Nach dem Debut Carpe Noctem schicken Penetralia nun das
zweite Album ins Rennen, Seelenkrank. Etwas zu früh als 'ein bissel Black Metal
mit starken Anleihen an Cradle Of Filth' von der schreibenden Zunft fast schon
abgetan, beweisen die Deutschen nun, dass sie durchaus in der Lage sind,
eigenständige Musik zu machen, die nicht so einfach einzuordnen ist. Das
Ausbrechen aus dem alten Black Metal Klischee war Penetralia offensichtlich sehr
wichtig, und so ist es verständlich, dass Felix während des Interviews bezüglich
des neuen Materials gar nicht so gerne irgendwelche Vergleiche zuliess.
Seelenkrank zeigt, und das spiegelt die Einstellung der Musiker zum eigenen
Schaffen sehr gut wieder, dass man auch extreme Musik machen kann, ohne dabei
jegliche Art von Spass aussen vor zu lassen. So kam Felix natürlich nicht darum
herum, etwas über den Dead Girls Boogie sowie die 'uh baby schnitzel gut'
Toneinlage zu erzählen, welche als kleine Add-ons dem Album hinzugefügt wurden.
Und so entwickelte sich das Interview zu einem äusserst amüsanten und
informativen Gespräch. Bleibt zu hoffen, dass es Euch auch gefällt.
Erzähl doch mal was über Penetralia.
Felix: Ja ok. 1994 wurde die Formation gegründet, und 1995 waren wir dann in der
Besetzung komplett. (die Namen der einzelnen Bandmitglieder fielen leider einem
Tonproblem mit dem Aufnahmegerät zum Opfer, wir entschuldigen uns an dieser
Stelle dafür - Anm. d. Red.). Zu fünft haben wir dann jeweils eine Demo Kassette
und eine Demo CD aufgenommen, damals auch noch mit female Vocals von Bianca.
Danach spielten wir ein paar Konzerte und ehlaaalaaasooo (wird soviel heissen
wie etc., hörte sich bei Felix absolut kultig an hehe - Anm. d. Red.) ... wie
das halt so ist im Metalbereich in unserer Gegend. Da ist nicht allzuviel los.
Irgendwann trafen wir auf Felix von Crematory, der unser 1. und 2. Demo über
drei Ecken immer wieder mal an die Plattenfirma Last Episode weitergab, worauf
diese uns dann unter Vertrag nahmen. Carpe Noctem, unser erstes Album, ist
letztes Jahr erschienen. Seelenkrank ist unser zweites Album und kommt jetzt
ganz neu heraus.
Eure Vocals habt Ihr in Schreie und Growls aufgeteilt. Wie ist das, war keine
Frau mehr für das 'Beauty and the beast'-Konzept aufzutreiben?
Felix: Wir haben uns ein wenig von diesem female Vocals Ding abgewendet. Als
Addition wirken die ja eigentlich gar nicht schlecht, und Bianca wäre sicher
auch bereit gewesen, wieder mitzusingen. Aber da es nicht so richtig zur Platte
gepasst hätte, entschieden wir uns, dieses Mal keine female Vocals einzubauen.
Es ist nicht so, dass wir nun für immer dieses Thema abgeschrieben hätten. Aber
dadurch, dass sich die musikalische Entwicklung von Penetralia sehr frei bewegt,
ist nicht klar, ob wir überhaupt jemals wieder auf weibliche Vocals
zurückgreifen werden. Es könnte aber auch so sein, dass wir das nächste Mal
gleich einen ganzen Frauenchor mit dazunehmen.
Wie kommt Ihr eigentlich zu diesem seltsamen Namen ... Penetralia?
Felix: Am Anfang hiess die Band Morastum und spielte Black Metal. Penetralia
hatte ja zu Anfang auch noch diesen Touch. Der Name Penetralia definiert sich
für uns eigentlich nicht im sexuellen Sinne, obwohl man das natürlich so
interpretieren kann. Für uns bedeutet es eher ein geistiges Eindringen. Also
wenn sich jemand mit den Gedanken, die wir in musikalischer Form anbieten,
genauer beschäftigt, sich selbst seine eigenen Ueberlegungen dazu macht und
danach auch etwas davon bei ihm hängen bleibt, dann wäre das so, wie wir
Penetralia verstehen. Unsere Musik und die Texte haben schon einen gewissen
Sinn. Das ist nicht nur ehlaaalaaalaa (Kult! - Anm. d. Red.).
Auf Eurem ersten Album, Carpe Noctem, hat man Euch oft mit Cradle Of Filth
verglichen.
Felix: Jajajajajajaa ....
Haha ... man zieht ja die Vergleiche nicht aus Bösartigkeit. Es ist mehr für die
Leute, die Eure Musik nicht kennen, damit sie sich ein wenig orientieren können.
Die ersten beiden Stücke erinnern mich ein wenig an die frühen Crematory Tage zu
den Transmigration Zeiten. Würdest Du auch sagen, dass Ihr wieder ein wenig mehr
Gothic Metal in Eure Musik eingebracht habt?
Felix: Gothic Metal .... ja ... also .... na ja .... (er will einfach nicht so
recht, hehe - Anm. d. Red.). Früher haben wir uns sehr stark beeinflussen
lassen. Inzwischen ist es eigentlich nur noch eine Inspiration. Wir machen
einfach nur noch die Musik, die uns sehr gut gefällt, und ... ehm ja, Gothic ist
schon immer ein bisschen dabei gewesen. Aber Seelenkrank kommt mit seinen
Elektroeinflüssen schon sehr weit von der Standardschiene weg.
Momentan kommen unglaublich viele Metalplatten heraus. Wenn Du Euch jetzt
selbst vermarkten müssest, wie würdest Du dann die Leute davon überzeugen, dass
sie das Seelenkrank Album unbedingt kaufen sollten?
Felix: Wenn ich sie überzeugen müsste, würde ich sagen: "Hey Leute, wenn Ihr auf
ehrliche Musik steht, die völlig unabhängig von irgendwelchen kommerziellen
Gedanken oder sonstigen Beschränkungen gemacht wird, so wie wir das tun wollen,
dann ist Seelenkrank eine gute Adresse. Wir spielen die Musik, die wir gut
finden und lassen uns von niemandem etwas reinreden. Und wenn wir bei der
nächsten Platte Volksmusik machen wollen, dann machen wir Volksmusik!"
Haha ... ok. Reden wir mal über die Platte selbst. Die Musik hat durch Eure
eigene Art der elektronischen Einspielungen einen, sagen wir mal, sympathischen
B-Movie Touch bekommen, was auch durch textliche Einsätze wie beispielsweise
'der Doktor ist bereit für die Operation' unterstrichen wird. Das musikalische
Bild erinnert an dunkle, modrige Keller, Neonröhren und all diese Dinge. Oder
wie siehst Du das?
Felix: Die Platte an sich ist vom 1. bis zum 8. Stück ein geschlossenes Werk.
Man merkt das auch daran, dass das Intro und der Song Seelenkrank gleich
anfangen. Das Intro spannt also zu Seelenkrank einen Bogen. Das Album soll eine
ziemlich sterile und kranke Atmosphäre ausstrahlen. Die elektronischen Effekte
im B-Movie Stil, um bei dieser Bezeichnung zu bleiben, haben wir nicht gezielt
ausgewählt, um dem ganzen Material einen solchen Anstrich zu verpassen. Sie
eigneten sich einfach von der Stimmung her sehr gut, um Düsterkeit und Kälte,
wie eben beispielsweise Neonröhren, unangenehme Gefühle, gekachelte Räume und
all sowas in der Art, musikalisch auszudrücken.
Wenn Du geschlossenes Werk sagst, bezieht sich das auch auf die Texte? Gibt
es eine Storyline hinter Seelenkrank?
Felix: Eigentlich hat jeder Song seine eigene Message. Aber ein Beispiel. Wir
haben ja unsere Pseudonyme geändert, auch aufgrund der Black Metal Geschichte,
die durch das neue Album ziemlich abgelegt wurde. So hat sich beispielsweise
unser Gitarrist Daniel Droste in Dr. Oste umbenannt, ein kleines Wortspiel also.
Dr. Oste ist ein verrückter Chirurg, der mit Vorliebe das eine Auge seines
Patienten herausschneidet, um sich dann am Schrecken des Opfers zu weiden, wenn
dieses mit seinem verbleibenden Auge sein anderes zu sehen bekommt. Es sind
lauter so kleine Spielereien auf dem Album, und wir versuchen, diese kranken und
verrückten Charaktere musikalisch umzusetzen. Schade, dass Du die Texte nicht
hast.
Und das Problem ist eben, dass Ihr so undeutlich growlt, da versteht man ja
nichts.
Felix: Haha. Ja, das ist immer das Problem bei dieser Art von Musik.
Das Lied Tumortod wurde beeinflusst von dem Buch 'die Rättin', einem Werk von
Günther Grass. Habt Ihr etwas übrig für schwere, deutsche Literatur?
Felix: Teilweise, der eine schon, der andere weniger. Ja gut, ich mein, was
heisst 'schwere Literatur'. Das liegt dann im Auge des Betrachters, was jetzt
schwere Lektüre ist und was nicht.
Das Buch handelt vom Weltuntergang aus der Sicht einer Ratte, oder?
Felix: Ich persönlich hab's nicht gelesen, muss ich sagen. Hektor hat den Text
geschrieben. Es passt von der Grundstimmung her halt gut zur Musik, denke ich
mal. Ausserdem verleiht einem die Verarbeitung eines solchen Textes auch einen
gewissen intellektuellen Touch, ob der nun jetzt da ist oder nicht haha.
Der letzte Titel auf der Platte, der Dead Girls Boogie, ist schon eine
witzige Sache. Ich hab ja im Review geschrieben, dass die Eltern der Kids, die
Black Metal oder etwas in der Richtung hören, sich mittlerweile auch schon an
die geschminkten Gesichter und die umgedrehten Kreuze im Zimmer gewöhnt haben.
Wenn sie allerdings mitbekommen, was Ihr aus der beliebten Tanzmusik der älteren
Generation gemacht habt, dann wären sie wohl wirklich schockiert.
Felix: Haha. Ja also der Dead Girls Boogie hiess früher anders. Das ist einer
der ersten Songs, den wir geschrieben haben. Es war halt mehr eine Blödelei, und
dazu kam noch, dass einige von uns früher in Punkbands gespielt haben. So ist
der Titel dann entstanden. Dead Girls Boogie soll eigentlich eine kleine
Persiflage sein, nicht nur an die manchmal etwas überernste Black Metal Szene
sondern auch an uns selbst, da wir früher auch immer gedacht haben, wir müssten
ständig deprimierende und bösartige Texte und Songs schreiben. Dead Girls Boogie
soll daran erinnern, dass es auch Spass machen soll, Musik zu machen. Dieser
Song soll dem Rest des Materials keinesfalls die Schärfe nehmen. Er wurde
absichtlich so gehalten und wirkt daher auch etwas überzogen.
... und was ist das am Schluss, das Geklatsche mit dem "uh baby schnitzel
gut" Text?
auf beiden Seiten der Leitung lautes Lachen
Felix: Ja also das war eine spontane Aktion im Studio, eine Sequenz, die wir auf
Videokamera aufgenommen hatten. Wir waren ziemlich betrunken. Am Schluss der
Recordings sagten wir uns: "Irgendwas fehlt noch." Ich weiss ja nicht, was sich
die Leute so vorstellen, wenn sie sich überlegen, wie sich eine Metal Band im
Studio verhält. Letztendlich ist die Hälfte unserer Studiozeit so abgelaufen,
mit viel Spass, Bier und allerlei Scheissdreck. Da haben wir auf Dead Girls
Boogie mit dieser Tonsequenz halt noch einen draufgesetzt.
Geht Ihr demnächst auf Tour?
Felix: Wir werden auf dem Gothic Wave Treffen in Leipzig spielen, das ist an
Pfingsten. Es ist auch eine Tour geplant, wobei ich Dir noch keine genauen Daten
bekanntgeben kann. Es wird wohl irgendwann im Herbst 2000 sein.
Penetralia - vont tanzwütigen Ratten und verrückten Chirurgen
- Details
- Geschrieben von Skoddete
- Kategorie: Interview
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Nach dem Debut Carpe Noctem schicken Penetralia nun das zweite Album ins Rennen, Seelenkrank. Etwas zu früh als 'ein bissel Black Metal mit starken Anleihen an Cradle Of Filth' von der schreibenden Zunft fast schon abgetan...