Auf der Internetpräsenz des deutschen Klangprojektes Traumatic Voyage nimmt man sich so einiges raus. Zunächst wünscht Masterbrain und einziges Mitglied Astorian aller Existenz den Tod und verspricht unfassbare Dimensionen unerahnbarer Schrecken – also nichts was diese Welt nicht schon vorher hervorgebracht hat. Traumatic Voyage wird beschrieben als Mittel Astorians, sich auszudrücken und mal die Sau rauszulassen, sich auszutoben um, sinngemäss, nicht eines Tages Amok zu laufen. Ich nehm’s einfach mal vorweg: T.V. ist ein einziger, gigantischer Ego-Trip.

Um die künstlerische Relevanz wahrhaftig zu erfassen bedarf es sicherlich mehr als nur des einen, hier vorliegenden, Albums "Khiascuro". Trotzdem, einen gewissen Einblick in die Seele des Münchner Alleinunterhalters gewährt uns die Scheibe dennnoch. Kompliziert, das ist "Khiascuro" mehr als genug. Avantgardistisches Klanggut verteilt über 10 Stücke und mehr als 60 Minuten Spielzeit – zumindest meist. Denn vor allem der Aufmacher "Sick Transit Gloria Mundi" erinnert extrem an die schubladenfreien Surrealisten von Samsas Traum. Überhaupt, zumindest mein Musikklangschatz schlägt übers ganze Album verteilt desöfteren an. Oft schiebt mein Hirn mir Ähnlichkeiten mit Sopor Aeternus, Count Nosferatu Kommando oder sogar Empyrium ins Bewusstsein.
Übertrieben hat Astorian allerdings, zumindest was die Tiefsinnigkeit von "Khiascuro" angeht, nicht. Nach dem zweiten oder dritten Mal durchhören öffnet sich das Album endlich – pompös und nervenaufreibend. Die Lieder reiben am Geist wie eine rostige Käsereibe unter Wasser.
Einschneidend, schmerzhaft, dumpf und doch erkenntnisreich schiebt man sich von einem Stück zum Nächsten; es werden scheinbar bewusst keine klanglichen Überhänger zum Festhalten gegeben und die einzelnen Lieder wälzen sich in ihrem Verlauf gerne mal komplett um. Die benutzten Instrumente bauen häufig auf Basis elektronischer Verzerrungen auf oder kommen direkt ganz aus der digitalen Werkstatt. Der Gesang ist auf einer breitgefächerten Skala anzusiedeln – von Gekreische bis nahezu epischem Heldenbariton, rauchigen Krächzvocals und seltenen weiblichen Gesangsparts (Gastmusikerin Unikhanya) lauert Astorian uns mit innovativen Stimmeinlagen auf.

Die Gesamtstruktur der wirklich seltsamen Scheibe ist schwer zu beschreiben und extrem konfus. Ob es sich um ein ernst gemeintes, aus Sicht des Musikers künstlerisch wertvolles Album handelt, oder ob hier nichts weiter als Pseudo-Hass gepredigt und egozentrische Welten der Selbstverherrlichung im Zuge einer selbstverordneten und unnötigen Eigentherapie als schwarzmetallisches Luftschloss gebaut wurden - eine Frage, die sich vermutlich niemals klären lassen wird. Der Konsens der Texte erschliesst sich mir nur selten, der Sinn hinter zahlreichen Wortbauten bleibt verborgen. Alle Informationen und Beilagen zu "Khiascuro" strotzen vor symbolträchtiger Malerei und Metaphorik. Wer T.V. "entschlüsseln" möchte muss sich vermutlich sehr, sehr viel Zeit nehmen.

Astorians Werke sind trotz 20-jährigen Bandbestehens nur einer geringen Minderheit ein Begriff. Der hochgradig experimentelle Beigeschmack der Veröffentlichung erfordert Konzentration beim Zuhören und schliesst "Khiascuro" als Musik für Zwischendurch eindeutig aus. Ich kann mir vorstellen, dass das vorliegende Silberscheibchen beim entspannten Kopfhörergenuss durchaus meditative Tendenzen aktivieren und unsere Gedankenwelten mit einem gehörigen Erdbeben durchrütteln könnte.
Fragwürdig, nicht einzuordnen, befremdlich, atmosphärisch, isolierend und schleimig schwerfällig – Adjektive, die das aktuelle Album des Münchener Künstlers vielleicht ganz zutreffend beschreiben. Keine Kost fürs Frühstück, keine Kost fürs Abendessen; ein mehrgängiges Mahl für Feinschmecker ekelig psychotischer Surrealkünste.

Anspieltipps: 03. Subyoumanity (Make Me Laugh); 08. Cortextension (Pitching Blackest Insanity)

Albuminfo

Punkte

 

3/5

Label

Merciless Records

Veröffentlichung

9/2008

Format

CD

Land

Genre

Black Metal