Neben der verzerrten Gitarre, die in unserem Metier schon als "natürliches" Instrument gilt, arbeiten Tristwood vor allem mit künstlichen Klängen aus dem Rechner. Das Line-up liest sich fast wie dasjenige einer Techno-Combo. Das in dunklen Blautönen gehaltene Cover hingegen macht mit dem sofort ersichtlichen Drudenfuss auf den ersten Blick einen typisch schwarzmetallischen Eindruck, bis bei genauerem Hinsehen die kryptischen Schriftzeichen, die altägyptisch anmutenden Skulpturen und der in das Pentagramm einbeschriebene vitruvische Mann nach Da Vinci die Gedanken weg von handelsüblichen Einflüssen lenken. Mit einem Gefühl von Interesse und Vorfreude und dem Bewusstsein, dass dieses sehr schnell in Enttäuschung und Ekel umschlagen könnte, startete die erste von unzähligen Hörsessionen, nach denen es mir auch jetzt noch schwer fällt, das Geschehen in Worte zu fassen.

Mit einem atmosphärischen Intro werden dunkle Wolken und ein Knistern in der Luft heraufbeschworen, das sich kurz darauf im Titelstück mit einem gewaltigen Blitzschlag entlädt, nur um sich jede Sekunde von neuem aufzubauen, genährt von maschinenartigem Gebolze, rasenden, scharfkantigen Gitarrensalven und potenten Synthesizer Impulsen, die wie ein Stroboskop den pechschwarzen Himmel auf erschreckende Weise unablässig erhellen. Künstlich, wilde Technoorgie, eintönig – es fällt mir schwer, unter dem Hagel von Stromschlägen, die meinen Körper durchdringen, mich auf diese kritischen Stichwörter zu fokussieren und deren Bedeutung mit dem Geschehen zu vergleichen. Denn schon gibt das nachlassende Blitzgewitter die Sicht frei auf ein verzerrtes Band, das in scharf umrissen Melodiebögen vom Himmel herabzieht, mich umhüllt und dabei ein unmenschliches Gefühl von Kälte erzeugt. Das Prasseln der faustgrossen Eiskörner scheint die Bewegungen des sechsfarbigen Energiebündels in präzisester Weise zu beeinflussen, und nur selten verlangsamt sich die Kadenz, um den tieffrequenten Pulsen Gehör zu verschaffen. Nun lasse ich mich vollends mitreissen und spüre dadurch die Kraft noch intensiver, die von dieser einfach nur brutalen Stimme ausgeht, die über dem Ganzen zu stehen scheint.

So in etwa lassen sich meine Eindrücke zum ersten Stück veranschaulichen. Der unglaublichen Flut von Gewalt, der puren Energie, die erst die ganze Scheibe vermittelt, die ungeachtet der Herkunft der Klänge so glaubhaft urgewaltig wirkt, sollte sich jeder einmal aussetzen. Das Tempo des Geschehens ist mit dem von technischem Death Metal zu vergleichen, dennoch ist "The Delphic Doctrine" weniger anstrengend während des Konsums – erst danach tritt das Gefühl von Erschöpfung und gleichzeitiger Zufriedenheit ein.

Albuminfo

Punkte

 

4/5

Label

Sound Riot Records

Veröffentlichung

5/2006

Format

CD

Land

Genre

Black Metal