Manchmal hält man etwas in den Händen, dass man auf den ersten Blick absolut falsch einschätzt. Manchmal geschieht dies, weil man routiniert und voreingenommen durch die Welt läuft, weil man pessimistisch und resigniert die kulturellen Errungenschaften der Moderne über die Schulter schmeisst. Dann gibt es da diese Abendsterne; Hoffnungsschimmer und glückliche Überraschungen. Das Duo Bann aus Baden-Württemberg sticht mit dem Erstling "Æschatologia" aus dem universalen Brei der menschlichen Musikwelt heraus – und das hat unterschiedliche Gründe.

Der Stein des Anstosses scheint für Bann die, aus ihrer Sicht, allgemein falsche, auf Extrema beruhende Vorstellung über das Mittelalter zu sein. Sie setzten es sich zum Ziel, hier und da ein wenig zu korrigieren, mit Fehleinschätzungen aufzuräumen und ihre ganz eigene, persönliche Reflektion dieser Epoche an die Öffentlichkeit zu bringen.
Dabei übernimmt Lyriker Hoffarth den ideologischen Teil und die Vocals, während Musiker Thurn für die erforderliche Klanguntermalung sorgt. Das Ergebnis ist eine ab dem 28. Februar erhältliche, im Digipack verpackte Silberscheibe, die auf den durchschnittlichen Black Metaller zugeschnitten sein soll, durch sein Konzept allerdings sehr komplex ausfällt und schon fast intellektuell hochgestochen wirkt.

Und tatsächlich, wenn man sich mit dem Kern von "Æschatologia" auseinandersetzt, sollte man ein Nachschlagewerk der Theologie bereithalten oder sich einen Hotkey für die Internetsuche einrichten. Hoffarth wirft hier mit Namen und Begriffen um sich, die schon fast fachspezifisch fremdartig erscheinen. Im Zentrum stehen dabei stets morbide und düstere Themen, wie der Tod, Hexenverfolgung oder Kreuzzüge. Prinzipiell handelt es sich dabei doch um eben diese, von Bann angefochtenen, allgemeinen Kenntnisse über diese Epoche, die zumindest oberflächlich bei jedem vorhanden sein dürften – nur dass man sie mit mehr Hintergrundwissen dekoriert hat.

Aber wie klingt das Ganze nun eigentlich?
Ziert sich der Rezensent im Normalfall Vergleiche anzustellen, kommt er wohl kaum ohne solche aus, wenn er sich mit "Æschatologia" befasst. Denn jener Sonderfall der hier vorliegt, nämlich die Umsetzung lyrischen Schaffens in Tonwerk, bewegt sich weniger auf befestigten Fusspfaden des Black Metal. Die synthetischen Elemente und die vorwiegende Geschwindigkeit der Songs erinnert an Urfaust, das ausgefeilte poetische Manifest zeigt in seiner alliterationsreichen Onomatopoesie Ähnlichkeiten mit der Arbeit von Jochen Stock (Dornenreich). Die wahnwitzige stimmliche Darbietung dringt in abstrakte Gebiete vor, wie sie von den österreichischen Avantgardisten um Angizia bekannt ist. In den Hochphasen schwarzmetallischer Brutalität arbeiten Schlagzeug, Gitarre und Keyboard in einer derartigen Art und Weise zusammen, dass man meint altes Material von Nocte Obducta wahrzunehmen.

Was die Scheibe zusätzlich vor Langeweile schützt, sind kurzzeitige Einlagen von Streichinstrumenten ("Carmina Necrologica") und ein sehr wechselhaftes Schlagzeugspiel. Leider ist die Abmischung stellenweise etwas unpassend gehalten, so verliert sich die Stimme von Hoffarth mitunter zwischen den Instrumenten, zu leise und fehlplatziert. Das Album "Æschatologia" ist ein Ausflug ins Mittelalter, eine wesentlich intellektuellere Betrachtung historischer Einstigkeiten, als es bei "Ritter, Met und Schwert"- Bands der Fall ist. Luther kommt nicht zu kurz, ohne dabei verherrlicht zu werden, der Hexenhammer von H. Kramer rankt sich um die Klänge und der Schnitter reisst die Kinder aus den, aus heutiger Sicht, miserablen Lebensverhältnissen, die in poetischer Beschreibung vom Schreiberling hinter Bann gekonnt aus dem Federkiel gelockt wurden. Durchweg melancholischer, lichtblickloser und abgründiger Black Metal der symphonischen Spielweise, mit Texten, die auf Interpretation und Deutung warten; darauf, dem Hörer die niederen Werte des Mittelalters zu übermitteln und seine Ansichten zu erweitern. Ein grandioses Werk, das sich ein zweifelhaftes Überzeugungsziel setzt, aber vor exzellenter Tiefsinnigkeit und Emotion strotzt.

Für neugierige Fans stygischer Schwarzlyrik und modernen Schwarzmetalls, weit entfernt von der alten norwegischen Schule, bietet das Duo Bann hier ein absolut hörenswertes Werk feil. Es bleibt nicht beim einfachen Hören, es löst Recherchen aus, unentwegtes Nachschlagen und motiviert zum Informieren. Das Mittelalter ist tot, aber es hat dazu beigetragen, uns zu dem zu machen, was wir heute sind.

Albuminfo

Punkte

 

4/5

Label

Grief Foundation

Veröffentlichung

1/2009

Format

CD

Land

Genre

Black Metal