Italienischen Bands sagt man gewöhnlich den Hang zum Kitsch nach. Ich habe mich ertappt, nach dem Intro mein Vorurteil bestätigt geglaubt zu haben. Denn die musikalische Einleitung strotzt nur so vor rosaroten Keyboardklängen, umrahmt von heroischem Marschtrommeln. Wer sich daran stört, sollte sein Urteil nicht fällen, ohne mindestens einmal auf die Überspringtaste gedrückt zu haben.

Ein Urschrei von Sänger Svafnir holt den Hörer jäh zurück in die viel rauere Realität von Draugr: Hochgeschwindigkeitsattacken wechseln sich mit Paganhymnen und fremden Melodien. Nur sporadisch ahmt ein Tasteninstrument passende Instrumente (Flöte, Akkordeon) nach, so dass sich der erwartete Kitsch praktisch gänzlich als Irrtum entlarvt. Die Angst vor Pagangeduldel entschwindet von Stück zu Stück. Ein paar Natursamples motzen die abwechslungsreichen Hymnen auf. Ansonsten bleibt man im hymnischen Black / Pagan Metal, wie es sich gehört. Charakteristisch ist nicht zuletzt der Gesang, welcher in den hohen Lagen etwas an Dani von Cradle erinnert, jedoch auch grunzartig daherkommt.

Die primäre Stärke der Untoten (ein Draugr ist in der germanischen Mythologie ein Untoter, der sich nach einer Bestattung durch Erdwerk und Fels zu bewegen vermochte, um anderswo zu erscheinen) liegt im Riffing und Komponieren von Melodien. Dabei ist unerheblich, ob sich der Vierer an langsame, bisweilen akustische oder blitzgeschwinde Passagen heranwagt. Allein gute Riffs zu komponieren reicht allerdings nicht aus. Songstrukturen wollen durchdacht sein und in keinster Weise zu Langatmigkeit verleiten. Genau hier sind beim Debüt der Italiener leichte Defizite auszumachen. Steigerungsläufe oder Aufbaustrategien sind eher die Ausnahme. Vielmehr herrschen Riff-Melodie-Aneinanderreihungen vor. Sucht der scharfsinnige Kritiker nach weiteren Schwachpunkten, wird er allerhöchstens noch ein Stück mehr Eigenständigkeit vermissen.

Bedenkt der Geniesser jedoch, dass er ein Debüt rotieren hat, so erstaunt die musikalische Leistung uneingeschränkt: "Nocturnal Pagan Supremacy" ist eine der interessantesten Veröffentlichungen, die mich in letzter Zeit aus Italien erreicht hat.

Albuminfo

Punkte

 

3/5

Label

Christhunt Productions

Veröffentlichung

4/2006

Format

CD

Land

Genre

Black Metal