Da denkt unsere werte Wirtschaftsmanagerelite, sie würde
mit trendy Ausdrücken wie "train the trainer" oder "Kaskadenprinzip" wieder
einmal etwas ganz besonderes hervorgebracht haben, mal abgesehen vom
kostensparenden Effekt, der dadurch erzielt wird. Weit gefehlt, denn die
polnische Musikszene scheint dieses Verfahren schon lange einzusetzen, mangels
Alternativen allerdings. Und so muss die technische Fertigkeit junger Musiker
aus Polen wohl eher als "Erbgut" anstatt "die Früchte einer jahrelangen,
intensiven Ausbildung" bezeichnet werden. Wie das funktioniert, was man sonst
noch alles über Sceptic wissen sollte und warum es morgens kein Leben vor dem
ersten Kaffee gibt, das erzählt Euch nun Jacek, der Gitarrist von Sceptic.
Kannst Du uns eine kurze Bio abgeben? Sceptic ist ja keine sehr alte Band. Das
erste Album ist 1999 herausgekommen, nicht wahr?
Jacek: Also eigentlich bestehen wir schon seit 1994, also ungefähr 7 Jahre lang,
haha (ups, den Journalistenpreis gibt's für diese Recherche aber auch nicht,
Herr D. aus B.). Aber wir haben lange gebraucht, bis man Notiz von uns genommen
hat. Wir haben 4 Demos aufgenommen, das erste im Jahre 1996. Beim letzten Demo
haben Massive Management Interesse an uns gezeigt. Also unterschrieben wir einen
Vertrag mit ihnen. Das erste Album wurde über Mystic Productions veröffentlicht,
aber leider nur in Polen. Das neue Album wird auch ausserhalb Polens erhältlich
sein, in Amerika über Pavement und in Europa über Last Episode. Vielleicht wird
es sogar in Japan herauskommen, aber das ist noch nicht sicher.
Innerhalb der letzten zwei drei Jahre hat man ja bei uns einige neue Bands
aus Deinem Heimatland kennenlernen können, und somit schauen die Leute auch
immer mehr auf Polen als Herkunftsland für neue, hoffnungsvolle Acts. Glaubst
Du, dass es heutzutage für polnische Bands einfacher geworden ist, den
Durchbruch zu schaffen?
Jacek: Vielleicht. Ich hoffe es jedenfalls, denn man hat es als junge Band in
Polen ziemlich schwer. Erstens ist es sehr teuer, sich hier Equipment zu
beschaffen. Aber auch die Proberäume sind kostspielig, mal abgesehen davon, dass
es nur wenige Leute gibt, die ihre Garagen oder was auch immer als Proberäume
zur Verfügung stellen. Wir haben zudem sehr viele Bands in Polen, andererseits
aber kaum Managements oder Labels.
Ihr scheint trotzdem eine Menge talentierter Musiker zu haben. Wo lernen denn
die Leute, ihre Instrumente zu beherrschen? Gibt es irgendwelche schulischen
Einrichtungen, die Ihr in Anspruch nehmen könnt?
Jacek: Ich habe mit ein paar Unterrichtsstunden bei einem Freund von mir
angefangen, der ebenfalls in einer Death Metal Band spielt. Danach nahm ich ein
paar Stunden bei einem der besten Gitarristen Polens. Das waren zwar nur drei
Lektionen, aber sie haben mir persönlich sehr viel gebracht. Im Moment
unterrichte ich übrigens drei andere Gitarristen, sehr junge Leute, die gerade
anfangen.
Funktioniert denn das so, dass die erfahrenen Gitarristen die Neulinge
anlernen, da es ansonsten nicht viele Alternativen gibt?
Jacek: Ja. Du gehst zu einem Konzert, und wenn Du einen Gitarristen siehst,
dessen Stil Dir besonders gut gefällt, gehst Du zu ihm und fragst ihn, ob er Dir
nicht etwas zeigen könne. In Krakov, dort wo ich wohne, gibt es schon eine
Musikschule, aber die lehren nur Jazz. Ausserdem ist es sehr teuer.
Sehr viele Bands aus Polen spielen Death Metal, weniger Gothic Metal oder
ähnlich Stilarten. Denkst Du, dass das daher kommt, dass Bands wie
beispielsweise Vader, die es geschafft haben, als Vorbilder dienen? Dass die
jungen Bands also quasi denken, dass sie es vor allem mit Death Metal schaffen
könnten?
Jacek: Ich persönlich denke, dass es vor allem mit dem nicht sehr einfachen
Leben in Polen zu tun hat, mit dem Land, mit den Realitäten dort, mit der
Politik usw. Ich glaube, dass die jungen Leute ihren Unmut und ihren Zorn
hinausschreien wollen, und ich denke, dass Death Metal die ideale Form von
Metalmusik dafür ist. Vielleicht ist es eine ähnliche Bewegung wie damals die
Punkszene in England. Es gibt ja die Behauptung, Death Metal würde Gewalt
erzeugen. Aber das ist natürlich nicht wahr. Es ist viel mehr ein Weg, sich von
den Aggressionen zu befreien.
Ihr nennt Euch selbst Sceptic, was nicht unbedingt ein typischer Name für
eine Death Metal Band ist. Gibt es hinter diesem Namen eine tiefere Bedeutung?
Jacek: Als wir 1994 angefangen haben, hiess die Band noch Tormentor. Aber diesen
Namen haben wir eh nur zu "Uebungszwecken" benutzt, da wir ja auch wussten, dass
es viele Bands gibt, die diesen bereits tragen. Also kam irgendwann der
Zeitpunkt, einen neuen Namen zu wählen, welcher kurz und einprägsam sein sollte.
Unser Drummer Maciek schlug Sceptic vor, und den haben wir dann auch genommen.
Aber eine tiefere Bedeutung hat er für uns nicht.
Die Vocals von Michal sind nicht unbedingt typisch für eine Death Metal Band,
da er eigentlich nicht growlt sondern er krächzt. Wolltet Ihr das so haben oder
kann er es einfach nicht anders?
Jacek: Ich weiss nicht, ob Du unser altes Album kennst, aber darauf gab es
bedeutend mehr Growls zu hören als auf dem aktuellen. Wir sind alle grosse Fans
von Death oder Pestilence, und deren Vocals sind ein wenig "höher" als typische
Death Growls. Sowas wollten wir auch haben.
Ich habe ein paar Fotos von Dir gesehen, auf denen Du ein T-Shirt des Albums
Spheres von Pestilence trägst, eine Platte, die auch zu meinen persönlichen
Classics gehört. Dieses Album wurde damals aber nicht besonders gut aufgenommen.
Die Leute mochten es nicht. Ich denke, Spheres ist sogar einer der Gründe
gewesen, dass es mit der Band zu Ende gegangen ist.
Jacek: Ja. Nach der Veröffentlichung von Spheres bin ich in einen Metalshop in
Krakov gegangen und hörte zufälligerweise das Gespräch zweier Metalfans mit. Das
ging ungefähr so. "Hast Du die neue Pestilence schon gehört?" - "Ja, das ist die
totale Scheisse, die spielen ja Jazz!" Ich denke, die Leute haben dieses Album
einfach nicht verstanden.
Vielleicht ist Spheres auch nur ein paar Jahre zu früh herausgekommen. Da
waren Pestilence ihrer Zeit wohl etwas voraus. Aber zurück zu Eurem Album. Ein
auffälliger Song auf Pathetic Being ist Ancient Portal, der zum Schluss brutal
schnell ausfadet.
Jacek: Ja, das beruht auf einem Missverständnis mit dem Produzenten, haha. Ich
sagte ihm eigentlich, er solle den Song so lange wie möglich ausfaden lassen.
Aber er hat wohl "so kurz wie möglich" verstanden. Und daraus ist dann dieses "schwuuups"
geworden.
Wie würdest Du denn persönlich Eure Entwicklung von Blind Existance zu
Pathetic Being umschreiben?
Jacek: Musikalisch haben wir uns wohl nicht sehr stark verändert. Es ist auch
nicht ganz einfach für mich, dies objektiv zu beurteilen. Einige Leute haben mir
gesagt, dass das zweite Album nicht mehr ganz so stark an Death erinnert wie das
erste. Das zweite Album haben wir zwar im gleichen Studio aber mit einem anderen
Produzenten aufgenommen. Zudem war das bereits unser zweiter Studioaufenthalt,
und wir wussten, was uns dort erwarten würde. Als ich das erste Album einspielen
wollte, meine der damalige Produzent, dass mein Equipment nicht geeignet dafür
wäre, also hat er mir anderes besorgt, und ich denke heute, dass das keine sehr
gute Idee war. Für Pathetic Being habe ich mir nicht mehr reinreden lassen und
mein eigenes benutzt, und es scheint so, als würde es sich sogar sehr gut
eignen.
Da Eure Musik doch stark technisch orientiert ist, stellt sich natürlich die
Frage, ob diese alleine von den Gitarristen geschrieben wird?
Jacek: Ich bin eigentlich der Hauptsongwriter, schreibe aber nur die
Gitarrenparts, welche ich dann auf Tape aufnehme und unserem Drummer Maciek und
dem Basser Pawel weitergebe, die dann wiederum ihre Lines dazu komponieren. Bei
den Proben stimmen wir uns dann zusammen ab und entscheiden, wie wir einen Song
schlussendlich gestalten wollen.
Du spielst neben Sceptic auch noch bei zwei weiteren Death Metal Bands,
Decapitated und Dies Irae. Hattest Du nie Lust, mal etwas anderes als Death
Metal zu machen?
Jacek: Dazu muss ich sagen, dass ich mittlerweile bei Decapitated ausgestiegen
bin, denn sie wollten, dass ich sie im Juli auf die Tour in die Vereinigten
Staaten begleite. Aber mein Kind wird dann geboren, und daher möchte ich zur
Zeit nicht weggehen. Ich habe ohnehin eine Menge mit Sceptic und Dies Irae zu
tun, und somit hätte ich unter Umständen sowieso keine Zeit mehr für Decapitated
gehabt. Um zu Deiner Frage zurückzukommen. Heute höre ich sehr viel mehr andere
Musik, Pink Floyd, Dream Theater oder Queen beispielsweise. Ich würde sehr gerne
probieren, auch diese Art von Musik zu spielen, aber wie gesagt, ich habe
momentan schlichtweg keine Zeit dafür.
Was ist wichtiger für Dich? Kaffee am Morgen oder Bier am Abend?
Jacek: Höhö. Kaffee am Morgen, glaube ich. Ich gehe zwar gerne mal aus, brauche
das aber nicht jeden Abend.
Wenn Du ein grässlich schlechter Gitarrist wärst, was würdest Du stattdessen
mit Deiner Freizeit anfangen?
Jacek: Ich habe mir ehrlich gesagt niemals Gedanken darüber gemacht. Ich wollte
schon immer Gitarre spielen. Aber ich werde darüber nachdenken, und wenn wir uns
wieder mal unterhalten, dann sag ich's Dir.
Sceptic - die Kinder des Kaskadenprinzips
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- Geschrieben von Skoddete
- Kategorie: Interview
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Da denkt unsere werte Wirtschaftsmanagerelite, sie würde mit trendy Ausdrücken wie "train the trainer" oder "Kaskadenprinzip" wieder einmal etwas ganz besonderes hervorgebracht haben, mal abgesehen vom kostensparenden Effekt, der dadurch erzielt wird...