Wir haben den Willen, Musik zu machen, die aus unserem aktuellen Befinden heraus entsteht. Dabei ist früher Black Metal herausgekommen, und nun bei "Angst" eben nicht, wobei immer noch Black Metal-Elemente vorhanden sind. Die neue Langrille "Angst" der Hamburger Todtgelichter steht in den Startlöchern! Aufgrund dessen und eines gelungenen Auftritts auf dem diesjährigen Barther Metal Open Air (von dem auch die Bilder genommen sind - nochmal vielen dank an Metal Guardian!) führte ich kurz nach dem Konzert ein Interview via Mail mit Tentakel Parkinson, der bei der Truppe hinter dem Schlagzeug Platz nimmt. Ich denke, die Antworten sind recht interessant ausgefallen, auf jeden Fall war ich bei manchen Sätzen überrascht. Aber genug der Vorrede, lest einfach selbst.
Hallöchen erstmal und Glückwunsch zu einem gelungenem Auftritt am Wochenende, der ja im Grunde der Anlass für dieses Interview ist! Wie gehts euch und wie fandet ihr ihn?
Moin, uns geht es gut, danke dir - und schön dass es zu gefallen wusste. Selbstverständlich fanden wir uns auch super. Nein, im Ernst; wir hatten ja quasi zwei Premieren: Marta hatten wir zwar schon mal mit auf der Bühne, aber das war ihr erster Auftritt im offiziellen Line-Up und sie hatte dieses mal auch wesentlich mehr zu tun. Und zweitens (was wohl kaum zu übersehen war) hatten wir ein "leicht" verändertes Bühnenoutfit. Ich kann dir sagen, das war ein cooles Gefühl - trotz der ganzen Routine, die wir auf der Bühne mittlerweile haben, haben wir gezittert wie eine Band vor ihrem ersten Auftritt. Das war schon etwas völlig Neues, für uns und hoffentlich auch für die Fans. Und es hat sich grossartig angefühlt; so ein bisschen Aufbruchsstimmung, auf zu neuen Ufern.
Kommen wir gleich mal zum neuen Album. Welche zentralen Themen behandelt ihr auf "Angst"?
Und wir dachten, der Titel wäre eindeutig, haha. Eben dieses, allerdings in einem - man verzeihe mir dieses in letzter Zeit doch etwas oft benutzte Wort - urbanen Kontext. Wir haben versucht, dieses Gefühl und seine unzähligen Facetten in einem Spannungsbogen durch Zeiten und Kulturen zu umreissen. Das heisst konkret, "Angst" beinhaltet textlich und musikalisch verschiedene Aspekte von Angst - von instinktiver Bedrängnis, die Agression hervorruft ("Bestie") bis zu der Angst, keinen Halt, keine Heimat, keine Ruhe im Leben zu finden ("Neon"). "Café Of Lost Dreams" ist quasi fiebrige, rastlose, Klaustrophobische Angst, während "Subway" sozusagen ein Hingeben, ein Hinnehmen und somit ein Verschmelzen mit der Angst darstellt. "Oblivion" ist die Angst, dass alles einmal endet und in Vergessenheit gerät; "Phobos & Deimos" hat mythologischen Hintergrund, zeigt aber auch gleichzeitig, wie die Medien heutzutage die Menschen mit Angst füttert. "allmählich" ist dann schlussendlich das hinter-sich-lassen, das Weiterziehen. zu "Moloch" kann ich nicht so viel sagen, da Frederic den Text verfasst hat; für mich behandelt er die Angst vor der Einsamkeit - die meisten Menschen sind trotz riesiger, überfüllter Metropolen letztendlich doch allein.
Ich denke, wenn das Album erst mal erschienen ist und die Leute die Musik und die Texte gleichzeitig aufnehmen können, wird es erst richtig klar werden was ich damit meine. Wie immer aber bei uns denke ich, dass das Konzept so ausgearbeitet wurde, dass jeder noch Platz für seine eigenen Interpretationen hat - ein Aspekt, den ich bei uns für sehr wichtig halte, da ein Album so viel persönlicher wird. Ich möchte unsere Konzepte nicht jedem ins Detail vorkauen und auslegen, liefere nur den Assoziationsrahmen; eigene Gedanken sind Voraussetzung, damit jemand 100 % aus dem Album ziehen kann.
Mit Angst habt ihr euch auch ein optisches Konzept zugelegt, was man auf den Fotos ja auch ganz gut erkennen kann. Warum eigentlich 'weiss' als Bühnenfarbe und (vermutlich) beherrschende Albumgestaltungsfarbe?
Zuerst mal - weiss wird NICHT die vorherrschende Farbe, das hatten wir ja gerade auf "Schemen". Die Atmosphäre wird sich an unseren neuen MySpace- und Homepage- Layouts orientieren; allerdings kenne ich selber das fertige Booklet noch nicht. Unser Layouter Y hatte völlig freie Hand und ist gerade am Fertigstellen des Booklets; ich bin selber gespannt wie es ausfällt. Das funktioniert deshalb - das muss ich an dieser Stelle einfach loswerden - weil sich Y perfekt in uns und unsere Musik einfühlen kann, uns sogar an bestimmten Stellen des Kompositionsprozesses wichtige Impulse gegeben hat. Ohne ihn wäre das alles so nicht denkbar gewesen, das gilt aber auch für unseren Produzenten Eike - wir hatten einfach das Glück, dass wir über die Musik und unser Fünfergespann hinaus ein unglaublich kreatives Team hatten, welches sich blind verstanden hat; welches genau wusste, welches Gesamtbild "Angst" am Ende benötigt. Deshalb darf ich "Angst" als unser zu diesem Zeitpunkt in allen Belangen gelungenste und rundeste Werk bezeichnen.
Erachtet ihr denn das visuelle Konzept bei Black Metal-Bands allgemein überhaupt als wichtig?
Nicht zwingend. Es gibt meines Erachtens nach viele Bands, die es lieber lassen und sich auf die Musik konzentrieren sollten. Diese ganze Corpsepaint-Sache ist doch unglaublich ausgelatscht. Wenn allerdings eine Band wirklich etwas darzustellen hat, finde ich es sehr wichtig: Bestes Beispiel sind u.a. ULVER, die ich vor kurzem in Hamburg bewundert durfte und die visuell ziemlich beeindruckend waren; sie lieferten eine Show (im wahrsten Sinne des Wortes) die ich mir ohne das Bühnenkonzept nicht hätte vorstellen oder genauso empfinden können. MOONSPELL und ENSLAVED arbeiten sehr effektiv mit Beamern, sehr beeindruckend. Auch DIMMU BORGIR scheinen mit dem neuen Album neue Wege beschreiten zu wollen, und obwohl die Fans "Piraten-Black-Metal" witzelten, finde ich das Visuelle sehr interessant und bin gespannt auf das fertige Konzept. Im deutschen Untergrund tut sich aber auch einiges; als Beispiel möchte ich unsere Freunde von EIS (früher GEIST, du wirst die leidige Geschichte kennen) anführen, die auf "Galeere" ein stimmungsvolles musikalisches und visuelles Gesamtkonzept haben und dessen Live-Darbietung zum Album-Release in Bad Salzufflen ich zu einem ihrer besten Konzerte zähle; Unterwasser-Flair inbegriffen. Des weiteren KERBENOK, die auf dem Av Is Og Ild III eines meiner Top-5-Konzerte ever geboten haben, nur mit einem Beamer und Wald-Deko auf der Bühne - aber es wirkte, und zwar nicht zu knapp. Und nicht zu vergessen MEMBARIS, die zwar nicht so experimentiell wie die vorangegangenen Bands sind, aber dennoch schon seit einiger Zeit beweisen, dass man auch im traditionellen BM visuell neue Wege beschreiten kann: Mit Corpsepaint-Masken, die Live einfach finster wirken (Ausserdem lässt es sich hinterher leichter abnehmen, hehe). Also um das abzuschliessen, ein gut ausbearbeitetes Konzept wird mich immer beeindrucken. Bevor man allerdings etwas Halbgares präsentiert, kann man es auch gleich lassen.
Auf dem Barther Metal Open Air hatte ich den Eindruck, dass bei euren neuen Sachen ziemlich viel Frauengesang Verwendung findet. Ist das nur ein zufälliger Eindruck durch die Liedauswahl oder kommt er wirklich auf vielen neuen Titeln vor?
Ja, das ist der Fall. Wir haben auf dem B:M:O:A aber auch die Liederauswahl so getroffen, dass Marta genug zu tun hatte. "Viel" ist allerdings auch Auslegungssache. Marta ist auf vier Songs zu hören, singt aber nur einen davon komplett alleine ("Neon"). Auf "Café Of Lost Dreams" hat sie mehrere Einsätze, bei "Bestie" z.B. nur eine Strophe, bei "Moloch" ein Duett mit Nils. Wir sind nicht mit dem Vorsatz an "Angst" herangegangen, möglichst viel Frauengesang zu integrieren, sondern hatten einfach das Gefühl, dass an diesen Stellen Marta singen muss. So viel ist es dann im Gesamten gar nicht geworden. Als fünftes Bandmitglied hat Sie allerdings dennoch Berechtigung; wie einige aufmerksame Fans wissen sollten ist sie seit den frühen Anfangstagen dabei und Live wird sie von nun an auch die Klavierparts und evtl. Samples übernehmen, sobald wir das richtige Equipment haben.
Am interessantesten sind bei einer Band oft die Texte, kommen wir also mal darauf zu sprechen. Soweit ich das erkannt habe, habt ihr mit der neuen Scheibe auch englische Titel. Hattet ihr einfach mal Lust drauf oder wollt ihr euch auch neue Hörerschaften im Ausland erschliessen?
Beides. Erstens bietet die englische Sprache noch mal ganz andere Wortklänge und Stimmungen. Ich wollte das schon lange einmal ausprobieren, wir waren uns auf den vorherigen Alben damit allerdings eher selbst im Wege. Verschiedene Sprachen offerieren eine ganz neue Welt an Möglichkeiten was Klang, Aussprache, Stimmung und Aussage angeht; einiges, was man auf Deutsch erst lange umschreiben muss, klingt auf Englisch einfach schön in die Fresse. Und anders herum. "Oblivion" ist ein schönes Beispiel, für mich auch das Lied, auf dem Nils seine beste Leistung abgeliefert hat (obwohl er uns eigentlich auf allen Liedern beeindruckt). Nils’ Parts dort sind prägnant, knackig und brutal. Auf Deutsch hätte es nicht ganz so funktioniert, finde ich.
Das mit den neuen Hörerschaften ist auch so ein Punkt - ich finde, wenn man etwas zu sagen hat, können es gerne auch mehrere Leute verstehen. Wir werden immer Deutsche Texte haben, aber wir lassen uns darauf nicht limitieren. Und so können auch Nicht-Deutschsprachige in unsere Gedankenwelten eintauchen. Wie oben bereits gesagt, ist unsere Lyrik sehr eng mit der Musik verknüpft, und du hast definitv mehr davon, wenn du die Texte kennst (und verstehst).
Als ihr "Café of Lost Dreams" angesagt habt, war nicht nur ich wegen des Namens verwundert. Was hat es mit dem Text auf sich?
Was genau verwundert dich den an dem Titel? Der Text ist eine Parabel auf modernes Leben, auf Stress, auf Selbstaufgabe. Das Gedankengemälde, welches damit umrissen wird, ist das einer panischen, fiebrigen Flucht ohne Ziel, aus einer utopischen, feindseligen Metropole, aus der es keine Flucht gibt. Vergleiche das Szenario mit Terry Gilliam’s "Brazil", dann bist du sehr nahe dran. Das "Café" ist ein seelischer Rückzugspunkt, eine ruhige Oase quasi. Textlich ist mit der kleinen Reminiszenz an Duke Ellington ein deutlicher Brückenschlag zum Negro Jazz der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts zu schlagen, der mit seiner Beschwingtheit diesem Betonszenario der Metropole entgegengesetzt wird. Und obwohl wir jetzt nicht losjazzen, wird, wenn dieses "Café" musikalisch erreicht wird (am Schluss), das ganze Stück ruhiger, freundlicher, und - beschwingter. Der Titel passt perfekt zu dem Song, und ich denke, verwundert wird man nur sein, wenn man danach Black Metal erwartet - wer das tut, oder wer noch ein "Was Bleibt..." erwartet, wird nicht nur in dieser Hinsicht enttäuscht. Mit dem Vorhaben, ein Black Metal Album aufzunehmen, sind wir nämlich grandios gescheitert. Nur - dieses Korsett ist uns einfach zu eng. Wir sind Künstler - nach wie vor im extremen Metal - aber wir lassen uns nicht von äusseren Erwartungen beirren. Und eben weil dieser Titel so herrlich "untrue" klingt, ist er durchaus auch als Trotzreaktion und Zeichen zu verstehen.
Dann hat der Name also seine Wirkung entfaltet, hehe. Diese Einstellung schätze ich eigentlich sehr! Wie sieht es mit anderen Liedern aus: welche Textstellen (auch von den beiden anderen Alben) bedeuten euch sehr viel und warum?
Zu den drei alten Veröffentlichungen kann und will ich nichts mehr sagen, da die mir einfach mittlerweile zu fern sind um konkreter zu werden. Nur so viel, dass ich finde, dass Mort auf "Schemen" seine besten Texte abgeliefert hat, von denen mich einige Stellen heute noch berühren. Es verhält sich nun so, dass - während ich auf "Was Bleibt..." und "Schemen" je ein, zwei Texte beigesteuert habe - bei "Angst" bis auf "Moloch" alle Texte von mir sind. "Moloch" ist von Frederic, und mir gelingt es nie, bei dem Part
"Ich will Leben und nicht schwinden/
Will mich teilen, mich verschwenden/
Will mich geben, geben, geben und verbrauchen"
KEINE Gänsehaut zu bekommen. Bei meinen eigenen Texten ist es schwieriger, aber bei "Bestie" ist
"Und hinter einer Wolke aus Fliegen/
grinst eine Fratze aus Angst und toten Tieren"
eine der finstersten Zeilen, die ich je geschrieben habe. Wovon das inspiriert war, ist nicht schwer zu erraten; aber weil ich gerne kryptisch bleibe, werfe ich nur die Initialen WRG in den Raum. Wer es herausfindet, sollte sich selber mit dem entsprechenden Buch belohnen.
Warum diese Zeilen (wie aber alle anderen auch) wichtig sind, ist schnell erklärt: Weil diese Textzeilen es sofort schaffen, Bilder in meinem Kopf zu malen. Und genau das war von Anfang an unser Ziel mit unseren Texten: Sie sollen als Skizzen dienen für Geschichten und Bilder, die im Kopfe des Hörers von selbst entstehen.
Lass uns nochmal ein Blick auf die hiesige Szene werfen. Es existieren ja bekanntlich unglaublich viele Black Metal-Bands in Deutschland. Wodurch unterscheidet ihr euch eurer Meinung nach vom Rest?
Ganz einfach dadurch, dass wir keinen Black Metal mehr machen... Nee im Ernst, was soll ich dazu sagen? Wir haben den Willen, Musik zu machen, die aus unserem aktuellen Befinden heraus entsteht. Dabei ist früher Black Metal herausgekommen, und nun bei "Angst" eben nicht, wobei immer noch Black Metal Elemente vorhanden sind. Die Welt dreht sich weiter, und wir gehen ja nicht mit dem Vorsatz ans komponieren, einen bestimmten Musikstil erreichen zu wollen; sondern machen das, worauf wir Lust haben und was dabei herauskommt, ist dann eben TODTGELICHTER. Ich habe in früheren Interviews immer wieder gesagt, TODTGELICHTER ist die musikalische Schnittmenge unserer gemeinsamen aktuellen Vorlieben und daran hat sich nichts geändert. Das unterscheidet uns letztendlich auch von anderen. Wir klingen wie wir und wie sonst niemand. Und ja, mir ist bewusst, wie ausgelutscht diese Phrase ist. Deswegen rate ich jedem: Hört es euch einfach an, macht euch selber ein Bild.
Ist es euch denn überhaupt wichtig, euch zu unterscheiden oder macht ihr die Musik mehr aus einem eigenem Bedürfnis heraus und zur eigenen 'Befriedigung'?
Auch hier wieder: Beides. Da vieles bereits mit der letzten Antwort beantwortet wurde, lass es mich mal so formulieren: Wir machen in erster Linie Musik, die wir hören möchten und die uns gefällt. Dass es uns gelungen ist, uns dabei von anderen abzuheben, ist ein grosses Glück und freut uns. Darauf angelegt haben wir es allerdings nicht, es ist einfach so. Ich denke, würde man es konkret darauf anlegen, anders zu sein als alle anderen, lässt man sich auch schon wieder beeinflussen - nämlich etwas NICHT so zu machen wie andere. Daraus kann auch nur wieder etwas Konstruiertes entstehen. Wir folgen einfach nur unserem Bauchgefühl, deshalb sind wir auch authentisch.
Ihr seid ja nun schon recht erfolgreich, ich stelle die Frage trotzdem: Was bedeutet 'Underground' für euch? Seht ihr TODTGELICHTER noch darin?
Uh, gemeine Frage, haha. "Underground" bedeutet für mich eigentlich Fannähe, Authentizität, dass man immer noch mal in kleinen Clubs spielt, den Geist des Metals nicht verliert. Diese Punkte möchten wir uns immer bewahren, egal wo wir jetzt unterschreiben und wie "erfolgreich" (was auch immer das bedeuten mag) wir werden sollten. Was auch immer passiert, wir sind alle sehr verwurzelte und bodenständige Menschen, und dieses letzte Bisschen "Underground" würden wir auch als Headliner nach Wacken mitnehmen, verstehste? - Man darf ja noch mal träumen.
Ich komme darauf, da ihr ja nun zum grösseren Label Aural Music/Code 666 gewechselt habt. Wie kam es dazu und warum habt ihr überhaupt gewechselt?
Nun, der Vertrag mit Folter lief gerade aus. Also haben wir uns schlicht und einfach bei verschiedenen ausgesuchten Labels, deren Arbeit wir schätzen, beworben. Code666 waren begeistert, haben sich einen Tag später gemeldet und mit ihrem Angebot auch die anderen Labels letztendlich ausgestochen. Mit Folter haben wir uns auch nicht verzankt oder so, ganz im Gegenteil, wir sind uns dankbar dass sie uns mit den letzten beiden Alben den Rücken gestärkt haben. Es ist nur so das wir mit "Angst" in musikalischer wie in geschäftlicher Hinsicht einfach Ziele gesteckt hatten, die von denen Folter Records abwichen; wir wollen da einfach in verschiedene Richtungen. Ist aber auch okay, für beide Seiten.
Dann ist ja auch alles in Ordnung, hehe. Machten Labelkollegen die Entscheidung attraktiver? Ich denke da speziell an Negura Bunget.
Selbstverständlich hat Code666 super Bands hervorgebracht, neben den erwähnten NEGURA BUNGET auch noch ABORYM, DIABOLICUM, ATROX, EPHEL DUATH und mehr. Alles Bands, die - zumindest sehe ich das so - unkonventionellen Metal machen oder gemacht haben, Bands, die neue Wege gehen und sich nicht einschränken lassen. Wenn man sich unseren Werdegang ansieht würde ich sagen, dass wir daher gut ins Rooster passen. Wir fühlen uns in der illustren Gesellschaft jedenfalls absolut wohl, und auch wenn diese Bands teilweise nicht mehr dabei sind, gibt es dort auch aktuelles was beeindruckt - ENID kommen mit einem neuen Album raus, und die aktuelle BLUTMOND sollte man sich definitiv auch anhören, ein grossartiges Album. Mit Mitgliedern beider Bands verbindet uns übrigens auch freundschaftlicher Kontakt, von daher stimmt auch die Gesellschaft, haha.
Ist dieser Wechsel ein natürlicher Wachstumsvorgang der "grösser" werdenden Todtgelichter oder eher eine einschneidende Veränderung?
Beides. Irgendwann kommt man halt an einen Punkt wo man aus eigener Kraft nicht mehr weiter kommt. Folter Rec. sind auf dem Gebiet, was sie sich abgesteckt haben, gut, keine Frage. Code666 haben allerdings bessere Möglichkeiten. Natürlich hoffen wir dadurch auch, "grösser" zu werden. Eine Gelegenheit hat sich geboten, wir haben zugegriffen. Ich denke jede andere ernsthafte Band mit auch nur einem kleinen Funken Ehrgeiz hätte dasselbe getan. Wir sind ja nun nicht erst seit gestern dabei, haben von Anfang an alles was wir gemacht haben mit harter Arbeit und Herzblut getan, und wir sind auch einfach an einem Punkt, wo wir uns sagen: Nein, wir wollen nicht immer nur hineinstecken; und ja, wir wollen Anerkennung für das, was wir tun. Es wird hundertprozentig Leute geben, die uns nun Kommerz und Ausverkauf vorwerfen, auch oder gerade wegen so einer Aussage wie der vorigen. Nur eins sollte dabei klar sein, ich weiss nicht wie viele Leute (ausser andere Bands in dieser Situation) sich vorstellen können, was es kostet, so ein Album aufzunehmen. Und von Labels kriegt man lange nicht alles wieder. Ich denke nicht, dass es verwerflich ist, Gelegenheiten zu nutzen, die es einem ermöglichen, zumindest die Kosten wieder hereinzuholen. DAS ist nämlich bei der unglaublichen Bandschwemme heutzutage alles andere als selbstverständlich. Um so also den Bogen zu deiner Frage zu schlagen: Wir halten das für einen Teil unseres Wachstumsprozesses und hoffen auf dieses "grösser werden", ja. Inwiefern das einschneidend wird, werden hoffentlich die Reaktionen auf "Angst" zeigen. Aber wachsen wollen wir - nicht zuletzt, weil wir dadurch immer besser und einfacher die Möglichkeiten haben, unsere Visionen umzusetzen. "Schemen" oder "Was Bleibt..." hätten mit anderen Möglichkeiten auch damals vielleicht schon anders klingen können, wer weiss das schon. Ich muss jedenfalls nicht krampfhaft im Untergrund bleiben, um authentisch zu sein. An erster Stelle steht bei uns immer noch die Musik, und ich denke das hört man auch heute noch.
Wem das alles nun nicht passt, oder wer meint, uns aufgrund der ersten, für das ganze Album wenig aussagekräftigen Samples verdammen zu müssen, hat uns schlicht und einfach nicht verstanden - wir sind keine Band für die "true" Elite, waren wir nie. Schau dir doch mal den Sprung zwischen "Was Bleibt..." und "Schemen" an, wer da nicht zumindest ahnt, dass das nächste Album wieder eine Weiterentwicklung bedeuten würde, dem ist nicht zu helfen... So, jetzt bin ich zwar sehr ausführlich geworden, aber ich denke jetzt kann niemand mehr sagen wir hätten nicht vorgewarnt, haha...
Findest du als Musiker die ganze Sache mit den Labels interessant/aufregend oder empfindest du es eher als lästig?
Nein, als lästig empfinde ich das nicht. Im Gegenteil, Labels sollen ja dafür da sein, sich um das Logistische, um PR, um also alles das zu kümmern, was uns Künstlern den Kopf zum Musizieren frei macht. Wenn ich mal an einem Punkt gewesen bin, wo ich denke dass mich dieses Kommunizieren nervt, muss ich mir nur vorstellen, wie die Situation ohne wäre; wenn wir das alles alleine machen müssten... DA hätte ich dann keinen Bock zu und die Musik würde darunter leiden. Es war schon heftig, mit "Angst" quasi alles alleine fertigzumachen, ohne Kostendeckung und ohne Sicherheit eines Labels im Rücken... Aber wir sind davon überzeugt, das Richtige getan und - vor allem - ein starkes Album abgeliefert zu haben. Und die Kommunikation mit Emi und Code666 läuft gut an, er ist für uns da und wir für ihn, da kann man wirklich nicht klagen bis jetzt. So war es auch mit Folter, muss man dazu sagen, und so stelle ich mir die Liebe auch vor - nicht dass man monatelang auf Antworten warten muss, oder die betreffende Person bei dem Label nicht zu erreichen ist. Da hatten wir bis jetzt Glück, daher sehe ich das ganze auch hauptsächlich positiv, ja.
Wenn wir schon gerade bei Labels sind: Wie stehst du zu Firmen wie Nuclear Blast? In Ordnung oder Ausverkauf? Ich tendiere angesichts des Immortal-Stramplers eher zu Zweiterem.
Wie bitte, IMMORTAL-Strampler, das ist nicht dein Ernst, oder? Das finde ich ziemlich lächerlich. Allerdings finde ich die Aufregung auch etwas überzogen. Man sollte sich ja letztendlich klar machen, das ab einer gewissen Grösse Labels vor allem zu einem da sind - Geld zu verdienen. Ich rede jetzt natürlich nicht von hingebungsvollen Untergrund-Labels, nur ab einem gewissen Grad fängt Geld nun mal an, eine Rolle zu spielen. Nuclear Blast haben auch mal im eigenen Wohnzimmer angefangen, als sie kein Schwein kannte - und gross geworden sind sie nun mal dadurch, dass die Leute mochten, was sie anboten. Ich meine, du kannst machen was du willst, wenn keiner deinen Kram haben will, kannst du auch nichts verkaufen... Was sagt das nun über IMMORTAL-Strampelanzüge aus? Das es Leute gibt, die so etwas haben wollen, und DAS ist doch eigentlich das Peinliche... Wer kauft das? Denn, machen wir uns nichts vor, irgend jemand muss das kaufen, sonst würde NB so etwas nicht herstellen. Also ich würde nicht NB verdammen, die sich letztendlich nur der Mechanismen der freien Marktwirtschaft bedienen, sondern schon eher die Leute, die Nachfrage nach so etwas erzeugen... Leute, outet euch! Schreibt uns, und wir machen TODTGELICHTER-Schnuller dazu.
Wie siehts denn bei euch aus: Würdet ihr bei derartigem Merchandise euer OK geben oder würdet ihr eure Zustimmung verweigern?
Ich denke bei den Stramplern würden wir eine Grenze ziehen... Ich für meinen Teil möchte nicht in der Lage sein, keinen Einfluss mehr auf das Merchandise zu haben, und ich könnte mir vorstellen, dass das gerade bei NB so ist. Muss einem halt klar sein wenn man den Vertrag unterschreibt. Bei Code666 HABEN wir Einfluss drauf, deswegen wird es die Strampler vorerst nicht geben, haha... ich weiss nicht, Damenreizunterwäsche mit Logo drauf, wäre das was? Was DIMMU BORGIR oder CARPATHIAN FOREST können, können wir auch... Aber ich denke wir bleiben vorerst bei den gängigen Produkten. Wenn es albern wird, würden wir es nicht machen, nein.
Und kurz vor Schluss eine Frage, die immer wieder gern stelle: Welche (Underground-)Bands könnt ihr den Schwermetall-Lesern ans Herz legen?
Definitiv MEMBARIS. Eine hart arbeitende Band, die für das, was sie abliefern, viel zu wenig Aufmerksamkeit bekommen. Gerade bei diesem Sumpf aus fünftklassigen KiZi-BM Bands, gegen den man sich heutzutage behaupten muss. Was das betrifft, checkt KRATEIN aus - Frederic’s Nebenprojekt, in dem auch viel Herzblut steckt. Die oben bereits erwähnten KERBENOK noch. ASMODI, die mit ihrem Debut endlich mal wieder im BM verwurzelten Pagan machen, fernab von Plastikhörnern und diesem fröhlichen Trendherumgedudel. DER WEG EINER FREIHEIT, die als junge Band mal eben den meisten BM-Bands in Deutschland gezeigt haben, wo der Hammer hängt. Und zu guter letzt alles, aber auch alles aus dem Bonner Zeitgeister-Kollektiv... KLABAUTAMANN, WOBURN HOUSE, ISLAND & VALBORG dürften die bekanntesten sein. Unglaubliche, magische Musik. Nicht immer metallisch, aber immer grossartig.
Die letzten Worte gebühren euch! Danke für das Interview!
Danke dir ebenfalls, sehr interessante Fragen! Letzte Worte gibt es nicht, da ich einfach mal davon ausgehe, dass man bald wieder von uns hören wird. Deswegen sage ich nur: Bis bald! Besucht uns auf:
www.todtgelichter.de
www.myspace.com/Todtgelichter
Todtgelichter - Auf zu neuen Ufern
- Details
- Geschrieben von ralf
- Kategorie: Interview
- Zugriffe: 7747