Der erste Schock sass tief: Bereits um 20:30 Uhr stehe ich vor einem pumpvollen Werk21. Ob sie mich da noch reinlassen? Ich habe Glück und kriege noch einen Stempel auf die Hand. Ganz im Gegensatz zu den paar Nasen, die nach halb elf noch rein wollten. Das Werk21 war mit über zweihundert Besuchern randvoll, die Veranstalter von Hellfire durften stolz das Schildchen „sold out“ raushängen. Ich liess mir sagen, dass die Türsteher dann doch nicht ganz so streng waren - nieman d m usste vergeblich angereist wieder ohne den Genuss melodischen Todesmetalls wieder nach Hause gehen.
Warum denn so viele Leute, fragt sich der Laie. Eine Frage, die sich kein Kenner des melodischen Todesbleis stellen würde, lockten doch mit Night in Gales, die sich schon im Jahre 1995 zusammen getan haben und Bitterness, ein paar alte Hasen aus dem melodischen Death beziehungsweise Thrash Metal Bereich.
Doch begonnen hat der gemütliche Konzertabend mit einer Truppe, die alles andere als alte Hasen sind. Erst vor kurzem haben sie die Aufnahmen für ihr demnächst erscheinendes Debüt eingeprügelt. Zu Hause sind die Jungs eher im neumetallischen Sektor mit Hardcore und Todesmetallanleihen. Eigentlich überhaupt nichts für den hier Schreibenden, doch technisch gab es überhaupt nichts zu meckern, wenn auch spürbar noch einiges an Liveerfahrung fehlte. Das Publikum reagierte noch eher verhalten auf den Trupp, warteten doch alle schon gespannt auf eine Thrash Attacke von Bitterness…
Die Deutsche Formation liess die vorher angetauten Köpfe gleich mächtig kreisen. Sie spielten einen Kracher nach dem anderen von ihrem aktuellen Scheibchen „Sweet Suicide Solutions“ und ihrer brandaktuellen Split mit Witchburner. Mit ihrem eingängigen, aber ruppigen Death / Thrash haben sie ziemlich schnell die vordersten Reihen für sich gewonnen. Sogar so stark, dass die „harmlose friedliche Hippieband“, wie Kehlenmann Frank nach dem Zusammenstoss mit einem Fan verlauten liess, die vorderste Reihe etwas beruhigen musste. Mein besonderes Augenmerk galt dem Trommelmann Andreas (auch bei Unlight hinter den Fellen), welcher ziemlich alles wegfegte und selber tropfnass hinter den Trommeln siedete. Der Abend war nach Bitterness definitiv lanciert!
Leider folgte mit Fear My Thoughts die eigentliche Enttäuschung des Abends. Als melodic Death angekündigt, störten mich die Metalcore-lastigen Gesangsteile doch arg. Ab und an liessen jedoch die Dark Tranquillity und In Flames Anteile wieder aufhorchen und liessen vermuten, warum sie mit Bitterness und Night in Gales auf eine kleine Dreitagestour aufgesprungen sind. Zu meiner Überraschung kam der Trupp bei den Besuchern recht gut an und erntete auch erstmals Zugabe-Rufe. Da das Programm aber ziemlich straff war und Night in Gales kaum mehr hinter der Bühne zu halten waren, gab es zum Bedauern einiger dann doch nichts obendrauf. Mir sollte es recht sein, wartete ich doch schon ein Weilchen auf Night in Gales.
Und es sollte sich lohnen: Während ewigbessere jetzt schon gähnend sagten „Noch einmal In Flames beziehungsweise Dark Tranquillity zum Dritten?“ wurde ich bei den Deutschen noch einmal so richtig warm. Der fürs Werk21 hervorragende Sound liess sogar die sauberen Vocals ziemlich gut erklingen und unterstrich die Livequalität von Night in Gales. Auch auf und vor der Bühne tat sich recht viel. Neben Rochaden seitens der Musiker und kühnen Stagedivern (und dies bei einer Deckenhöhe von knapp drei Metern!) liessen fast alle im vorderen Bereich des Konzertkellers noch einmal heftig ihre Köpfe kreisen.
Danach war leider auch schon wieder Schluss. Doch eigentlich genau zum rechten Zeitpunkt: Man sagt doch, dass man aufhören soll, wenn's am Schönsten ist!
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