Wer lange genug den Untergrund umgräbt, dem wird es gelingen, die darin verborgenen Edelsteine ans Tageslicht zu fördern. Dies dürfte soweit unstrittig sein, finden sich in der Unendlichkeit abseits der Musikindustrie doch hin und wieder tatsächlich ausgezeichnete und unentdeckte Talente... "Da Marmorea Lapide Ombrati" ist der Albumtitel, Disjecta der dazugehörige Künstler. Schmucklos und ohne jegliche Information erreichte mich der mit Fineliner beschriftete, unscheinbare CD-Rohling und ich machte mich noch vor dem ersten Hördurchgang und zunächst doch widerwillig und missmutig daran, das weltweite Netz nach Daten und Fakten zu Album und Künstler zu durchforsten. In der Tat stiess ich auf eine Internetseite, die auf Disjecta zurückzuführen und an gestalterischer Armseligkeit kaum zu übertreffen war. Mit Werbebannern bombardiert klickte ich mich zügig durch die Baukastenseite, entriss ihr einige spärliche Erkenntnisse und kam zu dem voreiligen Schluss, es im Falle von Disjecta mit einer totalen Nullnummer zu tun zu haben...

Der Vollständigkeit halber lud ich anschliessend meinen CD-Player pflichtbewusst mit dem rohen Silberling und fand meine Vorahnung schnell bestätigt: Komplett verwaschenes, dumpfes Gewummere kroch leise aus den Boxen und ich erdachte vor meinem inneren Auge bereits die ersten Sätze des anstehenden Verisses, als nach einer halben Minute die Stimmung urplötzlich umschlug: Eine blecherne Murmelstimme erscheint kurz, ein Pfeifen ertönt und völlig überraschend entlädt sich ein Inferno aus mit fast lupenreiner Aufnahmequalität versehenem Melodic Black Metal, der sich in dieser aggressiv leidenschaftlichen und intensiven Art und Weise heutzutage auf die rote Liste der vom Aussterben bedrohten Arten zubewegt. Wütendes Schlagzeugfeuer paart sich im Geschwindigkeitsrausch mit sägendem Gitarrenspiel, welches fleissig und ausdauernd nahezu das gesamte aktuell im Schwarzmetall vorstellbare Spektrum zur Präsentation bereithält. Fliegende Tempowechsel, eine markerschütternde, zeitweise scheinbar von Schmerzen verzerrte Kreischstimme und viele langsame, fast meditativ anmutende Klangbauten stossen den Hörer in ein selten erfahrenes Wechselbad der Gefühle, ohne grössere Hoffnung, der musikalischen Faszination von "Da Marmorea Lapide Ombrati" allzu schnell wieder zu entkommen. Nette Einfälle wie E-Gitarren-Gezupfe und Marschtrommeleien werden geschickt ins Tongeflecht eingewoben und wirken weder kitschig noch notgedrungen. Stark!

Ich hätte nicht gedacht, Disjecta am Ende der Rezension als eine der besten italienischen Veröffentlichungen der letzten Jahre ausfindig gemacht haben zu können und nach den Anfangsschwierigkeiten doch noch ein kleines Loblied anzustimmen. Sicher öffnet man im Black Metal keine neuen Tore, zeigt aber erfrischend ideenreiches Songwriting und beeindruckendes instrumentales Können. Dies ist speziell vor dem Hintergrund interessant, die Band als Ein-Mann-Projekt eines Herren namens Kathaarian zu wissen, der wohl sämtliche Instrumente selbst eingespielt hat. Dankenswerterweise hat sich das italienische Label Aeternitas Tenebrarum des Multitalents angenommen und wird, so ist zu hoffen, weitere Leckerbissen aus dem Hause Disjecta um die Welt schicken. Schade, dass mir weder Booklet noch Texte vorliegen, denn irgendwie hält sich bei mir der Eindruck, längst nicht den vollen Tiefgang des Albums mitbekommen zu haben. Schade auch, dass die Produktion nicht übermässig druckvoll ausgefallen ist, aber was soll's - so bleibt die Möglichkeit, es beim nächsten Mal besser zu machen! Moderner, roher und abgrundtief böser Black Metal aus dem Bilderbuch - unbedingt in Auge und Ohr behalten!

Albuminfo

Punkte

 

4/5

Label

Aeternitas Tenebrarum

Veröffentlichung

11/2006

Format

CD

Land

Genre

Black Metal