Gorgoroth – schon längst nicht mehr eine übliche, nahezu unbekannte, kurzlebige, norwegische Formation tiefschwarzer Schwarzinstrumentalisten. Gorgoroth ist nicht nur Musik, Gorgoroth ist vor allem Gesprächsthema. Zahlreiche Gerüchte und Kontroversen ranken sich um die einzelnen Musiker und die Kapelle selbst. Nicht zuletzt wegen des, schier künstlich in die Länge gezogenen und in der Öffentlichkeit breitgetretenen, Rechtsstreit zwischen dem sich abkapselndem Infernus und den übrigen Mitgliedern ums Namensrecht.
Regain Records kehrt alle Konflikte unter den Tisch und wirft einfach mal ein neues Album auf den Markt; die Hintergründe werden uns Laien wohl auf ewig vorenthalten bleiben und ob es sich um einen geschickten Zeitpunkt handelt oder um rücksichtlose Geldmache, dürfte ebenfalls ein Geheimnis bleiben.

Die Scheibe glänzte dementsprechend nicht schon im Vorfeld unbeschrieben und durchschaubar in meinen Händen. Genauer gesagt lieferte sie eigentlich gar keine positiven Erwartungen, auch die spärliche Aufmachung änderte nichts daran, genauso wenig die verwirrende Tatsache, dass Gorgoroth ein Live-Album in den Grieghallen aufnahmen, das aber letztlich doch auch abgemischt wurde. Wieso also nicht ins Studio? Immerhin bietet die Tracklist keine Neuheiten. Dazu kommen die vom Label verfassten Belobigungen und Anpreisungen des Presslings in allerhöchsten (englischen) Tönen in dem dazugehörigen Flyer.
Nach derartigen Überlegungen kam ich letztlich zum Schluss, dass das Tonmaterial widerspruchslos überwältigend sein müsse, um diese Veröffentlichung überhaupt zu rechtfertigen. Die CD verschwand also im Abspielgerät und kurz darauf präsentierte sich mir das brandneue Gorgoroth-Album in voller Blüte und ohne irgendwelche Einleitungen oder Intros.

Zum Zeitpunkt der Aufnahme im Jahre 2007 gingen sich Infernus (Gitarre und Bass), Gaahl (Vocals) und Garghuf (Schlagzeug) noch nicht gegenseitig an die Besitzrecht-Gurgel, sodass man "Live in Grieghallen" immerhin in einer bekannten Formation erleben darf. Die Lieder klingen somit auch recht vertraut und sind unverkennbar als Gorgoroth identifizierbar, was nicht zuletzt Gaahls unbeschreiblicher Stimme zuzusprechen ist. Klanglich bewegt sich das Album auf einem sehr hohen Niveau. Dass es sich überhaupt um Live-Aufnahmen handelt schimmert qualitativ gar nicht erst durch.
Obwohl die Norweger in den verlassenen Grieghallen ohne Publikum auf der Bühne stehen mussten, verstehen sie es überraschend gut eine gewisse Stimmung zu übermitteln. Die musikalischen Ergüsse erscheinen keinesfalls lustlos und unmotiviert nachgespielt, sie klingen nach dem Willen, etwas mit Charakter zu schaffen, wenn die gewisse Portion Herzblut auch zu fehlen scheint. Ordentliche Blast-Beats und technisch saubere Riffs zwischen kehligem Geschrei reichen schlussendlich aber noch nicht, um ein überzeugendes Werk auf die Beine zu stellen. Alles in allem hinterlassen die Lieder den Gesamteindruck als hätten Gorgoroth sich selbst gecovert.

Zweifellos bietet die Tracklist typische Klassiker und immergrüne (-schwarze) Favoriten, aber dennnoch bleibt die Frage offen, was genau den Kaufinteressierten als Schlüsselreiz zum sicheren Erwerb der Scheibe verleiten soll. Immerhin sind ihm die Lieder – geht man von der gewünschten Zielgruppe der "die-hard Gorgoroth Fans" aus – allesamt bekannt und wenn er auf "Live in Grieghallen" innovative Neuerungen erwartet wird er leider enttäuscht.

Auf den Punkt gebracht lassen sich auf der einen Seite viele vernichtende Urteile über den neuen Tonträger der düsteren Norweger fällen, auf der anderen Seite darf aber keinesfalls ausser acht gelassen werden, dass die Hintergründe und das Durcheinander unter den Herr der Ringe-Begeisterten Schwarzmetallern den allgemeinen Eindruck stark beeinflussen. Demnach leisteten Gorgoroth mit der vorliegenden Platte ein sauber bearbeitetes Stück tiefschwarzer Klangarbeit und wenn der Geist der norwegischen Hassprediger in den letzten Jahren auch an Konsistenz verloren hat, gebührt den Musikern trotz dessen Respekt seitens der Hörerschaft.

Schliesslich überzeugt "Live in Grieghallen" weder musikalisch, noch vom ungeschickt gewählten Zeitpunkt der Veröffentlichung her in einem befriedigendem Mass. Was fehlt ist einfach das musikalische Argument statt den Studio-Aufnahmen die Grieghallen-CD einzulegen. Was übertrieben wurde ist die Anpreisung seitens des Labels ("amazing live album"; "the controversial norwegians are back"), was gleichzeitig den Eindruck verstärkt, dass hier jemand eindeutig Dollar-Zeichen im Auge hatte. Eine Kaufempfehlung ist an jene zu richten, die Solidarität für Gorgoroth empfinden oder eine gut gelungene Neu-Auflage alter Lieder erwarten. Vom Sessel hauen wird die Scheibe aber traurigerweise niemanden.

Albuminfo

Punkte

 

3/5

Label

Regain Records

Veröffentlichung

6/2008

Format

CD

Land

Genre

Black Metal