Er war sich ja nicht ganz sicher, wen er hier eigentlich anrief, der Stephan, denn in der Interviewinformation, die er von seinem Label erhalten hatte, wurden wir ziemlich "verändert" betitelt, etwas in der Richtung von "renewar" oder "rainwarrior"...

Er war sich ja nicht ganz sicher, wen er hier eigentlich anrief, der Stephan, denn in der Interviewinformation, die er von seinem Label erhalten hatte, wurden wir ziemlich "verändert" betitelt, etwas in der Richtung von "renewar" oder "rainwarrior". Aber das spielte schlussendlich auch keine Rolle, denn bei diesem Gespräch ging es ja um eine Band namens Thanatos, die bereits 1984 ihr erstes Demo auf den Markt gebracht hat. Man muss das mal bedenken. Selbst die älteren Metal Schreiberlinge hatten da gerade mal die Frühpubertät erreicht, und somit kann man schon behaupten, dass Thanatos für die meisten Leute heutzutage bestenfalls noch vom Namen her ein Begriff sind oder bereits als lebende Legende gehandelt werden, von der man zwar schon irgendwann mal etwas gehört hat, aber die man eigentlich gar nicht so richtig kennt. Zu hören gibt's jetzt wieder was, und zwar das neue Album Angelic Encounters, mit dem die Holländer nochmals mächtig aufs Gaspedal treten. Von "Rost angesetzt" kann hier sicherlich keiner sprechen, und neben sicherlich vielen Reunion-Enttäuschungen der letzten Monate hebt sich das neue Album von Thanatos als wirkliches Glanzstück dieses Genres ab.

Du hast die Band ungefähr 8 Jahre nach dem Split reformiert.

Stephan: Ja, wir haben uns 1992 aufgelöst. Vor etwa 1nem Jahr habe ich die Rechte für unsere beiden ersten Alben von der alten Plattenfirma zurückbekommen. Danach habe ich die Band reformiert und bei Hammerheart unterschrieben, und nun haben wir ein neues Album gemacht.

Du hast die Band nach 4 Demos und 2 Alben aufgelöst. Ich glaube, das war bereits der 2. Split in der Bandgeschichte. Thanatos hatte schon einen ganz am Anfang des Bandbestehens, oder?

Stephan: Ja, wir hatten viele, viele Line-Up Changes in der Anfangszeit. 1989 verfügten wir dann erstmals über eine stabile Bandbesetzung. Danach haben wir bei Shark Records unterschrieben und 2 Alben für sie gemacht. Aber es gab überhaupt keine Promotion dafür, und wir hatten auch nicht gerade das beste Verhältnis zur Plattenfirma. Daneben entstanden auch innerhalb der Band einige Differenzen. Die anderen Jungs wollten in eine eher technische Richtung gehen und keinen Death Metal mehr spielen. Aber das grösste Problem war, dass es einige Leute in der Band gab, die mehr daran interessiert waren, betrunken oder stoned zu werden und von der Bühne herunterzufallen anstatt vor dem Publikum gut zu spielen.

Dann war Thanatos also immer eine ernste Sache für Dich? Wolltest Du stets hochtechnischen Death Metal spielen?

Stephan: Das Wichtigste für mich ist, dass die Songs gut sind. Ob sie sehr technisch sind oder nicht spielt dabei keine Rolle. Aber es war wirklich als ernste Sache gedacht, mit guten Songs, guten Alben und hoffentlich auch guten Liveauftritten. Aber das war sehr schwierig zu dieser Zeit. Einmal machten wir ein sehr gutes Konzert, und beim nächsten Mal waren wieder alle auf der Bühne total betrunken.

Denkst Du, dass dies nur ein Problem von Thanatos war oder traf das doch eher auf alle Bands dieser Richtung zu?

Stephan: Es gab sicherlich ein paar Bands, die das Ganze ernster nahmen als wir. Die Szene war damals ein wenig anders als heute. Es war mehr Fun dabei, aber auch Dummheit. Heutzutage nehmen die Musiker ihre Musik sehr ernst, auch sich selbst. Da ist nichts falsch daran, aber so gesehen war die Szene schon anders als heute. Aber es gab wie gesagt auch zu unserer Zeit Bands, die ihre Musik sehr ernst nahmen, Gorefest beispielsweise. Sie verkauften mehr Platten, waren immer voll da auf ihren Konzerten und hatten auch stärkere Plattenfirmen im Rücken. Dadurch war es sicherlich einfacher als sie, gross zu werden.

Erinnerst Du Dich an den Moment in Deinem Leben, wo Du gesagt hast: "Ab heute spiele ich Death Metal."? Wolltest Du immer Death Metal spielen?

Stephan: Ich war ungefähr 16 Jahre alt, als ich die Idee für Thanatos hatte. Ich habe in Sachen Metal und Hard Rock mit Bands wie Kiss, Black Sabbath oder Iron Maiden angefangen. 1991 bekam ich dann zum 1. Mal Venom zu hören, und dabei wurde mir klar, dass ich Musik in Richtung Venom, Slayer oder Metallica machen wollte. So entstand der Gedanke an Thanatos im Jahre 1983 oder so, und 1984 formierte ich die Band mit einigen Jungs aus der Schule, die sich auch für härtere Metal Sachen interessierten.

Der Name Thanatos hört sich irgendwie griechisch an.

Stephan: Ja, das ist korrekt. In der griechischen Mythologie wurde die personifizierte Form des Todes Thanatos genannt. Wir wollten einen Namen haben, der mit Death zu tun hatte, ohne aber das Wort selbst zu benutzen, da es schon so viele Bands mit dem Wort Death im Namen gab, Death Angel beispielsweise.

Nochmal zu den zahlreichen Line-Up Changes. Es sind ja seit dem Bestehen von Thanatos ungefähr 15 Leute in der Band gewesen. Bist Du damit vielleicht ins Guiness Buch der Rekorde gekommen?

Stephan: Ich glaube Chuck Schuldiner von Death hat mehr Leute gebraucht, haha. Ich habe ja auch nicht alle rausgekickt. Einige sind von selbst gegangen, weil sie die Band nicht mit der Arbeit in der Schule unter einen Hut bringen konnten. Es war nicht so, dass ich alle gehasst hätte und jede Woche einen rausgeschmissen hätte ...

... oder sie hatten einfach Angst vor Dir.

Stephan: ... so gross bin ich nicht, haha.

Was hast Du in all den Jahren seit der Bandauflösung gemacht. Warst Du aktiv im Musikbusiness tätig?

Stephan: Ja, ich habe die Death Metal Szene immer mitverfolgt in all den Jahren. 1994 und 1995 spielte ich sogar mit dem alten Thanatos Gitarristen und dem Drummer von Elegy in einer Band zusammen. Wir spielten eine Art Power Metal Thrash Metal Mischung, sowas zwischen den alten Paradise Lost und Slayer, einfach ein bisschen technischer. Aber das war ehrlich gesagt nicht so ganz meine Richtung, denn ich wollte brutaleres Material spielen. Dazu kam, dass der Drummer von Elegy viel Zeit für seine Hauptband aufbringen musste, da Elegy in Deutschland und Japan sehr gut ankommen. Wir haben ungefähr 1 Jahr lang ein paar Testsongs geschrieben, aber es kam nie ein Demo oder eine Platte zustande.

Angelic Encounters heisst also das neue Album, und das derzeitige Line-Up verfügt über recht bekannte Namen wie Kloosterwaard oder Van Ekelen, die früher selbst grosse Fans von Thanatos gewesen sein sollen, wie man lesen kann. Wie soll man denn die neue Platte verstehen? Thanatos Sound von Fans für Fans?

Stephan: Mit den neuen Songs wollte ich wieder ein bisschen zurück zum 1. Thanatos Album gehen, denn viele Leute schienen das erste Album mehr gemocht zu haben als das zweite. Ich persönlich mag das zweite lieber, weil es sich einfach professioneller anhört. Aber ich denke, dass die Songs auf dem 1. Album etwas griffiger und direkter waren, und genau so wollten wir die neuen Songs wieder haben. Das neue Thanatos Material sollte sich so anhören, wie sich Thanatos immer angehört hat, natürlich mit einer modernen Produktion und einem brutaleren Sound, also Death Metal mit aggressivem Thrash Metal kombiniert, und ich glaube, das haben wir mit unserem neuen Album auch geschafft.

Ihr habt dafür auch 2 alte Songs nochmals neu aufgenommen. Speed Kills und The Howling. Insbesondere Speed Kills ist ein sehr alter Song, wenn ich da richtig liege, denn es gab schon ein Demo mit dem Namen Speed Kills. Obwohl diese Songs sehr alt sind, passen sie perfekt zum neuen Material.

Stephan: The Howling und Speed Kills wurden sogar schon vor der Bandgründung geschrieben. Sie sind also etwa 17 Jahre alt. Als ich das neue Material schrieb, dachte ich mir, dass die Leute vielleicht sagen könnten: "Oh, völlig neuer Sound, klar, neue Leute in der Band. Das hört sich ja wie Sinister oder Houwitser an." (2 der Thanatos Mitglieder spielen in diesen beiden Bands - Anm. d. Red.) Also entschloss ich mich dazu, 2 alte Songs zu verwenden, die es niemals auf eine CD geschafft hatten, und diese alten Titel passen perfekt zum neuen Material, wie man hören kann. Der Sound hat sich nicht stark verändert in all diesen Jahren. Er ist vielleicht ein wenig technischer geworden.

Was geht Dir durch den Kopf, wenn Du die vielen jungen Bands von heute hörst, die versuchen, wie die Gruppen von damals zu klingen. Fühlst Du Dich dadurch ein wenig geehrt oder sagst Du eher: "Ach was, die haben doch keine Ahnung, um was es eigentlich geht."

Stephan: Nein, wenn sie Thanatos als einen Einfluss nennen würden, dann wäre das sicherlich eine Ehre, und wenn sie ein wenig wie die früheren Bands klingen, so ist das eine schöne Sache, denn es war eine sehr junge und frische Bewegung damals. Als wir mit Thanatos angefangen haben, gab es nicht sehr viele Bands, die diese Musik spielten. Es war etwas Neues, und jeder erschuf ein Stück von etwas, was zuvor nicht bestanden hatte. Mittlerweile hat es alles schon gegeben, meine ich. Jeder Riff wurde bereits gespielt, und auch sonst wurde alles schon gemacht. Klar, Du kannst noch ein bisschen brutaler sein oder sowas, aber eigentlich gibt es kaum mehr etwas, was es bisher noch nicht gegeben hat. Was ich allerdings nicht mag, sind Bands, die einfach versuchen, den 80er und den frühen 90er Jahre Sound zu kopieren. Es ist kein Problem, wenn man Einflüsse aus vergangenen Zeiten heraushört, aber als junge Band sollte man auch etwas aus seiner eigenen Zeit mit in die Musik einbringen. Sonst höre ich mir lieber gleich die Originale an als diese Retrobands. Es wird auch heutzutage viel gute Musik gemacht, wieso also sollte man die neuen und die alten Einflüsse nicht miteinander kombinieren?

Natürlich hilft Euch diese Retrobewegung auch. Ihr könnt damit in der Szene wieder besser Fuss fassen.

Stephan: Ja stimmt, denn jeder reformiert seine alten Bands wieder. Der einzige Grund, dass ich Thanatos erst jetzt reformiert habe, war der, dass ich den Kontakt zu Shark Records nicht herstellen konnte, und somit fehlten mir auch die Rechte für die ersten beiden Alben. Hätte ich die Rechte schon vor 5 Jahren gehabt, wäre es sicherlich einfacher gewesen, Thanatos schon damals wieder zu reformieren.

Glaubst Du, dass diese momentane Welle diese Stilrichtung ein weiteres Mal zerstören wird?

Stephan: Die Death Metal Szene hatte schon immer Ups and Downs gehabt. Die letzten Jahre wurden beispielsweise hauptsächlich vom Black Metal dominiert. Jetzt kommen die Death Metal Bands wieder in die Schlagzeilen der Magazine zurück. Es gibt viele gute Bands darunter, aber auch viele, bei denen Du jetzt schon siehst, dass sie nicht gut genug sind, um mehr als 1ne oder 2 Platten zu machen. Genau diese Art von Bands hat die Szene schon zu Beginn der 90er Jahre einmal zerstört. Es waren einfach plötzlich zuviele Formationen da, die genau das Gleiche spielten. Dem Black Metal ist es ebenfalls so ergangen. Gegen Schluss haben sich alle gleich angehört, und unterm Strich haben nur ein paar grosse Bands überlebt.

Wie ernst ist es Dir denn mit Thanatos heute? Ist es nur noch mal ein Durchleben der alten Zeiten oder willst Du diese Band nochmals richtig re-animieren?

Stephan: Wenn es geht, werden wir natürlich ein nächstes Album machen. Wir wollen auch auf Tour gehen und haben schon einige wenige Gigs gespielt, einen in Deutschland und einen in Holland, und zum Anfang des nächsten Jahres werden es noch einige Konzerte mehr werden. Wir hoffen, dass wir auf eine Europa Tour gehen können und auf ein paar Festivals spielen dürfen. Wenn das funktioniert und sich das Album gut verkauft, werden wir weitermachen. Aber wenn wir nur ungefähr 500 Exemplare absetzen und uns niemand hören will, dann sollte man ehrlich zu sich selbst sein und mit dem Ganzen aufhören. Wir haben sehr viel Spass bei der Sache und die Atmosphäre in der Band ist ausgezeichnet, und solange niemand sagt, dass wir ihm auf den Geist gehen oder dass wir alten Fürze lieber verschwinden sollten, werden wir weitermachen.

Du hast über die Konzerte gesprochen, die Ihr gegeben habt. Wie waren denn die Reaktionen darauf? Nach 8 Jahren fängt man ja irgendwie wieder bei Null an. Viele der heutigen Hörer sind noch zu jung, um Euch von damals her kennen zu können.

Stephan: Der Gig in Deutschland fand in einem ziemlich kleinen Club statt. Es waren etwa 200 Leute anwesend, auch sehr viele junge Leute. Wir haben ziemlich spät angefangen zu spielen, ungefähr um 0.30 Uhr, und daher war nicht mehr viel Publikum da, aber die Reaktionen waren sehr gut. Das Album ist ja auch noch nicht draussen. Es kommt erst am 22. November raus. Der 2. Gig fand in Rotterdam, unserer Heimatstadt, statt, wo wir ebenfalls gut ankamen und relativ viel Publikum anwesend war, hauptsächlich neue Leute. Da waren sicherlich auch alte Gesichter drunter, aber die meisten von ihnen waren schon ziemlich jung. Wir wären froh, wenn wir auch dieses junge Publikum für uns gewinnen könnten, denn nur mit den alten Fans alleine werden wir nicht überleben, und ich hoffe, dass die jüngeren Leute auch ein wenig Spass daran haben, die Bands dieser früheren Bewegung zu entdecken und zu sehen, dass diese immer noch aktiv sind.

Was ist denn Dein Lieblingsalbum im Moment? Eine Death Metal Platte?

Stephan: Ja, eine Death Metal Platte. Momentan höre ich mir das neue Morbid Angel Album und die neue Nile Scheibe sehr viel an. Auch Hypnosia aus Schweden mag ich sehr. Sie gehören zwar ein wenig in die Kategorie "Retrothrashband", aber sie machen ihre Sache sehr gut. Sie haben noch das Feeling und die Aggression wie die Bands vor 10 Jahren.