"Storm Over Scaldis" hören ist wie eine Schifffahrt. Allerdings hissen die Herren aus Belgien hier die Segel bevor das Schiff überhaupt zu Wasser gelassen wurde und benutzen den Aussenborder selbst bei stärkster Strömung. Angeli Di Pietra beschenken uns mit ihrem ersten Vollspieler.

Ich schob die CD also in den Player und war nach dem unbedeutenden Intro praktisch aus den Socken gehauen. "Ride To Oblivion" bietet mitreissenden, erstklassigen Wems, wie ich ihn lange nicht mehr gehört habe. Die Belgier schiessen ihr Pulver leer, bevor sie überhaupt den Gegner gesichtet haben! Die hämmernde Doppelpedalschlägerei reisst thrashige Gitarrenriffs mit hinein und schon bald gesellen sich männliche und weibliche Gesangsparts hinzu.
"For Us, The Fallen Ones" setzt der Wichtigkeit der Sängerin Sjoera für das Gesamtbild der Scheibe einen weiteren Meilenstein. Im Refrain begeistert sie mit ihrer vielseitigen Stimme, die weit über einfaches Singen hinausgeht und oftmals in die Sopranlage abdriftet. Nein, keine Vergleiche mit anderen Sängerinnen in diesem Review.

Ein wenig erinnert mich die Kraft hinter den wikingerhaft mythologischen Liedwerken an die Kultfinnen Ensiferum, wenn die hier dargebotene Spielart auch deutlich mehr in Richtung Power Metal driftet, was vor allem am Tempo festzumachen ist. Die Thematik geht von Wikingerkram ("Lindisfarne") über anti-christliche Texte ("Torquemada") bis hin zu Fantasy. Wert legen die Belgier von Angeli Di Pietra dabei stets auf sehr kraftvolles Riffing und mächtige Trommeleinlagen.
Frauenstimme serviert von besagter Sjoera und Growling von Guy bieten die Texte dabei in einem Wechselspiel feil. Zweitere fällt mir manchmal etwas zu flach und unblutig aus, da kratzt die eigene Kehle beim Hören einfach zu wenig.

Hier und da gibt’s natürlich auch mal ein paar Soli, die auf dem Album aber etwas desorientiert und unerwartet irgendwo mitten im Lied auftauchen. Grosses Manko ist einfach, dass die Truppe ihre Ladung wirklich weit vorm Zielhafen über Bord wirft. Am Anfang wird dermassen in den Arsch getreten, dass es in den restlichen 30 Minuten kaum noch weitere Höhepunkte gibt und man die Scheibe einfach so durchhört. Spass macht dann nochmal das titelgebende Instrumentalstück in der Mitte des Albums, aber irgendwie wiederholt sich zu viel.
Schade, man beharrt zu sehr auf dem Power Metal anstatt einfach mal die weibliche Traumstimme mehr in den Vordergrund zu rücken. Hier ruht nämlich sehr grosses Potenzial, das einfach nicht genug gefördert wird. Zu oft bleibt die Soprankraft unangetastet und Sjoera verliert sich zusammen mit Guy in langatmiger, eintöniger Wortklauberei, während im Hintergrund die tüdeligen Gitarren spielen.

Im Booklet stellen sich die Bandmitglieder per individueller Sammelkarte vor. Okay, nette Idee! Überhaupt, hier steckt wieder viel Sorgfalt drin. Die Band ist stolz auf ihr erstes Werk und hat sich jede Menge Mühe gegeben. Und das Ergebnis lässt sich schlussendlich durchaus sehen, weist aber leider noch einige Makel auf.
Fürs Zweitwerk empfehle ich gemächlichere Aufmacher; die richtigen Klopper lieber für den Schluss aufbewahren und das Album nicht auf die magische Dreiviertelstunde zwingen. Weniger ist manchmal mehr.

Albuminfo

Punkte

 

3/5

Label

CCP Records

Veröffentlichung

7/2009

Format

CD

Land

Genre

Power Metal