Da soll nochmal einer sagen, die Amis würden nicht über ihren eigenen Tellerrand hinausausgucken können. Weit gefehlt offensichtlich, zumindest im Falle von Novembers Doom, denn dem Chicago 5er ist durchaus bewusst...

Da soll nochmal einer sagen, die Amis würden nicht über ihren eigenen Tellerrand hinausausgucken können. Weit gefehlt offensichtlich, zumindest im Falle von Novembers Doom, denn dem Chicago 5er ist durchaus bewusst, dass man in unseren Breitengraden mit düster depressivem Doom Death eine beachtliche Hörerschaft finden kann. Schon in ihren Anfangstagen sind sie mal über den Teich gekommen, aber da hat noch nicht alles so funktioniert, wie Novembers Doom sich das vorgestellt hatten. Mit The Knowing starten die Doom Deather nun zum 2. Anlauf auf den europäischen Kontinent, und dieses Mal haben sie zumindest eine superstarke Trumpfkarte in der Hand, nämlich das neue Album. Wer das Review gelesen hat, begegnete einem begeisterten Rezensierer, einer tolle Gesamtbeurteilung und einer dringlich ausgesprochenen Kaufempfehlung. Letztere wird der Band hoffentlich dazu verhelfen, ein paar Cents in die eigene Tasche zu bekommen, damit sie es gelegentlich mal schaffen, zu uns herüberzusetzen. Anyway. Fernab von bösartigen Prüglern wie Usurper und Knitterfaltenbluesbrothers hat sich in Chicago ein Trüppchen entwickelt, dem man unbedingt Beachtung schenken sollte.

Gleich zu Beginn werde ich Dir die dümmste Frage dieses Interviews stellen. Ihr nennt Euch Novembers Doom. Warum gerade November? Oktober und Dezember sind auch sehr düstere und doomige Monate. Steht bei Eurem Bandnamen eine gewisse Idee dahinter? Also eigentlich ist das die dümmste Frage, die ich überhaupt jemals irgendwem gestellt habe, haha.


Paul: Der einzige Weg, mit einer dummen Frage umzugehen, ist, eine dumme Antwort darauf zu geben, haha. November ist der Monat, in dem alles für den Beginn des Winters stirbt. Der Oktober steht für den Beginn des Herbstanfangs, wenn sich die Farben verändern und das Laub zu Boden fällt. Aber der November beginnt den langen, kalten Winter. Es ist der Monat, in dem die Menschen anfangen, depressiv zu werden, da die Sonne immer früher untergeht und die Nächte länger werden. Ausserdem klingt Decembers Doom nicht so gut wie Novembers Doom. Als die Band 1992 diesen Namen wählte, hat noch niemand eine Monatsbezeichnung in seiner Bandbezeichnung verwendet, was ihn ziemlich originell und kreativ gemacht hat. Heutzutage heissen so viele Bands ähnlich. Es wundert mich eigentlich, dass uns die Leute noch auseinanderhalten können.

Kannst Du uns einen kurzen Ueberblick über die Bandgeschichte geben?

Paul: Wir haben mit dem Namen Novembers Doom 1992 angefangen. Ein früher Deal mit Regress Records in Italien erlaubte es Avantgarde, die Band zu hören. Diese Aufnahmen stellten eine Mischung aus Death und Doom dar, kombiniert mit dunklen und verzweifelten Stimmungen. Diese 2 Songs, die wir damals eingespielt hatten, verhalfen uns schlussendlich zu unserem full-lenght Debut Album Amid It's Hallowed Mirth über Avantgarde/Nuclear Blast. Schon bald folgte ein Compilation Track für Pavement Music. Im Jahre 1997 veröffentlichten wir die EP For Every Leaf That Falls. Dieses Mini Album kam aufgrund vielversprechender Reviews und positiven, weltweiten Reaktionen gut an. Danach haben wir unser zweites full-lenght Album Of Sculptured Ivy And Stone Flowers über Martyr Music Group Inc. veröffentlicht, welches bescheidene Reviews erhielt. Im Mai 2000 gingen wir abermals ins Studio, um den Nachfolger von Of Sculptured Ivy And Stone Flowers aufzunehmen. The Knowing entstand im Studio One, zusammen mit Chris Djuricic. Diese CD steht ganz im Zeichen unseres bisherigen Materials und wurde lediglich mit ein paar Schritten in neue Richtungen erweitert. Auf dieser CD kannst Du alles erwarten, was in den Möglichkeiten der Band steht. Im Juli 2000 wurden wir dann ein offizielles Mitglied der Dark Symphonies Familie. Sie erkannten unser Potential und handelten einen Deal mit der Martyr Music Group aus, um uns unter ihre Fittiche zu nehmen. Jetzt sind wir da, wo wir hingehören.

Die Promoinformation beschreibt Euer Album folgendermassen: Dunkler, depressiver Doom Death. Ich persönlich denke, dass für viele der Songs auf Eurem neuen Album depressiv nicht unbedingt der richtige Ausdruck ist. Sie scheinen eher eine träumerische und melancholische Atmosphäre mit etwas Traurigkeit darin zu haben. Wie würdest Du persönlich die Musik von Novembers Doom umschreiben?

Paul: Ich denke, dass jeder verschieden beschreibt, was er hört. Ich persönlich halte dieses Album für das depressivste Werk, das wir bisher geschrieben haben. Es handelt vom Zusammenbruch eines menschlichen Verstandes und dem Versuch, damit umzugehen, vom Verlust der Liebe, der Vernunft und dem Wunsch zu leben. Das Album beschreibt eine emotionale Achterbahnfahrt, die Dich durch Wut, Leid und Elend, aber auch durch eine träumerische Stimmung führt. Du kannst Dir die CD anhören und förmlich dabei zusehen, wie dieser Charakter langsam zusammenbricht, nur um gegen Ende eine Art von Normalität wiederzuerlangen, um zum Schluss der CD abermals in die Leere zurückzuverfallen. Die Geschichte ist zwar erfunden, beinhaltet aber viele persönliche Erfahrungen, und bei zahlreichen Stellen werden die Leute Parallelen zu ihren eigenen Leben feststellen.

Eine der für mich bemerkenswertesten Eigenschaften dieses Albums ist die Art und Weise, wie Ihr mit den verschiedenen Stimmungen spielt. Ihr werdet von einer Sekunde zur anderen laut oder leise, aggressiv oder still und so weiter. Das gibt dem Album diesen emotionalen Touch. Es erinnert mich tatsächlich an einen Wintertag. Man weiss nie, was als nächstes kommt. Es könnte ein Sturm, Schnee, Sonnenschein, ein eiskalter Wind oder ein verregneter Tag daraus werden. Ist das nur ein Eindruck, den ich habe oder wollt Ihr bewusst dieses Feeling mit Eurer Musik ausdrücken?

Paul: Das kommt ziemlich genau hin. Wir arbeiten sehr hart an den Arrangements, sodass diese Atmosphäre permanent erhalten bleibt. Das macht die Musik auch interessant für den Zuhörer. The Knowing ist bestimmt keine Backgroundmusic CD. Du musst wirklich in der Stimmung sein, über das nachzudenken, was Du hörst, um auch jeden Aspekt dieser CD aufnehmen zu können. Ich denke, dass die beste Zeit dazu spät nachts ist, vielleicht bei Kerzenlicht. Du hörst Dir die CD durch die Kopfhörer an und verlierst Dich in der Musik. Sie ist schön, düster und depressiv. Ich bin sehr stolz auf diese CD unddenke, dass dies die beste Arbeit ist, die wir bis dato abgeliefert haben.

Da sind ein paar Songs auf dem Album, Silent Tomorrow zum Beispiel, die zeigen, dass Ihr ein sehr grosses Spektrum an instrumentalen Fähigkeiten habt, die sich bei Weitem nicht auf Death und Doom Metal beschränken, besonders die Gitarristen. Man hört sehr viele Einflüsse heraus, beispielsweise Rock, Blues und sogar Jazz Elemente. Habt Ihr spezielle musikalische Ausbildungen und war es wichtig für Euch, dass die Musik von Novembers Doom die Möglichkeit besitzt, sich durch verschiedene Stile ausdrücken zu können, um damit die einzelnen Stimmungen besser zu beschreiben?

Paul: Jedes Mitglied der Band bringt viele verschiedene Einflüsse mit, und nur wenige davon kommen aus der Death und Doom Metal Szene. Wir möchten alle diese Einflüsse mit hineinnehmen, um damit die Soundvielfalt sowie auch die Zufriedenheit aller beim Songwriting beizubehalten. Bisher hat Eric die meiste Musik geschrieben, und Metal ist so ziemlich sein geringster Einfluss. Wir schreiben emotionale Musik, ohne dabei zu versuchen, in irgendeine Kategorie zu passen. Der Grund, dass wir oft in die Death Ecke gestellt werden, sind wohl meine Vocals, die ich mit in die Musik einbringe. Wenn ich ständig mit cleanen Vocals singen würde ... wer weiss, wo man uns dann reindrücken würde. Mir ist es einfach wichtig, dass unsere Musik emotional bleibt, und was die musikalische Ausbildung betrifft, so ist die beste Ausbildung wohl die Bereitschaft, für alle Stile und Einflüsse offen zu sein.

Leider habe ich die Lyrics zu Eurem neuen Album nicht. Aber in Silent Tomorrow hat es eine Textzeile, die wie folgt lautet: "I want to live my life once more." Steht diese Zeile für das gesamte Album? Ist dies eine Textzeile, die Deine persönlichen Gefühle in Bezug auf das Leben ausdrücken will?

Paul: "I want to live my life once more." sagt dies in der Tat ganz exakt aus. Die Chance zu haben, sein Leben nochmals zu leben, sein Wissen zu behalten, es wiederzubeleben und auszubauen, die gleichen Fehler kein zweites Mal zu machen, um Dein eigenes Leben angenehmer zu gestalten. Wer würde das nicht wollen? Die Gelegenheit, einfach nochmals von vorne anzufangen. Ich würde einige Dinge völlig anders machen, und ich bin sicher, das würden die meisten Leute tun.

Eure Art von Musik ist sehr populär in Europa. Wie ist die Situation in den Staaten? Kriegt Ihr viele positive Reaktionen oder werdet Ihr dort mehr oder weniger ignoriert?

Paul: Die Art von Musik, wie wir sie machen, ist hier nicht so sehr akzeptiert wie in Europa, aber wir bekommen positive Reaktionen, wenn wir irgendwo auftreten. Es gibt eine beachtliche Anzahl Fans, die diesen Stil mögen, und genügend Bands, um damit ein paar grossartige Shows zu machen. Natürlich ist ein Auftritt wie der auf dem Milwaukee Metalfest eine tolle Sache, denn Du kannst dort vor Leuten spielen, die sonst nie zu Deinen Shows kommen würden, und Du hast dabei die Möglichkeit, die Leute mit einem Stil respektive Deiner Band vertraut zu machen. Ob wir mit dieser Musik jemals gross werden? Nun, ich denke nicht, aber wir lieben das, was wir tun, und so lange es Leute auf der Welt gibt, die unsere Musik kaufen und schätzen, sind wir glücklich.

Ist Europa überhaupt ein Thema für Euch, oder seid Ihr aufgrund Eures eigenen, grossen Marktes fast 100%ig auf Euer eigenes Land fokusiert?

Paul: Das war in der Vergangenheit verschieden. Die erste CD lief in in Europa VIEL besser, weil sie über Avantgarde herauskam, und die konzentrieren sich natürlich auf Europa. Die zweite CD lief überall schlecht, da Martyr kein Vertriebsnetz hatte, als die CD herauskam. Die neue Platte über Dark Symphonies wird sicherlich die besten Verkäufe vorweisen können, da bin ich mir sicher. Ted weiss, was er tut, und er wird uns an den richtigen Orten promoten. Wir sind nun in guten Händen. Ich zähle auf einen besseren europäischen Markt und danach erst auf die USA, weil in Europa unser Stil einfach populärer ist.

Im August habt Ihr ja, wie schon besprochen, von der Martyr Music Group zu Dark Symphonies gewechselt. Du sagtest, das wäre ein wichtiger Wechsel für Euch gewesen. Was gab es denn genau für Probleme und was waren die Gründe, das Label zu wechseln?

Paul: Der Wechsel war so wichtig für uns, weil wir schon seit einem Jahr versucht hatten, aus dem Vertrag mit Martyr herauszukommen. Wir waren bei Martyr schon längere Zeit unglücklich gewesen. Der Job einer Band ist es, zu schreiben, aufzunehmen und eine totale Killer CD beim Label abzuliefern. Wir hatten unsere Arbeit gemacht und Of Sculptured Ivy And Stone Flowers aufgenommen. Der Job eines Labels ist es, zu promoten und die CD an so vielen verschiedenen Plätzen wie möglich unterzubringen, damit die Leute diese CD auch kaufen können. Wir hatten das Gefühl, unsere Arbeit wirklich gut gemacht zu haben, ganz im Gegensatz zu Martyr. Martyr war ein "Labelneuling" gewesen, als wir bei ihnen unterschrieben haben, und daher konnten sie uns nicht viele Versprechungen in Bezug auf die Distribution machen. Also haben wir die Gelegenheit genutzt und mit 2 Optionen unterschrieben, wie bei Dark Symphonies. Die anderen 2 werde ich nicht nennen. Unterm Strich soll das heissen ... geht in die Läden und versucht doch einfach mal, Of Sculptured Ivy And Stone Flowers zu finden. Nicht mal die metalspezialisierten Läden haben sie, und keiner kann sie auftreiben. Ted kam auf uns zu, als er erfuhr, wie unglücklich wir waren, und kaufte Martyr Music den Vertrag ab. Er hat uns dorthin gebracht, wo wir auch hingehören. Das wiederum stellt einen Bezug zu einer früheren Antwort her ... "I want to live my life once more".

Ich war 2 Mal in Chicago. Beim 1. Mal war es Sommer, und es war wirklich total heiss. Beim 2. Mal war es Winter, und es war sooooooooo verdammt kalt dort! Meine Güte, was für ein Klima! Aber ich denke auch, dass Chicago eine sehr musikfreundliche Stadt ist, insbesondere für Rock und Blues. Aber es ist EURE Heimatstadt, also erzähl uns etwas über die schönsten Seiten von Chicago. Ich glaube jedenfalls nicht, dass jemand wegen des Wetters dorthin fahren würde.

Paul: Unsere Jahreszeiten sind rauh. Die Sommer können unglaublich heiss werden, wie damals im Jahre 1996, als 100erte aufgrund der Hitze starben, und die Winter können weit unter dem Gefrierpunkt liegen (das ist schön gesagt, -20 Grad kriegt die Stadt alle paar Jahre wieder locker hin - Anm. d. Red.). Wir haben hier beide Extreme. Aber Chicago ist ein schöner Platz um zu leben. Wir haben alles, was Du willst. Tolles Essen, Musik, Sehenswürdigkeiten, Nachtleben und Läden. Unter all den Städten, in denen ich innnerhalb der Staaten war, ist Chicago mein Favorit. Die Meeresseite an einem Sommerabend kann wirklich sehr ereignisreich sein. Wenn Du es eher elegant magst, kannst Du in der Signature Lounge etwas trinken und die Aussicht über die Stadt geniessen. Das ist wirklich atemberaubend. Wir haben 2 Zoos, massenweise Museen, Kunstgallerien, Blues Clubs, Jazz Clubs ... wie ich schon sagte. Wir haben alles.

Was sind Eure nächsten Pläne? Ich hoffe, ein Flugzeug kaufen, nach Europa fliegen und ein paar Gigs zu spielen!

Paul: Ob wir gleich ein Flugzeug kaufen, weiss ich nicht, aber hoffentlich kriegen wir wenigstens einen Flug nach Europa. Im Moment wollen wir eigentlich gar nicht mehr als rauszugehen und vor europäischem Publikum zu spielen. Ich hoffe, dass dies 2001 möglich wird. Wir werden auch schon bald anfangen, neues Material für die nächste CD zu schreiben, weil wir immer ungefähr 1 Jahr brauchen, um voll damit zufrieden zu sein. Aber mit der richtigen Presse und guten Verkäufen sehen wir Euch hoffentlich schon bald in Europa!