Das erste Album der deutschen Black Metal Sinfonisten (es
lebe die Begriffsvielfalt - Anm. d. Red.) Obsidian Gate ist nicht unbedingt ein
Werk, dass man sich so nebenbei beim Lesen oder Spülen (ich weiss, Du wolltest
was anderes schreiben - Anm. d. Red.) anhören kann. Dafür ist es viel zu komplex
und wuchtig. Neben einer gestandenen Ladung Black Metal bekommt der Hörer bei
The Nightspectral Voyage zugleich eine dermassen gewaltige und orchestralische
Bombastkulisse um die Ohren geknallt, dass jegliche Zweitbeschäftigung zur
Nebensache verkommt. Sicher, die extrem keyboardlastige Musik ist nicht
jedermanns Sache. Wem das Album von Obsidian Gate jedoch gefällt, der dürfte an
diesem Interview seine Freude haben, denn die Befragten hatten einiges zu
erzählen. Eine vielversprechende Band, wie es scheint. Wer also The
Nightspectral Voyage noch nicht kennt, der sollte das schleunigst nachholen.
Bevor wir aber noch die halbe Seite mit Einführungstext vollsauen, brechen wir
an dieser Stelle ab und lassen die Band selbst sprechen. Obsidian Gate über
Corpsepaint, dominante Keyboards, das Problem, das ganze Material live
umzusetzen und die Notwendigkeit, hinter dem zu stehen, was man sagt und was man
tut.
Woher kommt der Name Obsidian Gate und was bedeutet er genau?
Obsidian Gate: Der Name Obsidian Gate heisst für uns soviel wie 'Das schwarze
Tor'. Obsidian ist schwarzes Lavagestein und besitzt eine geheimnisvolle und
magische Aura. Obsidian Gate ist unser Tor zu den Dimensionen der Finsternis,
erschaffen durch unsere Kunst.
Gebt doch bitte mal eine kurze Bandbio. Wie und wo hat alles angefangen?
Obsidian Gate: Marco und ich begannen 1994 damit, Musik zu erschaffen. Wir
kannten uns bereits seit sehr vielen Jahren und wussten uns von vornherein zu
ergänzen. Die Musik war von Anfang an Black Metal, denn wir waren von dieser
einzigartigen Kunst schon seit Darkthrone's A Blaze... besessen. Anfangs klangen
wir noch sehr roh, doch diverse melodische Elemente waren damals auch schon
vorhanden. Wir nahmen nur für uns selbst einige Rehearsals auf. Als Daniela
später zu uns stiess, begannen wir, die Sache ernster anzugehen und nahmen zwei
Demotapes auf, von denen das Letztere schliesslich zu unserem Deal mit Skaldic
Art führte.
Es fällt auf, dass Ihr für Eure Künstlernamen nicht wie viele Eurer Kollegen
Herr der Ringe oder andere Schriften geplündert habt, sondern mit Euren
bürgerlichen Namen im Booklet verewigt seid. Facepaint scheint Ihr aber zu
benutzen. Wieso also das eine aber nicht das andere?
Obsidian Gate: Warum sollten wir nicht zu unseren bürgerlichen Namen stehen? Wir
brauchen uns nicht in einen Mantel von Anonymität zu hüllen, denn wir stehen zu
allem, was wir tun, sowohl musikalisch als auch persönlich. Mag sein, dass ein
Pseudonym geheimnisvoller erscheint. Aber seien wir mal ehrlich, das Repertoire
aus guten Namen ist ohnehin ausgeschöpft, und die meisten Eigenkreationen
klingen eher lächerlich als mysteriös. Facepaint ist für uns eine sehr
spirituelle und auch wichtige Sache. Wenn wir in der richtigen Stimmung sind,
kehrt das Corpsepaint unsere verborgene, finstere Seite nach aussen wie eine
Metamorphose. Allerdings benutzen wir Paint nicht ständig, wie ihr seht. Es
kommt halt immer auf die Stimmung an.
Die Keyboards auf The Nightspectral Voyage sind extrem dominant. Allerdings
weichen sie die Musik nicht auf, wie es bei anderen Bands vorkommt, sondern
wirken fremd, bedrohlich und bösartig. Auch die Paukenschläge, so nenn ich das
einfach mal, tun Ihren Teil dazu. Eine Kombination, die ich vor Obsidian Gate so
nicht kannte, und die Euch sicherlich auch einen gewissen eigenständigen
Anstrich verleiht. Hattet Ihr von Anfang an geplant, den Keyboards eine derartig
tragende Rolle zukommen zu lassen?
Obsidian Gate: Ja, wir planten von Anfang an, dieses Album extrem keyboardlastig
zu gestalten, aber ohne seichtes Gedudel darin. Wir wollten ein Album schaffen,
das an orchestraler Präsenz kaum zu überbieten ist, wie ein Soundtrack zu einem
finsteren Film über die dem Menschen fremden und ihm Furcht einflössenden
Dimensionen des Todes und der dunklen Ewigkeit, schnell, bedrückend und voller
wechselnder Stimmungen. Wir alle in der Band hören auch viel Klassik und
orchestrale Soundtracks, und somit war es für uns logisch, diese Einflüsse mit
der Urgewalt des Black Metals zu verbinden, und zwar zu gleichen Teilen, 50:50!
Als The Nightspectral Voyage zum ersten Mal durch meine heimische
Stereoanlage rauschte, hatte ich das Gefühl, es müsse jeden Moment eine Armada
von ausserirdischen Bösewichten durch mein Wohnzimmer marschieren. Im Booklet
steht zu Eurem Intro As The Void Opens folgender Begleittext: This is the
opening of the Obsidian Gate into a realm far away from a planet left burning
and dying. This is the place where my soul leaves it's mortal shell of flesh ...
for a nightspectral voyage into an eternity of darkness. Eure Texte sind ja
nicht so einfach zu interpretieren, weil sie viel mit Symbolik und
astronomischen Begriffen arbeiten. Sagt doch mal was über die Geschichte zu The
Nightspectral Voyage. Wovon handeln die einzelnen Songs?
Obsidian Gate: Nun, die Lyrics von The Nightspectral Voyage sind alle
absichtlich recht abstrakt gehalten, um die Leute zum Denken anzuregen und im
Einklang mit der Musik eigene, von ewiger Schwärze erfüllte Welten aufzubauen.
Und als lebendige Wesen kennen wir nur den Kosmos als ewige Finsternis. Alles
Licht darin ist verderblich. Wie jeder Mensch hat auch jeder Stern und jede
Galaxie nur eine bestimmte Zeit der Existenz. Und wenn der Zeitpunkt des Todes
gekommen ist, verlässt die Seele den Körper, um eins mit der Finsternis zu
werden. Darum geht es in When Death Unchains The Spectre. The Obsidian Eternity
And Anguish beschreibt den Alptraum als Dämon, der sich im Menschen einnistet
und sich des Nachts von seiner Seele ernährt. From The Infinite Forge Of Time
handelt von der Erschaffung einer neuen, dunklen Welt durch die Mächte der
Hölle. In The Bethorian Shrine geht es um ein menschliches Wesen, welches den
planetarischen Dämon des Jupiter, Bethor, beschwört, zum Preis der menschlichen
Seele, welche dann für alle Ewigkeiten in einem Schrein gefangen gehalten wird.
Der Song beschreibt das Leiden der gefangenen Seele. Invoke The
Dragon-Constellation ist die Vernichtung aller Existenz durch die Urgewalt des
Drachen.
Woher nehmt Ihr denn die Inspiration für diese Art von Musik?
Obsidian Gate: Wir werden von vielen Dingen inspiriert. Bücher, Filme, Gedanken,
Träume, negative Emotionen... Alles, was uns dazu verleitet, kreative Energie
freizusetzen, um unsere Musik zu komponieren.
Eure Arbeitsaufteilung ist ja auch interessant. So sind beispielsweise gleich
zwei Leute, Daniela und Marco, für die Keyboards und die anderen orchestralen
Effekte zuständig, während die Gitarren, die Drumcomputer Programmierung und die
Lyrics von Marcus stammen. Wie entsteht bei Euch ein Song? Sind zuerst die
Keyboardmelodien da oder läuft es umgekehrt?
Obsidian Gate: Nun, zuerst entstehen orchestrale Grundgerüste, komplett
sinfonisch gehaltene Strukturen, die Marco und Daniela auf den Keyboards
komponieren. Ich habe auch Ideen dafür, die ich ihnen beschreibe und die sie
dann umsetzen, allerdings auf ihre eigene Art und Weise. Das Ergebnis haut mich
dann jedesmal aus den Stiefeln. Auf diese Orchestration arrangiere ich dann die
Drum Parts. Danach werden dann die Gitarren komponiert. Inzwischen übernimmt
Marco auch wieder die zweite Gitarre. In Zukunft werden die Gitarren so
wesentlich komplexer und dominanter ausfallen. Bei den Lyrics ist es
unterschiedlich. Mal steht ein Text schon lange vor Beendigung des Stücks, mal
wird er auf den Song geschrieben.
Gibt's denn keinen Bass oder läuft der auch über Programmierung?
Obsidian Gate: Der Bass ist als Kontrabass vorhanden. Das gibt der orchestralen
Seite den nötigen Druck. Ich überlege aber, auf den nächsten Veröffentlichungen
eine Bassgitarre einzuspielen, wer weiss?
Auf dem CD Cover ist ein Mann zu sehen, der eine brennende Kerze in den
Händen hält. Um ihn herum der ewige Kosmos, gleich neben ihm ein grosser,
glühender Krater. Woher stammt das Bild und wie deutet Ihr es selbst?
Obsidian Gate: Das Artwork wurde von Viktor Witkowski angefertigt, speziell
für unser Album. Wir haben ihm unsere Musik beschrieben und unsere Ideen für das
Cover, ein Abbild der Ewigkeit und des Todes, mitgeteilt. Ohne das Album vorher
gehört zu haben, malte er dieses Gemälde, und wir finden es wirklich
ausgezeichnet und absolut passend zur Musik auf The Nightspectral Voyage. Wir
sehen darin die Ewigkeit, die den Menschen im Angesicht des Todes so winzig und
verloren erscheinen lässt... Aber die eigentliche Intention des Bildes weiss
allerdings nur der Künstler selbst.
Ich nehme an, Ihr wollt wahrscheinlich nicht, dass man Eure Musik als
melodischen oder bombastischen Black Metal bezeichnet. Irgendwie will seit Bands
wie Dimmu Borgir niemand mehr mit dieser Beschreibung in Verbindung gebracht
werden. Wie bezeichnet Ihr denn Eure Musik selbst?
Obsidian Gate: Ich finde, bombastisch ist schon ein recht gutes Attribut für
unser Album, aber nur aufgrund eines solchen kann man uns nicht mit den
Sell-out-Bands wie Dimmu Borgir oder so vergleichen, denn ich ich denke, was
diese Bands bei vielen Leuten so verhasst gemacht hat, ist die Tatsache, dass
die Bands ihr Seelenblut verloren haben, auf Kohle komm raus mainstreamfähig
gemacht wurden, letztendlich ihre Kompromisslosigkeit verloren haben und ihre
Alben auf das Bedürfnis der Masse zugeschnitten haben. Da wir aber nicht mal
ansatzweise vorhaben, diesen Weg einzuschlagen, und einfach unser Ding
durchziehen, haben wir keine Probleme damit, so bezeichnet zu werden. Fragt man
uns aber, sagen wir einfach, dass wir drakonische, orchestrale Black Metal-Kunst
spielen. Ganz einfach.
Eure Plattenfirma, Skaldic Art, vergleicht Euch mit Bands wie Bal Sagoth und
Limbonic Art, was man durchaus so stehen lassen kann. Welche Art von Musik
bevorzugt Ihr sonst noch so?
Obsidian Gate: Wie schon gesagt, mögen wir auch viel Klassik. Im Metal natürlich
Black Metal, wobei Marco aber auch epischen Power Metal wie Rhapsody hört. Meine
persönlichen Faves sind u.a. Setherial, Darkthrone, Emperor, Obtained
Enslavement, In Battle, Limbonic Art, Astaroth, Immortal, und Enthroned.
Habt Ihr bereits irgendwelche Tourdaten in Aussicht? Wie sieht die nähere
Zukunft von Obsidian Gate aus?
Obsidian Gate: Mit Gigs haben wir noch so unsere Probleme, das Ganze auf die
Bühne umzusetzen, da wir ja nur drei Leute sind. Irgendwann werden wir aber
auftreten können, und das werden wir dann auch tun! Momentan arbeiten wir an
neuem Material, welches verglichen zu The Nightspectral Voyage intensiver,
schneller und technischer werden wird. Die orchestrale Seite wird natürlich
wieder grossgeschrieben, und textlich wird es in eine völlig andere Richtung
gehen, nämlich wesentlich traditionell-satanischer.
Obsidian Gate - mit Vollgas durch den Kosmos
- Details
- Geschrieben von Skoddete
- Kategorie: Interview
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Das erste Album der deutschen Black Metal Sinfonisten Obsidian Gate ist nicht unbedingt ein Werk, dass man sich so nebenbei beim Lesen oder Spülen anhören kann...