Ganzkörper-Airbrush, Action-Figures, Romeo und Julia sowie
Grillparties mit Musikerlegenden. Das Leben des Lars Ratz und seinen
Mitstreitern ist vielseitig, wie Ihr anschliessend gleich nachlesen könnt.
Besonders zum empfehlen ist Lars' Geschichte von seinem ersten Bass-Bau am
Schluss des Interviews, denn die ist einfach Kult. Leider ging bei der Abschrift
natürlich die "mein Onkel"-Stimmimitation verloren, aber Ihr werdet Euch dennoch
amüsieren, soviel sei versprochen.
Bühne frei also für Lars Ratz, Metalium und eine Nation voller Helden.
Eure ersten beiden Alben behandelten die Metalian-Geschichte, ein Krieger,
der viele Gefahren bestehen muss und irgendwann sein Ziel erreicht - er wird
Metalgott. Jetzt hätte man ja sagen können: Punkt aus, die Geschichte ist
fertig. Für das aktuelle Album habt Ihr den Metalian aber nochmals "rausgeholt".
Er durchlebt das Leben bekannter Leute der Weltgeschichte. Muss man irgendwann
einen Metalian Teil zehn, er trifft auf seinen bösen Halbbruder oder sowas,
erwarten?
Lars: Also die ersten beiden Alben spielten in der Fantasy-Welt, obwohl die
Geschichten bezüglich der Metaphern durchaus eine realistische Basis hatten. Nun
haben wir ja aber auch unzählige Dramen und Schicksale in unserer eigenen,
menschlichen Geschichte seit 2000 Jahren, und es gibt so viel Material, das
bisher noch gar nicht für Heavy Metal verwendet wurde, das von der Dramatik her
aber geradezu prädestiniert dafür wäre! Nero, Rasputin, Odin etc., es gibt so
viele. Also reinkarnierten wir die Seele des Metalian in die Körper dieser
Personen. Diese Geschichte haben wir bis nach England "ausgebaut", aber wir
wollten nicht in irgendeinem Braveheart oder einer Mary Stewart-Klischee kramen.
Also sagte ich: "Nehmen wir doch Shakespeare's Romeo und Julia und machen ein
Duett daraus", worauf mich sechs Augen gross angeguckt haben, haha.
Das glaube ich sofort. Denn obwohl dieses Duett sehr untypisch für die Platte
ist, passt es perfekt hinein.
Lars: Das Stück war übrigens auch nicht unumstritten innerhalb der Band. Einige
meinten, dass dieser Titel ein echtes Risiko sei. Darauf entgegnete ich, dass
Metalium schon von Anfang an ungewöhnliche Dinge gemacht haben, und man muss
halt auch etwas riskieren, um zu gewinnen. Erstaunlicherweise ist es oft gerade
dieser Song, der von vielen Journalisten als Lieblingssong genannt wird.
Dieses Duett wurde mit Carolin Fortenbacher eingesungen, einer absoluten
Oberklasse-Sängerin. Henning Basse ist ja selbst ein Ausnahmesänger. Aber hat er
nicht vielleicht doch manchmal ein bisschen Bammel gekriegt, ob er mit Carolin
mithalten könnte?
Lars: Nee, nee, hat er nicht. Der weiss schon, was er kann. Ausserdem ist
Carolin sehr attraktiv, und darum hat er sich sehr drauf gefreut, haha.
Wenn wir gerade bei der Besetzung sind: Zwei Namen, die ebenfalls auffallen,
sind Don Airey (früher Ozzy O., Whitesnake, Rainbow - Verf.) und Ken Hensley
(früher Uriah Heep - Verf.). Ihr seid ja selbst auch alles gestandene Musiker,
aber wie ist denn das so, wenn plötzlich diese Grössen vor einem stehen, hallo
sagen und fragen, wohin sie sich setzen und was sie tun sollen? Ist das ein
komisches oder seltsames Gefühl?
Lars: Nein, nein, denn zuvor haben wir noch in meinem Garten gesessen und
zusammen gegrillt, haha. Ich kenne die Jungs ja auch privat. Ken habe ich
gefragt, wieviel Geld ich ihm denn überweisen soll, aber obwohl wir fast jeden
Tag mailen, hat er mir darauf nie eine Antwort gegeben. Mit anderen Worten: Ken
hat mir einen Gefallen getan, und ich tue ihm jetzt auch einen, indem ich für
ihn über meine eigene Firma eine klasse Tournee buche.
Nun sind wir ein bisschen abgedriftet. Ich wollte noch mal kurz zum Ende von
Eurem zweiten Album kommen, in welchem Metalian sein Ziel erreicht und zum Gott
einer Welt aufsteigt, die, ich zitiere, "ruled by metal" wird. Was soll man sich
denn unter einer Welt, die vom Metal regiert wird, vorstellen?
Lars: Soweit haben wir uns das damals gar nicht ausgemalt, weil es eh nie so
etwas geben wird. Metal ist ein ganz, ganz kleiner Seitenarm in der Welt und in
der Musik, für den wir mit jeder Platte, jedem Interview und jedem Auftritt mit
viel Idealismus kämpfen müssen. Die "world ruled by metal" ist unsere eigene
Welt, nicht die Welt da draussen. Die Welt draussen weiss gar nicht, was Metal
ist.
Würdest Du sagen, dass Metaller ein bisschen hinter dem Mond leben?
Lars: Nein, in einer EIGENEN Welt, die parallel zu vielen anderen Welten wie die
Techno- oder die Modewelt existiert. Dir und mir kann kein Techno-Jünger
erklären, wie toll es ist, Techno zu erfahen, denn wir kennen das nicht. Und
genauso wenig können wir dem erklären, wie toll es ist, Metal zu fühlen. Wenn Du
mal headbangend in der ersten Reihe gestanden hast, dann fühlst Du Gefühle, die
Du nur dann fühlen kannst, wenn Du das mal erlebt hast. Das ist auch das, was
wir uns bewahren wollen. Ich bin ja selbst auch immer noch Metalfan und nicht
nur Musiker. Es ist für uns eine grosse Ehre, Musik machen zu können, und
deshalb wollen wir unsere Fans auch entsprechend "bedienen". Wir wollen
value-for-money bieten. Deshalb kommt Hero Nation auch als Doppel-CD.
Diese zusätzlich Features sieht man ja immer öfter in der letzten Zeit im
Metalbereich. Es bleibt oft nicht mehr beim Bonussong, es kommt noch ein Video
drauf etc. Glaubst Du, dass das ein bisschen die Zukunft ist, respektive dass
die Platte alleine irgendwann nicht mehr reichen wird?
Lars: Ich weiss nicht, ob das die Zukunft ist, aber wir haben nun mal den Fakt,
dass wir durch das Internet und die CD Brennerei dem Käufer da draussen einen
Grund geben müssen, warum er unsere Platten im Laden holen soll. Also sagte ich
Massacre: "Ich gebe Euch zwei Songs umsonst, wenn Ihr eine Doppel-CD daraus
macht." Ich habe für einen Song sogar eine Videofreigabe gekriegt, wir haben
drei Screensaver draufgetan und es gibt auch noch einen interaktiven Part, wo
der Fan hören kann, wie Don Airey's Keyboard, ganz alleine und isoliert und
direkt aus der Produktion heraus, klingt. Das Gleiche gilt auch für Carolin's
und Ken Hensey's Parts, die Gitarren und den Bass. Und das ganze Paket gibt's
für lediglich 1nen Euro mehr als zum regulären Preis zu kaufen. Es gibt so viele
Platten jeden Monat, dass der Fan gar nicht mehr weiss, wo er eigentlich
hingucken soll. Oftmals sind die Magazine auch sehr subjektiv, und es ist bei
gewissen Alben schon drei Monate vorher klar, dass sie bei der Veröffentlichung
Platte des Monats werden. Also dachten wir uns, dass wir zudem die Funktion des
Internets nutzen und jetzt schon die ganzen Songs auszugsweise zum Download
anbieten, damit der Fan auch weiss, was er sich da kauft. Immer wieder wird
gerade mit diesen Limited Editions Fanverarsche betrieben. Da kommt
irgendwelcher Schrott drauf. Das ist doch völliger Blödsinn.
Ihr habt Euch ja mittlerweile von einer deutsch-amerikanischen "All-star-band"
zu einem rein deutschen Act gewandelt, was ja nicht ohne Ärger und Line-Up
Probleme vor sich gegangen ist. Denkst Du, dass Ihr diesen etwas holprigen Weg
gehen musstet, um an den Punkt zu gelangen, an dem Ihr heute seid?
Lars: Metalium war eigentlich gar nicht geplant gewesen. Es war ein
Hirngespinst, dass mir irgendwann über Nacht eingefallen ist. Also habe ich ein
paar Leute zusammengerufen. Wir machten die Platte, kamen in die Charts und
wurden zum bestverkauftesten Metal-Debut des Jahres 1999. Die Musik an für sich
entstand aber schon immer innerhalb des Dreiecks Matthias Lange, Henning Basse
und mir, und die anderen Musiker waren lediglich ausführende Musiker. Das wissen
natürlich nicht alle, aber spätestens mit dieser dritten Platte konnten wir
beweisen, dass wir nicht auf irgendwelche Namen angewiesen sind. Mit unserem
neuen Trommler haben wir zudem das erste Mal die Situation, dass alle
Bandmitglieder Songwriter sind, was für mich als Produzent bedeutet, dass ich
aus einem enormen Pool an Kreativität schöpfen kann. Viele sagen mir, dass Hero
Nation unser bisher bestes Album ist. Das freut mich natürlich und zeigt mir
auch, dass wir in dieser Besetzung noch Schritte nach vorne machen können.
Ausserdem muss ja die Musik für sich alleine stehen. Wir sind nicht in der
Unterhaltungsbranche im Sinne vom Musikantenstadl, wo's nur darum geht, ein
schickes Image mit altbewährten Melodien zu verkaufen.
Zum neuen Album habt Ihr auch noch eine kleine "Action-Figure" von Metalian
anfertigen lassen. Wolltet Ihr Barbie endlich mal einen richtigen Kerl
verschaffen, damit sie nicht immer mit Ken rumhängen muss?
Lars: ... dass sie mal'n richtigen Stecher kriegt, haha? Irgendwann kam einer an
und meinte, dass unsere Metalian-Figur eigentlich prädestiniert für sowas sei.
Ich dachte mir, warum nicht? Ich stehe auf solchen Kram. Wir haben sie in
Pakistan herstellen lassen, und ich erwarte morgen das erste Exemplar. Bisher
habe ich die Figur auch nur auf Bildern gesehen.
Kann Sie auch sprechen?
Lars: Nein, haha.
Für frühere Promofotos, ich glaube, es war für das erste Album, habt Ihr Euch
mit diesem bläulichen Zeugs vollgeschmiert. Das fand ich irgendwie witzig. Was
war denn das? Ist es wieder abgegangen mittlerweile?
Lars: Das war für das zweite Album, und es war übrigens nicht Blau sondern
Silber (darum durfte ich auch nie Lokomotivführer werden, der Schularzt hatte
mein Handicap bereits in frühen Jahren erkannt - Verf.). Der Markus Meier hat
unsere Körper mit der "Airbrush"-Technik eingefärbt. Das Foto wurde dann
allerdings mit einem Blaustich versehen (aha! - Verf.). Wir wollten uns für
dieses Foto halt selbst ein bisschen in diesen Metalian verwandeln. Aber in der
Schweiz und in Frankreich werden wir dafür immer ausgelacht, haha. Die Schweizer
sind halt wohl sehr bodenständig, und die Franzosen finden es einfach nur
kurios. Dafür sind wir aber für die Südeuropäer die Helden und verkaufen dort
die Clubs mittlerweile auch alle aus. Man kann's halt nicht jedem recht machen,
und KISS wurden früher schliesslich auch ausgelacht.
Du hast ein aussergewöhnliches Hobby. Du baust Deine Bässe selbst, total
verrückte Sachen ...
Lars: Hobby kann man das nicht nennen, denn das war vor etwa zehn Jahren.
Mittlerweile habe ich keine Zeit mehr dafür. Das ist ja auch kein grosses Ding
...
Na ja, vielleicht nicht, sie zu bauen, aber sie sollten ja auch nach was
klingen, was wohl bei Deinem ersten Bass nicht so toll geklappt hat, oder?
Lars: Nee, ich musste schon ein paar Mal üben, haha. Damals verstand ich auch
noch nichts vom Gitarrenbau und bin zu meinem Onkel gegangen, der Schreiner war.
Ich sagte zu ihm: "Gib mir mal 'n tolles Holz." Daraufhin meinte er: "Oh, da geb
ich Dir 'n ganz schönes Holz!" Ich wusste natürlich damals nicht, was das für
Holz war, aber es war mir auch egal, weil ich dachte: Holz ist Holz. Also habe
ich damit den Bass gebaut, aber er klang völlig matschig und drucklos, und ich
hatte keine Ahnung, woran das liegen könnte. So ging ich zum Gitarrenbauer, und
der fragte mich, was denn das für ein Holz sei. Ich sagte: "Keine Ahnung." Ich
rief meinen Onkel an und fragte ihn, was er mir denn für Holz gegeben hätte. Er
sagte: "Buche!" Da hat mir der Typ im Gitarrenladen erklärt, dass Buche das
schlechteste Holz überhaupt für sowas wäre. Aber mein Onkel war voll beleidigt:
"Wieso?? Das hat doch schön ausgesehen, das ist doch gutes Holz, daraus machen
wir alle Fensterrähmen ...", haha.
Metalium - value for money und ein richtigen Kerl für Barbie
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- Geschrieben von Skoddete
- Kategorie: Interview
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Ganzkörper-Airbrush, Action-Figures, Romeo und Julia sowie Grillparties mit Musikerlegenden. Das Leben des Lars Ratz und seinen Mitstreitern ist vielseitig...