietet die Formation Kritikern mit ihren neuen, progressiven Elektroklängen eine neonfarbene Achillesverse. Wer sich dem Wandel der Musik im Laufe der Zeit öffnet, kann auf "Deathcult Salvation" nicht verzichten. Unter der schwarz-gelb-roten Flagge Belgiens erheben sich Panchrysia und beweisen, dass gut geniessbarer, zeitgenössischer Black Metal nicht zwingend aus Skandinavien kommen muss.

Albuminfo

Punkte

 

3/5

Label

Dark Essence Records

Veröffentlichung

6/2008

Format

CD

Land

Genre

Black Metal