Das ist es mir wert – dieses ausserplanmässige Review muss einfach sein. Es ging komplett an mir vorbei, dass das österreichische Gespann Mondstille dieses Jahr ein neues Machwerk veröffentlicht hat. Ein Freund wies mich darauf hin über die Scheibe gestolpert und begeistert zu sein. Teilten wir zwar den Enthusiasmus, unterschieden sich die Gründe dafür jedoch. Ich erinnerte mich zunächst an das Meisterwerk "Am Ende..." das durch seine überwiegend akustischen Zauberstücke begeistern konnte. Vom neuen Album "Seelenwund" erwartete ich nun frohlockend selbiges – glanzvolle Kompositionsarbeit in Empyrium und Dornenreich-Manier. Der Kumpel, dem ich den Hinweis verdankte und der das Album bereits gehört hatte, war allerdings aus anderen Gründen begeistert...

...und zwar folgenden: Mondstille haben die Pfade der akustischen romantischen Klampferei und Violinenkunst grösstenteils verlassen und bieten auf ihrem neuesten Machwerk ein nicht minder emotionslastiges, dafür aber wesentlich rasanteres Schauspiel für die Ohren feil.
Dementsprechend überrascht war ich von den aggressiven Klängen, die dem Hörer schon im zweiten Track "Mein innerer Sturm" entgegengeschmissen werden. Die Stilrichtung wird hier ebenfalls sofort klar. Scheinbar hat das österreichische Quartett die zeitgenössische deutschsprachige Adaption des Schwarzmetalls für sich entdeckt. Nicht selten fühlt man sich hier an entsprechende Szenegrössen erinnert – Agrypnie, Nocte Obducta, Todtgelichter. In der Praxis setzen Mondstille damit hohen Wert auf treibende Doppelpedal-Schlagwerkerei, die oftmals die kompletten Stücke durchzieht. Die Gitarren schreddern parallel dazu relativ tumbe aber beeindruckend wirkungsvolle Riffs rauf und runter und verursachen mancherorts gar Gänsehaut – allein für diese enorme Wirkungskraft verdient die Kapelle Pluspunkte.

Die Songstrukturen erweisen sich durchweg als überwältigend – meist münden die Titel in knackigen, emotionsgeladenen Schlussparts, in denen die zuvor aufgebaute Spannung gleich einer tosenden Brandung über den Lauschern des Hörers zusammenbricht. "Im Trauerhain" und "Ich, der Pan" sind die wohl herausragendsten Beispiele für die perfekte Umsetzung dieser Technik, sowohl auf diesem Album als auch generell. Aufgrund dieser schier zyklopischen Soundgewalt kann man der Truppe auch verzeihen, dass einige Tracks mit Riffs eröffnet werden, die am besten wohl als Ensiferum-Kitsch beschrieben werden können.

Akustische Gitarren werden vier Jahre nach dem Erscheinen des Vorgängeralbums "Am Ende..." auf "Seelenwund" zu Begleitinstrumenten degradiert, die in der einen oder anderen Bridge zum Einsatz kommen. Die Violine spielt im Vergleich dazu eine wichtigere Rolle. Wo Dornenreich selbige heute bei Live-Auftritten einsetzt, um die Stimme des ehemaligen Bandmitglieds Thomas Stock (unzureichend) zu ersetzen, weben Mondstille hingegen das Streichinstrument beispiellos gelungen in ihre Songs ein. Die Vocals erinnern zuweilen stark an Agrypnie; lyrisch bewegt man sich aber nach wie vor eher in der romantischen Ecke. Nicht immer überzeugt mich die Wortwahl dabei vollständig, aber die Art und Weise, wie die Lyrics vorgetragen werden, kommt authentisch und leidenschaftlich daher. Dass die Scheibe selbstproduziert wurde und dafür einen absolut kristallklaren Sound liefert, soll auch noch kurz lobend erwähnt werden.

Tja, was soll ich da noch hinzufügen. Mondstille haben meiner Meinung nach eines der ganz grossen Highlights des Jahres 2012 zu verantworten. Es kommt bei mir nicht oft vor, dass ich ein Album einlege und von Track zu Track pausenlos begeistert bin. "Seelenwund" darf auf keinen Fall in einem Sammlerregal fehlen, in dem auch Agrypnie und Konsorten beheimatet sind und genauso wenig bei Geniessern, die eine Affinität zur romantischen (stets verstanden im Sinne der literarischen Epoche) Schule des Schwarzmetall haben. 13 Punkte hätten die Herren von mir bekommen, wenn sie statt des (ausgezeichnet programmierten und klingenden!) Drumcomputers einen Fellklopper aus Fleisch und Blut in ihren Reihen hätten. Das würde der Scheibe sicherlich nochmal den absoluten Feinschliff verpassen. Schlussendlich bleibt zu sagen: Mondstille - danke für dieses Meisterwerk!

Albuminfo

Punkte

 

5/5

Label

Eigenproduktion

Veröffentlichung

9/2012

Format

CD

Land

Genre

Black Metal