Puh, von was wurde ich da denn gerade erschlagen?! Scheinbar ist das Angebot der Schweizerischen Bundesbahnen, den TGV bis ins Bünderland fahren zu lassen, doch nicht zeitlich begrenzt, wie mir einige Mitarbeiter dieses Transportunternehmens zu berichten wussten. Zumindest scheinen die Züge jedoch mittlerweile aus tonnenschweren Dampfwalzen zu bestehen, an deren Bedienhebeln sich eidgenössische Präzisionsuhrmacher befinden.

Was man aus dieser absurden Analogie herauslesen sollte: Die Schweizer von Enigmatik präsentieren der Weltöffentlichkeit mit ihrem nunmehr dritten Album "Slitherin" einen Brocken Musik, der aufgrund seines immensen Einflussreichtums praktisch unerschliessbar ist. Das theoretische Grundgerüst ist hierbei denkbar einfach: Man mische sich einen stahlharten Teig aus feinstem Grindcore und Death Metal an, gebe einen ordentlichen Schuss Jazz in die Mischung, dazu eine Prise Samples und Elektronika, vermenge dies gründlich und schon steht das Ergebnis vor einem. Mehr oder weniger zumindest, denn so leicht wird es einem auf dieser Scheibe nun auch wieder nicht gemacht. Denn der oben genannte TGV bewegt sich nicht nur mit einer aberwitzigen Geschwindigkeit vorwärts sondern entschliesst sich ab und an auch die Dampfwalzen die Kontrolle völlig übernehmen zu lassen, was in stampfenden, Unheil verkündenden Riffs endet.

Wenn sich ab und an auch wieder einmal der Uhrmacher in den Vordergrund drängt, so umspielen die verrücktesten Jazzeinlagen das Ohr des geneigten Hörers. Mir persönlich ist Jazz durch seine immense Verspieltheit bei gleich bleibendem Thema immer etwas zu langweilig, aber Enigmatik schaffen es, diese Einlagen durchweg interessant zu gestalten, ohne in blinde, man verzeihe mir den Ausdruck, Griffbrettmasturbation zu verfallen.

Über all dem hängt aber ein ziemlich penetrantes "leider". Denn leider ist die immense Spieldauer dieses Albums ein zentraler Knackpunkt, der diesem rein kompositorisch sehr guten Album doch kräftig zusetzt. Das gesamte Album erscheint sehr kopflastig und zur Gänze ausdefiniert. Somit bleibt kaum Platz für atmosphärische Passagen, die den Hörer einfach zurücklehnen und geniessen lassen. Ausserdem muss ich im Bezug auf die Produktion die etwas unspektakuläre Snaredrum hervorheben, die hinter den massiven Gitarrenwänden in den oft eingesetzten Blastbeats zu sehr untergeht.

Wie soll man eine solche Scheibe nun am ehesten bewerten? Die grössten Schwierigkeiten habe ich damit, zu entscheiden, ob es sich bei den teilweise scheinbar willkürlich zusammen gewürfelten Passagen nun um geniale Themenwechsel seitens des Arrangements handelt oder ob hier die Kreativität nicht mehr ausreichte, um adäquate Übergänge zu schreiben. Rein kompositorisch bewegt sich das Album nämlich weit über dem Niveau anderer Death Metal-Kapellen, aber auf der Seite der endgültigen Ausformulierung der Songs wirkt das ganze wie ein statisches Konstrukt, das zum Teil mit Gewalt in diese Form gezwängt wurde. Wer allerdings auf solch kopflastige Musik steht und sowohl Death Metal als auch Jazz etwas abgewinnen kann, der ist mit "Slitherin" bestens bedient, auch wenn sich selbst Liebhaber dieser Musik einige Rotationen des Albums geben müssen, bis es sich vollends erschliessen lässt. Allen anderen sei hiervon aber aufs dringlichste abgeraten. So oder so, dieses Werk wird einem einige Zeit schwer im Magen liegen.

Albuminfo

Punkte

 

3/5

Label

Thundering Records

Veröffentlichung

6/2008

Format

CD

Land

Genre

Black Metal