Brotsandwich oder Falafel? So hiess diesmal die alles entscheidende Frage im Muotathal. Richtig: Fast alles ist gleich geblieben. Wer brutal Death in annähernder Reinkultur zu schätzen weiss, ist im August in der Urschweiz goldrichtig. Doch das Mountains Of Death hat auch Traditionen revidiert und beispielsweise sein kulinarisches Sortiment um einen Imbisstand erweitert. Der Autor blieb dennoch beim traditionellen Brotsandwich (ein Brot zwischen zwei Schnitzeln eingeklemmt), als er nach einigen Stunden Staufahrt am Samstag gegen halb vier endlich das idyllische Festgelände Balmen erreichte.
Von Seiten einiger Unverbesserlicher war der Ausspruch zu hören, dass man ganz einfach ans Suffocation-Konzert ginge und rundherum sei halt noch das Mountains of Death. Neunzehn mehr oder weniger bekannte Truppen durften diese Lügen strafen. Ihre Antwort war unmissverständlich: ich liess mir sagen, dass bereits am Freitag über siebenhundert Nasen die Wände von Arsebreed, Sacramental Blood und insbesondere Skinless bestaunen durften, währenddem Ophiolatry eher harmlos agierten.
Die erste Truppe, die ich beäugen durfte, waren die heimischen Cropment. Ich durfte den neuen Axtmann Toby das erste Mal geniessen. Der kleine Wicht bemühte sich sichtlich, die Stimmung aufzuheizen und ist nicht nur rein choreografisch eine Bereicherung für den brutal Death-Trupp. Der langjährige Trommler Claudio, der sich alsbald vermehrt seiner Familie widmen will, feierte am MOD einen standesgemässen Abschied. Mit familienfreundlich hatte der Gig allerdings überhaupt nichts zu tun. Nebst dem abschliessenden brandneuen Stück, knallten uns die Schweizer den einen oder anderen Bandklassiker vor den Latz. Einzig das ungeschriebene Gesetz, ein Stück zweimal zu beginnen, wenn etwas schief läuft, sollte der Fünfer beim nächsten Mal beachten, denn was beim ersten Mal krumm läuft, geht auch beim zweiten Mal nicht ganz glatt. Entschädigenderweise hat Cropment dann schon während dem Konzert mit dem Merchandising begonnen: René liess es sich nicht nehmen, den Mob mit ein paar Langarmhemden zu beschenken.
Was Cropment noch vor sich hat, durften Disavowed bereits als Geschichte betrachten: Mit neuem Trommler und neuem Label grunzt und poltert es sich sichtlich leichter. Die Holländer waren wieder zurück am MOD und kannten wiederum nur eine Richtung: Mit Hochgeschwindigkeit direkt nach vorne, ohne Blick zurück. Der frühe Abend färbte sich bei diesen Klängen entsprechend blutrot, wie der ominöse Frosch im Mixer. Der Mob hatte seine wahre Freude und enterte wie jedes Jahr die Bühne um schnurstracks wieder in die Menge zu tauchen. Nicht nur die Stage-Diver liessen sich auf Händen tragen. Nein, das dankbare Publikum trug sogar Sänger Robbe K wortwörtlich auf Händen, ohne dass sich dieser auch nur einen Tick im Ton verfehlte.
Die Spanier von Machetazo spielten dann während dem sich der Autor dem zweiten Brotsandwich widmete und so waren erst Fleshless wieder auf dem Schreibprogramm: Hier darf sich der unwissende Leser eine ultrabrutale Variante von At The Gates mit vermehrten Gutturalanteilen vorstellen. Fleshless boten genau den Ecken Abwechslung, der dem Mountains Of Death wohl getan hat. Die ergiebigen Melodiebögen erschienen als erwünschtes Balsam für die Brutal Death-beeinträchtigten Hörmuscheln. Dem gemeinen Volk schien es zu gefallen und auch die brutaleren Gemüter waren standesgemäss befriedigt. Ein wirklich feiner Gig, doch At The Gates bleiben mit dieser Art von Melodiebögen klar die Sieger.
Nach Fleshless durfte der beständige Zuhörer eine weitere, klar erhöhte Form von Abwechslung erleben. Für des Schreiberlings Gemüt, war dies eindeutig zu viel der Varietät. Oder viel mehr ging die Ablenkung in die verkehrte Richtung. Die Crustpunk-geschwängerten Grindcore-Salven von Cripple Bastards aus dem Süden, hatten einfach nur nervenden Charakter. Zum erstaunen vieler Brutal Death-Anhänger war die Stimmung nicht so bescheiden wie die klanglichen Ergüsse der Truppe. Die mittlerweile randvolle Kulisse hatte Spass an dem, was sonst eher in stinkenden Kellern vor sich hin pocht. Es bleibt wahrlich zu hoffen, dass diese Band nicht die Ausrichtung kommender Mountains Of Death Spektakel vorzeigt und die Muotathaler Bevölkerung von dieser Art klanglicher Erzeugnisse verschont bleibt. Wir wollen doch kein Mountains Of Core! Dennoch gab es Leute, die nach übertriebenem Genuss von … sagen wir Brotsandwichs zu Cripple Bastards kommentierten: „Dasch etz huere gail gsi!“.
Mittlerweile hatte sich die sengende Sonne den unreinen Klangfolgen des brutalen Todesstahls unterworfen und wich einerseits der Dunkelheit, andererseits einer Decke bedrohlicher Wolken.
Als Suffocation die Band enterte, stachen sofort die minus 1.5 Mann ins Auge. Der Bassist Derek Boyer war am Bein verletzt und konnte sich nur sitzend am Bass beschäftigen und einer der Gitarristen blieb am Zoll hängen, weil er sich den Pass stehlen liess. Doch professionell wie Suffocation sind, lieferten sie ungeachtet dessen eine brutal beachtliche Show. Doch jedes Mal, wenn Sänger Mullen das Wort „Fucking“ in den Mund nahm, verdichtete sich die Bewölkung um die Muotathaler Bergwelt. Da dies ziemlich oft der Fall war, prasste schlussendlich der Regen in Eimern hernieder. Dies vermochte die Stimmung allerdings nicht zu trüben, denn die Idee, das zweite Zelt öffentlich zu machen (letztes Jahr diente es bloss als Backstagebereich), sorgte für genügend gedeckten Platz. Stagediving wurde zwar zur Lebensgefahr, denn nass plus Strom gleich Blitz, doch das kümmerte die wenigsten. Jemand liess sich nicht einmal die Gelegenheit nehmen, sich auf der Bühne neben Basser Boyer zu setzen und ihm Gesellschaft zu leisten. Den Ruf, dass das Mountains Of Death dasjenige Festival ist, an dem die Bands am nächsten bei den Fans sind, war somit wieder einmal bestätigt.
Rotten Sound und Mumakil lieferten schlussendlich einen amtlichen Abschluss für die sechste Ausgabe des Berglerfestivals zu Muotathal, bevor es dann noch einmal kräftig „Krüge heben“ hiess.
Alles in allem ein wunderbares Wochenende und ein Mountains Of Death, das sich trotz stetigem Wachstum treu geblieben ist. Ob sich das Stichwort Wachstum sogar bis dahin ausweiten wird, dass das Gelände Balmen bald zu klein wird, würde der Autor bejahen. Dass damit allerdings einiges vom Geist des MOD verloren ginge, dürfte auch den Veranstaltern klar sein. Doch für diesmal hat dank freundlicher Security, gepflegten Toiletten und einer fähigen Sanität alles bestens geklappt. Dass auch die Detailpflege nicht fehlte (liebevoll verpackte Schokolade beim Eingangsempfang), stimmte alle positiv. So kann sich das MOD-Team rühmen, für ein gediegenes Ambiente gesorgt zu haben. Genau dadurch zieht das MOD Jahr für Jahr massenhaft Leute in den hintersten Chrachen der Innerschweiz, auch solche, die an und für sich wenig mit einem stark Brutal Death-lastigen Programm anfangen können.