Wenn man an Süddeutschland denkt, kommen einem doch Bilder von warmen Sonnentagen und ländlicher Gemütlichkeit ins Gedächtnis. Und genau aus diesen Landen lärmen Lyfthrasyr, die so gar nicht zum eitel Sonnenschein passen mögen. Aufgrund einiger zeitlicher Probleme auf beiden Seiten gibt's das Protokoll erst ein paar Tage später, aber sei's drum. Und in diesen Tagen brachten sie zudem ihre neue Langrille raus - Grund genug, einen netten Plausch mit den Karlsruher Düsterheimern zu halten.
Ahoi! Wie gehts euch? Erstmal herzlichen Glückwunsch zu "The Recent Foresight"...
Aggreash: Vielen Dank! Die letzte Zeit war recht stressig mit Aufnahmen, Produktion und direkt anschliessender Tour, aber inzwischen siehts wieder etwas besser aus.
Eure beiden Langspieler unterscheiden sich ziemlich stark. Warum diese Veränderung?
Aggreash: Zum einen wusste ich genau, was mir selbst an "The Final Resurrection" nicht so gut gefiel und wollte das ändern und zum anderen war es eine natürliche Weiterentwicklung, da sich meine Einflussbereiche in den vergangenen zwei Jahren doch recht stark geändert haben. Neu hinzugekommen sind vor allem Rammstein mit ihren straighten Arrangements und sehr modernen, elektronischen Keyboards sowie ein verstärkter Einfluss der Filmmusik, der vor allem bei den klassisch orientierten Parts vorhanden ist. Des Weiteren wollten wir aber auch keine Kopie oder einen "zu erwartenden" Nachfolger des ersten Albums aufnehmen. Das mag jetzt vielleicht etwas danach klingen, als würde mir "The Final Resurrection" selbst nicht mehr gefallen, dem ist aber absolut nicht so, im Gegenteil, denn die meisten Lyfthrasyr-Merkmale sind geblieben: Das stets präsente, prägnante Klavier, viele Breaks sowie recht häufige Wechsel zwischen ruhigen, atmosphärischen und schnellen, aggressiven Parts.
Die neue Platte kann ja schon seit einiger Zeit auf euren Konzerten erworben werden. Wieso habt ihr "...Foresight" nicht schon ab dem Vorverkaufsdatum offiziell verkauft?
Aggreash: Im Grunde genommen war es eine Art Kompromiss, der vor allem dadurch zustande kam, dass auf der gerade stattgefundenen Tour kein einziges Konzert in Deutschland dabei war: Hätten wir da auf den Vorabverkauf des neuen Albums verzichtet, wäre uns einiges an Promotion in den betourten Ländern um Deutschland herum verloren gegangen, denn Konzerte sind sicher mit die beste Eigenwerbung und es wäre bescheuert, wenn man eine neue CD in der Hinterhand hat und sie bei dieser Gelegenheit nicht auch gleich anbietet. Hätten wir das neue Album aber auch gleich in Deutschland mit angeboten, wäre uns der Promotion-Effekt über die Magazine etwas entgangen, also die Vorfreude auf ein neues Album, über das man zwar bereits in den Zeitungen oder im Internet lesen und Hörproben antesten kann, bis zum offiziellen Release aber noch ein paar Tage warten muss und sich darauf freuen kann. Optimal wäre es gewesen, wenn die Tour direkt im Anschluss an die Promotion zeitgleich mit der Veröffentlichung der neuen CD stattgefunden hätte, aber so was kann man sich als Nicht-Headliner natürlich nicht aussuchen und wir waren mehr als glücklich über ein solches Tourangebot.
Ihr seid ja nun im Prinzip frisch aus dem Tourbus gefallen. Wie verlief die Tour mit Kataklysm und Behemoth? Wie schätzt du die Publikumsreaktionen ein?
Aggreash: Es war grossartig! Die meisten Clubs waren ausverkauft und es war insgesamt für alle eine sehr erfolgreiche Tour. Wir selbst hatten natürlich einen schweren Stand als erste Band auf unserer ersten Tour, stilistisch nicht so ganz passend, in den meisten Ländern völlig unbekannt und mit so gestandenen Live-Bands nach uns, aber dennoch sind wir zufrieden, denn den meisten Leuten haben unsere Auftritte ganz offensichtlich gut gefallen. Der einzige Wermutstropfen war das völlige Fehlen von Konzerten in Deutschland, was wir versuchen werden, im kommenden Frühjahr auf einer weiteren Tour mit möglichst vielen Deutschland-Konzerten nachzuholen.
Ich sah euch ja bereits auf dem Barther Metal Open Air 2006. Sahst du dies als einen problematischen Auftritt und wenn ja, wie gehst du mit solchen Situationen um?
Aggreash: Ich schätze, Du spielst dabei auf die Tageszeit an, nämlich den frühen Nachmittag unter vollster Sonnenbestrahlung, und dass wir als erste Band des Tages spielen durften/mussten. Letztendlich habe ich gegen beides nichts, denn jede Band fängt klein an und muss mit solchen "Problemen" zurecht kommen. 2006 war unsere erste Festivalsaison und das Billing des Barther Metal Open Airs las sich wirklich gut, insofern ging das auf jeden Fall in Ordnung und ich bin mir sicher, wir haben das Beste daraus gemacht. Natürlich kann man bei diesen Gegebenheiten nicht die gewollte düstere Atmosphäre erzeugen, aber auch als Black Metal Band muss man manchmal mit der Sonne auskommen können...
Werden sich Lyfthrasyr nun eher in Richtung der "...Resurrection..." oder "...Foresight" entwickeln?
Aggreash: Eine gute Frage, die ich ganz eindeutig mit einem "Keine Ahnung" beantworte. Am wahrscheinlichsten wird es eine Mischung aus beidem mit einer gewissen Tendenz zu "The Recent Foresight", wobei mit Sicherheit erneut diverse andere, neue Einflüsse eine gewichtige Rolle spielen werden, die ich im momentanen Stadium vermutlich teils selbst noch nicht mal kenne.
Ich habe mich mal mit euren Texten beschäftigt. Diese sind natürlich auf den ersten Blick sehr schwierig zu verstehen. Steckt eine bestimmte Aussage dahinter? Woher nimmst du/ihr die Inspiration?
Aggreash: Die Texte so schwer verständlich zu gestalten, war durchaus so gewollt. Aber eines nach dem anderen: Das Leitthema, das sich durch alle Songs zieht, ist gleichzeitig auch der Albumtitel, nämlich der moderne Blick in die Zukunft mit allen Problemen und Visionen unserer Zeit. Tatsächlich aber sind diese Grundgedanken nichts Neues, wenn man gerade die Probleme etwas abstrakter betrachtet, denn das führt einen zurück auf menschliche Charakterschwächen wie Selbstsucht oder Übermotiviertheit auf der einen und Gleichgültigkeit oder Unmotiviertheit auf der anderen Seite, die zu diesen Problemen führen. Da diese Schwächen aber nicht speziell an unsere Zeit gebunden sind, sondern eher zeitlos sind, ist es auch durchaus denkbar, heutige Probleme zu lösen, indem man – wie auch früher schon deklariert wurde – an sich selbst arbeitet und nicht nur versucht, kontraproduktiv in irgendeine Richtung "drauflos" zu arbeiten. Das ist, kurz umrissen, die Kernaussage. Um allerdings auch aufzuzeigen, wie schwierig es ist, das für sich selbst einzusehen und zu entdecken, sind die Texte in sich etwas schwammig und verschleiert formuliert. Ich arbeite dabei gerne mit gezielten Widersprüchen oder sich selbst relativierenden und nicht selten eher unklaren Aussagen. Die einzige Ausnahme bildet dabei der letzte Song "Perception never expected", der sowohl musikalisch als auch textlich ohne viel Drumherum auf den Punkt kommt und eine Art Resümee bildet, wie man ein Mass zwischen diesen Schwächen finden kann.
Ihr bezeichnet eure Musik ja selbst als "Neue Generation des Melodic Black/Dark Metal". Wie kommst du darauf?
Aggreash: Viele Black Metal Bands haben einen Hang zur "Old School", sei es kompositions- oder produktionstechnisch. Gerade momentan kommt diese Eigenschaft wieder immer mehr in Mode. Wir wollen dazu eher eine Gegenbewegung bilden und versuchen, einerseits mit ziemlich direkten Kompositionen, in denen experimentelle Elemente wie zum Beispiel speziell im Keyboard eine grosse Rolle spielen und andererseits in der aggressiven und recht kalten Produktion etwas sehr Modernes und an einigen Stellen vielleicht auch Innovatives zu erschaffen.
Die obligatorischen letzten Worte gehören dir.
Aggreash: Vielen Dank für das Interview. The Recent Foresight erscheint am 30. November, also hört mal rein und wir freuen uns darauf, hoffentlich bald wieder in der Schweiz zu spielen!
In diesem Sinne ein herzliches Dankeschön für deine Antworten & viel Erfolg in der Zukunft!
Aggreash: Danke, ebenso! Und sorry dafür, dass die Beantwortung so lange gedauert hat...