Zuerst einige Worte zur Bandgeschichte von Green Carnation. Die ist es nämlich wert, näher zu erläutern, denn bei dieser Formation handelt es sich im Grunde genommen um keine geringere Band als die Vorgängerband von den einzigartigen In the Woods - und nach deren (vorläufigen?) Auflösung wohl auch die Nachfolgeband. Green Carnation wurden 1990 von X-Botteri, Cristopher Botteri, Tchort und Anders Kobro gegründet. Im Jahre 1991 veröffentlichten Green Carnation das Demo "Hallucinations of Despair", welches - wenn wundert’s zu dieser glorreichen Zeit anfangs der Neunziger - skandinavisch geprägten Death Metal bot. Die Auflage von 400 Kopien war sofort ausverkauft. Zum Glück ist offenbar eine Wiederveröffentlichung des Demos geplant, hat doch Tchort das Material neu arrangiert. Ich bin mir nämlich ziemlich sicher, dass nach "Light of Day, Day of Darkness" eine rege Nachfrage nach diesem Material bestehen wird. Kurz nach diesem ersten Lebenszeichen verliess Tchort die Band Richtung Emperor, und ein Sängerwechsel wurde ebenfalls vollzogen. Die berühmte musikalische Neuausrichtung fand statt und die Band firmierte fortan unter dem Namen In the Woods. Deren Geschichte - und diesmal handelt es sich leider wirklich um Geschichte - muss an dieser Stelle nicht nachgezeichnet werden, das würde den Rahmen mit Sicherheit sprengen (ich ahne schon den Redaktionskommentar...) (ein Visionär in unseren Reihen! - Red.). Tchort und X-Botteri aktivierten Green Carnation im November 1998 nach einer 8-jährigen Ruhephase und nahmen im Juli 1999 das Debutwerk "Journey to the End of the Night" in den Jailhouse Studios in Kristiansand auf. An diesem Werk waren 5 verschiedene Sänger/-innen beteiligt, nämlich Vibeke Stene, Atle Dorum, Geir Sollid, Synne Soprana und Linn Solass! Veröffentlich wurde das Debutwerk im Oktober 2000 nach der Vertragsunterzeichnung bei Prophecy Records. Tchort war in der Folge nicht untätig und hatte schon bald das Songwriting zu "Light of Day, Day of Darkness" beendet. Das aktuelle Line-up dieser eigentlichen All-Star Band präsentiert sich wie folgt: Tchort - accoustic & electric guitars, Björn Harstad - lead guitar, slide and ebow, Stein R. - bass, A. Kobro (Carpathian Forest) - drums, Kjetil Nordhus - vocals.
Es versteht sich von selbst, dass angesichts dieser illustren Namen, welche bei Green Carnation mitwirken, die Erwartungen bezüglich deren musikalischer Darbietung auf vorliegendem Silberling alles andere als gering waren. Ich war mehr als gespannt, ob diese Scheibe all den überschwenglichen Reviews in der einschlägigen Presse (Album des Monats im Metal Hammer, 15/15 Punkten im Legacy etc.) tatsächlich gerecht werden kann. Und siehe da: "Light of Day, Day of Darkness" wird den Vorschusslorbeeren mehr als gerecht: Wir haben es hier mit einem absoluten Überflieger zu tun! Im Gegensatz zu der neulich von mir besprochenen Shape of Despair Scheibe zündet "Light of Day, Day of Darkness" schon vom ersten Hören an. Bandleader Tchort wurde während den Aufnahmen im Dub Studio in Kristiansand im Sommer 2001 von zahlreichen Gastmusikern (Endre Kirkesola - B3, sitar, synth, string & voice arrangements, Bernt A Moen - string arrangements, Arvid Thorsen - saxophone, Synne Soprana - female vocals, Roger Rasmussen - screaming vocals, Damien Aleksander - child’s voice, Jan Kenneth T. - male vocals) unterstützt. Daneben arbeitete er auch mit einem Opern- und einem Kinderchor zusammen. Für die Produktion, den Mix und das Engineering zeichnete sich übrigens Endre Kirkesola aus, dem somit neben Tchort wohl die tragende Rolle am Gelingen von "Light of Day, Day of Darkness" zukommt.
Wer nun erwartet, dass Tchort auf "Light of Day, Day of Darkness" das volle Black Metal Brett auffährt, wird enttäuscht. Diese Enttäuschung weicht aber nach den ersten Klängen angenehmer Überraschung, um schon bald eigentlichen Begeisterungssprüngen Platz zu machen. Green Carnation zelebrieren ihre ganz eigene Interpretation von Doom Metal, welche aber mit zahlreichen weiteren Musikrichtungen angereichert wird. An mehreren Stellen glaube ich sogar Einflüsse ausmachen zu können, die mich an Solitude Aeturnus erinnern - und die sind neben Candlemass (steht da tatsächlich mal eine hoffentlich brauchbare Reunion an?) in Sachen Doom Metal nach wie vor unerreicht! Daneben finden sich Passagen, die - logischerweise - an In the Woods, My Dying Bride, und Anathema erinnern. Während den 60 Minuten durchlebt der Hörer zahlreiche Stimmungsbilder, die in ihrer Vielfalt absolut zu begeistern vermögen und trotzdem ein Gesamtbild schaffen. Selbst nach dem zwanzigsten Durchlauf (jeden Tag dreimal; zum Aufstehen, zur Mittagspause und zum Einschlafen...) gibt es immer noch etwas zu entdecken. Absolut überzeugend fallen die Arrangements des Streicher-Ensemble aus, ein Element, das mir in weitaus den meisten Fällen überhaupt nicht zusagt.
"Light of Day, Day of Darkness" beginnt verhalten, nach wenigen Minuten gehen Green Carnation aber schon wesentlich aggressiver zu Werke. Den stimmungsmässigen Höhepunkt bildet das Teilstück zwischen der 20. und 33. Minute, welches durch fremdartige Sitarklänge eingeleitet wird und sogar leicht an Deep Purple (inkl. Schweineorgel) erinnert. Nach diesem Teilstück dann der abrupte Wechsel: Eingeleitet durch die female vocals von Synne Soprana, welche während mehreren Minuten ihre Sangeskünste ungestört zum Besten geben kann, kommt plötzlich Traurigkeit auf, welche bis zum Schluss nicht mehr weicht. Wieso das so ist, kann ich auch nicht erklären. Vielleicht hat es ja etwas damit zu tun, dass Tchort "Light of Day, Day of Darkness" seinem Sohn Damien Aleksander widmet, wird das Werk im Booklet doch als musikalisches Vermächtnis an seinen Sohn bezeichnet. Die Debutscheibe "Journey to the End of the Night" widmete Tchort übrigens seiner verstorbenen Tochter. Es kommt somit nicht von ungefähr, dass derart viel Herzblut in "Light of Day, Day of Darkness" steckt.
Nach all diesen positiven Punkten doch noch zwei negative: Die letzte Minute von "Light of Day, Day of Darkness" finde ich etwas gar kitschig. Da gibt’s noch eine Art musikalische Gutenachtgeschichte - wohl für Söhnchen Damien Aleksander -, welche aber in meinem Ohren nicht ganz zum Resten passen will. Zudem ist ein einziger Song von 60 Minuten nicht wirklich konsumentenfreundlich. Wenn ich nämlich das oben zitierte Teilstück zwischen der 20 und 33 Minute anhören will, kann ich das nicht direkt anwählen, und das ist einfach mühsam! Ich sehe schon, was Du jetzt einwenden willst; angesichts der musikalischen Qualität spiele das aber wirklich keine Rolle - Du hast natürlich recht, ich bin einfach ein bequemer Sack... Fazit: "Light of Day, Day of Darkness" ist ein absolut einzigartiges Meisterwerk, das wohl in zahlreichen Jahresrückblicken in der Kategorie Album des Jahres 2001 in den vordersten Rängen erscheinen wird - und das zweifelsohne zu Recht!
Albuminfo
Punkte |
0/5 |
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Label |
Prophecy Productions |
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Veröffentlichung |
11/2001 |
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Format |
CD |
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Land |
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Genre |
Doom Metal |