Dornenreich ist ein Phänomen: Es ist unmöglich sie in ein Genre einzuordnen und entweder hasst man sie oder liebt sie. Obwohl ich mich zu letzterer Gruppe zähle, tat ich mich mit ihrem letzten Werk ziemlich schwer. Das Material ist mir einfach zu sperrig, irgendwie langweilig und es fehlt das gewisse Etwas, das einen packt und das eigentlich eben so typisch für Dornenreich ist. Nach "Hexenwind” war ich also schon viel kritischer eingestellt und dass nun das neue Album nur gerade knapp ein Jahr danach folgt schürte mein Misstrauen zusätzlich. Zu allem hin ist "Durch den Traum” in der gleichen Aufnahme-Session wie sein Vorgänger entstanden.

Die ersten kurzen Hörproben veranlassten mich dann auch nicht gerade zu Luftsprüngen, aber nach intensiverem Hörgenuss wurde ich sehr schnell wieder von der Dornenreich-Magie gefangen. Wie in einer spannenden Geschichte, wo man nach den nächsten Sätzen giert und an den Lippen des Erzählers hängt, packt einen hier jeder neue Ton. Man wird mitgerissen und fühlt sich dann wie ein bisschen gefangen in der jeweiligen Atmosphäre - halt genau wie in einem Traum. Auch ohne die Songtexte zu kennen, merkt man, dass die "Traum-Thematik” unglaublich gut umgesetzt wird: Wie in Träumen üblich tauchen sehr viele verschiedene Gefühle unvermittelt auf. Auf Verwunderung folgt Schwelgen, Wut und Beklemmtheit. Dann wieder Übermut, Freude und immer wieder läuft einem ein (wohliger) Schauer den Rücken hinab. Je länger ich mir darüber Gedanken mache, desto klarer wird für mich auch, dass es vielleicht sogar Vorteile hat, den genauen Songtext nicht zu kennen; Da man eben immer wieder neue Wörter oder Satzfetzen versteht entstehen im Zusammenhang mit der Musik und der eigenen Phantasie stets neue Traumbilder und -geschichten.

Die Songs tragen alle keine Titel, sind bloss durchnummeriert, was unterstreicht, wie sehr die Lieder zusammenhängen. Einen einzelnen Song hinaus zu picken und zu beschreiben ist dann auch überhaupt nicht ideal und grundsätzlich bleiben Dornenreich ja bei ihren musikalischen Spezialitäten. Besonders Evigas Flüstern ist sehr oft zu hören. So besteht z.B. Lied IV nur aus dem geflüsterten oder sogar gehauchten Songtext und Akustik-Instrumenten. Auch auf langen Strecken von V wird dieses Konzept weiter geführt bis Eviga mit Kreischgesang, der einem durch Mark und Bein fährt, die entstandene Stimmung durchbricht. Bald darauf geht es zügig voran und man befindet sich wie die übrigen 50 Minuten in einem richtigen Gefühlschaos. Glücklicherweise kann man aber immerhin feststellen, dass auf dieser neuen Scheibe auch wieder ein bisschen mehr Aggressivität als auf "Hexenwind” zu finden ist.

Natürlich braucht auch dieses Album - wie alle anderen von Dornenreich - Aufmerksamkeit. Man könnte es mit einem raffinierten Wein vergleichen, den man zwar schnell runter kippen kann, der einem jedoch erst mit Geduld und viel Aufmerksamkeit all seine Nuancen und Feinheiten offenbart. Wie nach einem starken Traum ist man nach dem Album berührt. Die Atmosphäre lässt einen nicht mehr so schnell los und ich kann nur jedem, der sich gerne mental fallen lässt, empfehlen, "Durch den Traum” abzuspielen und sich im Wachzustand auf eine wundervolle Traumreise einzulassen.

Albuminfo

Punkte

 

4/5

Label

Prophecy Productions

Veröffentlichung

11/2006

Format

CD

Land

Genre

Metal