Fahrstuhlmusik für Metaller?

Amorphis haben ihren Namen vom englischen Wort "amorphous", auf Deutsch: von ständig wechselnder Gestalt/Form. Nun, dieser Name ist nicht von ungefähr gewählt: Die neue CD Am Universum des finnischen Sextetts ist die konsequente Weiterentwicklung seit Anbeginn der Band. Die Debüt-CD The Karelian Isthmus war ein Aufsehen erregendes Werk des atmosphärischen, finnischen Death Metals. Über Tales From The Thousand Lakes muss ich wohl kein Wort verlieren, dieses Album stellt ohne Frage ein Meilenstein im skandinavischen Death Metal dar. Ab Elegy wurde die neue Richtung spürbar: vermehrte Melody-Vocals und Homogenisierung der Musik. Mit Tuonela verabschiedete sich die Band aus der Death Metal-Region und steuerte damit beharrlich auf einen eigenen wie auch unspektakuläreren Stil hin. Nun, Am Universum stellt wohl den traurigen Höhepunkt der bisherigen Entwicklung dar.

Alles was die Kraft des finnischen Death Metales ausgemacht hatte, wird in diesem Album geschickt ausgelassen: Weder folgen auf die eingängigen und wirklich schönen Intros Power-Growls, noch darf man genickbrechende Gitarrenarbeit erwarten. Was Pasi Koskinen gesangstechnisch abliefert ist nicht schlecht, doch zu einem umwerfend oder gar einem "Wow" reicht es bei weitem nicht. Und obwohl Amorphis mit der Single-Auskopplung Alone über vier Wochen lang Nummer 1 in den finnischen Single-Charts waren, musste Mister Kasari seine Doppel-Fussmaschine verkaufen.

Bitte versteht mich nicht falsch, die CD ist gut. Besässe ich ein Kaufhaus für Metaller (z.B. mit einer riesen CD-Abteilung, einer Sauf & Fress-Abteilung und einer Schminke-Ecke für Black Metaller) würde ich diese CD sofort in den Player für den Fahrstuhl schieben und auf "Repeat all" schalten. Vor allem die Songs Alone und das saxophonunterstützte Veil Of Sin erscheinen interessant und sicherlich hörenswert. Die Produktion ist sauber und durchsetzungsfähig, das Artwork gewohnt künstlerisch und reizvoll. Leider fand ich weder in der Promo-CD noch im Internet die Texte zu Am Universum. Ich befürchte aber, dass Amorphis von den wirklich schönen und düsteren Texten der Vergangenheit in klischeemässigere Texte (à la HIM) abgewandert sind.

Ich schliesse mich gerne der Meinung meiner Freundin an (die kein Metal hört, ausser wenn sie in meinem Auto sitzt, harharhar): "Das tönt wie Brit-Pop!". Naja, sicherlich nicht alles, doch mit dem Versuch, eigenständig zu sein, hat es Amorphis vor allem geschafft, mainstream-konform zu werden. Ich gönne es dieser Band sehr, doch die gesellschaftliche Achtung wurde auf Kosten der musikalischen Qualitäten erkauft. Nichtsdestotrotz werde ich mir diese Scheibe kaufen (ach, die Promo haste weggeschmissen oder was? hehe - Red.), und sei es nur damit ich, wenn ich jemals wieder in Finnland in einer Blockhütte an einem einsamen See sitze, mich der Natur und dem selbstgefangenen Fisch auf dem Grill hingeben werde, über eine entsprechende Hintergrund-Musik verfüge: Am Universum wird weder mich noch die Steckmücken oder Bären ablenken; Am Universum ist genau wie das Universum da, doch die meiste Zeit realisieren wir es gar nicht.

So nun ist’s genug, ich gehe jetzt in mein Zimmer und weine dem guten, alten finnischen Death Metal nach, heuuuuuuuuuuuuuuuul...

Albuminfo

Punkte

 

0/5

Label

Relapse Records

Veröffentlichung

3/2001

Format

CD

Land

Genre

Gothic Metal