Eine symphatische Band braucht einen symphatischen
Frontmann. Stormlord haben Cristiano, und dieser glänzt in seiner Rolle.
Freundlich, gutgelaunt und auskunftsfreudig hängte sich der Vokalist vor einer
längeren Abwesenheit noch schnell mit uns ans Telefon, um über die neusten
Entwicklungen bei Stormlord zu berichten, also über die aktuelle MCD, das
kommende full-lenght Album sowie die weitere Zukunft der Band. Natürlich wurde
auch ein wenig über die Vergangenheit gesprochen, sodass diejenigen unter Euch,
die die Band vielleicht noch nicht kennen, einen kleinen Überblick über deren
Biografie bekommen, denn Stormlord gibt's immerhin schon ganze 10 Jahre lang ...
Zuerst mal herzliche Gratulation. Ihr habt doch das 10jährige Jubiläum mit
Stormlord, oder?
Cristiano: Ja! Vielen Dank!
Ihr habt demnach 1991 angefangen, und zwar als Death Metal Band.
Cristiano: Ja, aber wir waren keine brutale Gore Death Metal Band. Wir hatten
damals schon starke, epische Einflüsse, auch wenn sich die mit den heutigen
nicht mehr vergleichen lassen, da wir uns zwischenzeitlich stark
weiterentwickelt haben. Es waren halt unsere ersten Schritte mit der Band. Wir
sind damals noch sehr jung gewesen.
Ihr habt folgendes über Euer erstes Demo geschrieben: "Es ist ausverkauft,
aber keiner hat etwas verpasst."
Cristiano: Haha. Ja, da hat wirklich niemand etwas verpasst.
Ich glaube es war 1995, als Ihr mit Fabrizio Cariani einen Keyboarder in die
Band geholt habt.
Cristiano: Genau, Ende 1995. Ein Grund dafür war, dass ich begonnen hatte, mit
einer anderen Art von Stimme zu singen, einer, mit der ich ein wenig mehr
gestalten konnte und welche besser zu unserem neuen Sound passte. Einen
Keyboardplayer in die Band zu holen war eine sehr spontane Entscheidung gewesen,
denn zu dieser Zeit hatten wir unsere epischen und majestätischen Elemente
bereits stark weiterentwickelt.
Ich glaube 1995 war auch ein sehr schwieriges Jahr. Du standest wohl kurz
davor, die Band aufzulösen.
Cristiano: Es war wohl das schlimmste Jahr für Stormlord überhaupt. Damals stand
es um die italienische Metalszene sehr schlecht. Kein Mensch hat sich für unsere
Bands interessiert. Als italienische Band nur schon eine CD zu veröffentlichen
war zu diesem Zeitpunkt eine grosse Sache. Es war stressig, immer wieder und
wieder weiterzumachen anstatt einfach aufzugeben. Ausserdem kostete es eine
Menge, die Band am Leben zu erhalten, alleine schon wegen der Proberaummiete.
Von den Gigs blieb ebenso nichts übrig, da wir mit diesem Geld immer nur unsere
Reisekosten decken konnten. Auch nach dem zweiten Demo hatten wir noch kein
gutes Angebot von einer Plattenfirma bekommen, sodass alle ziemlich
demoralisiert waren. Zu dieser Zeit änderte sich das Line-Up sehr stark. Wir
hatten keine Zukunftsperspektiven. Irgendwann verliessen die meisten Jungs die
Band, und ich stand plötzlich mit einem Drummer, der drei Monate dabei war und
einem Keyboarder, der gerade mal vor einem Monat zu uns gestossen war, alleine
da. Ich hatte aber niemals die Absicht, die Band aufzulösen. Ich beschloss,
weiter dafür zu kämpfen, denn ich wollte nicht einfach die ganzen Jahre
wegschmeissen. Mir wurde klar, dass ich Stormlord alleine vorantreiben musste,
denn die Leute um mich herum glaubten nicht an die Band. Also komponierte ich
alle Songs alleine und suchte mir Musiker, die genau das machten, was ich ihnen
sagte. Sie waren zwar allesamt Bandmitglieder aber zur gleichen Zeit dennoch nur
Gäste, sodass ich die Funktion eines Diktators einnahm, aber nicht, weil ich das
so wollte. Es schien mir einfach nur der einzige Weg zu sein, die Band
weiterführen zu können. Irgendwann bekamen wir dann einen Deal mit Metal Horse
Productions, sodass wir unsere Debut MCD herausbringen konnten. Danach ging es
aufwärts, denn die anderen Bandmitglieder begannen langsam an Stormlord zu
glauben. Heute sind wir eine Gruppe mit fünf denkenden Köpfen. Es gibt keinen
Diktator mehr.
Dann ist daraus also echtes Teamwork geworden, auch bezüglich des
Songwritings?
Cristiano: Ja, absolut! Ich bin nicht mehr der Hauptsongwriter bei Stormlord.
Alle komponieren mit. Die Verteilung des Songwritings hängt eigentlich mehr von
den aktuellen Gegebenheiten ab. Wenn jemand sich mal ein Jahr lang kaum
inspiriert fühlt, so ist das bei Stormlord überhaupt kein Problem, denn ein
anderer hat gleichzeitig sehr viele neue Ideen. Ausserdem haben wir alle unsere
festen Tätigkeiten in der Band. Simone, unser Keyboardplayer, kann
beispielsweise grossartig Songs arrangieren.
Du hast von Simone gesprochen, der Fabrizio vor ungefähr zwei Jahren ersetzt
hat. Ich denke, dass er die Melodien ganz im Sinne von Stormlord schreibt. Sie
ähneln Fabrizio's Melodien sehr.
Cristiano: Simone ist technisch versierter als Fabrizio, obwohl Fabrizio immer
noch ein guter Freund von uns ist. Hätte er nicht Probleme mit seinem Studium
bekommen, wäre er sicherlich noch mit dabei. Simone ist eigentlich ein
Pianospieler und hat viele Jahre lang Musik studiert. Er bringt viel neues
Wissen in die Band ein. Er ist nicht nur ein Keyboardspieler. Er ist auch ein
richtiger Songwriter.
Als ich die beiden neuen Songs auf der EP gehört habe, dachte ich: "Ja, das
ist genau das, wofür die Stormlord Fans diese Band lieben." Aber was können wir
nun denn wirklich von dem neuen full-lenght Album erwarten? Wird es grossartige
Veränderungen geben? Wird es ein zweites Supreme Art Of War werden?
Cristiano: Ja, es wird ähnlich und gleichzeitig auch verschieden werden. Ähnlich
ist vielleicht das falsche Wort. Das neue Album wird eine Weiterentwicklung von
Supreme Art Of War sein. Wir versuchen, alle bisherigen Erfahrungen und
Einflüsse zusammenzutragen, um das Beste daraus herauszuholen. Es gibt
allerdings schon ein paar Unterschiede zum Vorgängeralbum. Wir werden
beispielsweise keine weiblichen Vocals, Flöten, Violinen oder ähnliches mehr
verwenden. Die klassischen Instrumente werden thrashigen und schnellen,
aggressiveren Gitarrenparts weichen. Gleichzeitig werden wir aber unsere
epischen und majestätischen Elemente in Form des Keyboards beibehalten.
Dann stellt sich natürlich die Frage, wann wir es hören können.
Cristiano: In Europa kommt es anfangs November raus, in Japan anfangs Oktober.
Ihr hattet ja diese männlichen Opernstimmen auf der alten Platte. Wurden die
von Dir selbst eingesungen?
Cristiano: Nein, das war A.G. Volgar von einer Band namens Deviate Damaen. Er
singt auch auf dem neuen Album. Ich denke, Volgar wird Stormlord niemals mehr
verlassen dürfen, haha. Seine Stimme ist so aussergewöhnlich! Nicht wie eine
normale Powermetalstimme oder wie die meine. Du sagtest es ja schon, eine Art
von opernhafter Stimme. Wir mögen ihn total, und wenn er weiterhin als Gast bei
Stormlord mitmacht, ist das absolut ok für uns, haha.
Es gibt auch einen kleinen Imagewechsel bei Euch. Auf den neuen Photos tragt
Ihr kein Facepaint mehr.
Cristiano: Als wir anfingen, benutzten wir ja noch kein Facepainting, denn da
waren wir noch eine Death Metal Band. Es gab einen Zeitraum, in welchem wir
Facepaint benutzten, denn Black Metal ist einer unserer stärksten Einflüsse, das
wollen wir nicht leugnen. Aber wir sind nun mal keine Black Metal Band. Diese
Sache war eigentlich mehr ein Tribute an unsere Einflüsse, an Bands wie
Setherial, Marduk oder Darkthrone, die wir sehr mögen. Natürlich verursachte das
ein wenig Verwirrung. Leute, die uns nicht kannten und unsere Booklets oder
Photos betrachteten, dachten, aha, auf dieser Platte finde ich harten, schnellen
und räudigen Black Metal. Dennoch ist unsere Musik natürlich ist eine andere.
Ihr habt jetzt zwei Jahre gebraucht, um eine MCD zu veröffentlichen. Auch
eine Labelwechsel gab es zu vermelden. Eine MCD ist wenig für zwei Jahre. War
diese Zeit die zweite, schwere Phase für die Band Stormlord?
Cristiano: Ja. Nach der Tour zu Supreme Art Of War fingen unsere Probleme mit
Last Episode an, und ich rede hier nicht nur über die wirtschaftlichen Seite.
Wir fühlten uns alleine gelassen. Wir schrieben ihnen beispielsweise manchmal
von gewissen Ideen, die wir hatten, nur um mal zu hören, was sie darüber denken.
Meistens haben sie nicht mal zurückgeschrieben. Aber das ging nicht nur uns so.
Wir haben natürlich auch mit anderen Bands von Last Episode geredet. Es hat etwa
sechs Monate gedauert, um von Last Episode wegzukommen, weil sie uns nicht gehen
lassen wollten und wir verschiedene andere Angebote bekamen, die wir prüfen
mussten. Während dieser Zeitspanne war es uns unmöglich, Musik zu schreiben.
Du hast über die Tour gesprochen. Ich glaube, es war diejenige mit Mystic
Circle, Graveworm und Suidakra. Ich habe Euch damals in der Konzertfabrik Z7
gesehen ...
Cristiano: Uuuuuuuuuuuuh noooooooooooo! (dieses Entsetzen hättet Ihr hören
sollen - Verf.)
... nein, jetzt mal im Ernst. Es war ziemlich lustig. Die Crew hat total
verrückt gespielt, ist ständig auf der Bühne herumgerannt, hat ein paar Musiker
in Klopapier eingewickelt und allerlei Blödsinn veranstaltet. Eigentlich hatte
jeder seinen Spass, ausser Du. Deine Mine war ziemlich versteinert. Ich dachte
mir damals: "Was denkt dieser Mensch jetzt wohl gerade?" Nun habe ich die
Möglichkeit, Dich direkt zu fragen. Was ging Dir damals durch den Kopf?
Cristiano: Ich fand die ganze Sache damals nicht so lustig. Wir waren die
einzigen Italiener auf der ganzen Tour. Sogar die Roadies kamen aus Deutschland.
Die haben andauernd Scherze über uns gemacht, und das war auch ok, sogar wir
fanden das witzig. Aber irgendwann fühlten wir uns nicht mehr sehr willkommen in
dieser Umgebung. Wir hatten nicht wirklich Probleme mit der Crew oder den
anderen Bands, aber so richtig wohlgefühlt haben wir uns auf die Dauer auch
nicht mehr, da wir uns ein wenig ausgeschlossen vorkamen. Damals habe ich nur an
eines gedacht, nämlich die Show so gut es geht über die Bühne bringen zu können.
Spässe sind absolut in Ordnung, aber nicht, wenn sie soweit führen, dass Du
nicht mehr spielen kannst. Unser Bassist war gar nicht mehr in der Lage, seinen
Job zu machen, und wenn ich mich umdrehte, musste ich nachschauen, ob nicht grad
einer da war, der mein Mikro klauen wollte.
Du denkst also, es war zuviel des Guten.
Cristiano: Ja. Die Spässe bei Suidakra waren in Ordnung, die waren wirklich
witzig. Wie Du Dich vielleicht erinnerst, hat sich bei Mystic Circle das keiner
getraut. Als Mystic Circle nämlich sahen, was die Crew mit uns anstellte, sagten
sie: "Versucht das bei uns und wir hören sofort auf zu spielen."
Aus dieser Sicht gesehen war das wohl wirklich nicht sehr lustig für Euch,
aber ich kann Dir versichern, dass die meisten Leute Stormlord sehr gemocht
haben und Graveworm eine ganze Weile brauchten, bis sie eine ähnliche Stimmung
erzeugen konnten. Es war nicht leicht, nach Eurer "Show" aufzutreten. Aber nun
noch eine andere Sache. Interessanterweise versetzt mich die Stormlord Musik
stets in eine euphorische und gute Stimmung, nicht in eine aggressive oder gar
düstere. Findest Du es seltsam, dass ich Eure Musik als positiv empfinde?
Cristiano: Nein. Ich würde zwar nicht sagen, dass unsere Lyrics positiv
sind, aber unsere Vibrations sind es sicherlich, natürlich in einer aggressiven
Ausdrucksform verpackt.
Denk mal an die letzten 10 Jahre von Stormlord zurück. Gibt es da etwas, was
Du total anders machen würdest, wenn Du noch mal die Zeit zurückdrehen könntest?
Cristiano: Wahrscheinlich das erste Demo, haha. Aber eigentlich gibt es nichts,
was ich total anders machen würde. Selbst aus den Fehlern lernt man, und man
wird die gleichen in der Zukunft nicht mehr machen. Wir haben heute Kontakte zu
Labels, Vertrieben und Promotern, die wir wohl nicht hätten, wenn wir damals
unsere Fehler eben nicht gemacht hätten.
Nun, dann hoffe ich, Euch bald mal wieder in der Schweiz zu sehen.
Cristiano: Das hoffen wir auch. Schon alleine deswegen, um die Möglichkeit zu
bekommen, mal ein normales Konzert bei Euch zu spielen. Es war unser einziger
Gig in der Schweiz, und wir wollen eigentlich nicht dieses absurde Bild von uns
in Euren Erinnerungen belassen.
Stormlord - von der Diktatur zum Gruppenerlebnis
- Details
- Geschrieben von Skoddete
- Kategorie: Interview
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Eine symphatische Band braucht einen symphatischen Frontmann. Stormlord haben Cristiano, und dieser glänzt in seiner Rolle. Freundlich, gutgelaunt und auskunftsfreudig hängte sich der Vokalist...