Dachte doch der Tobias, er telefoniere gerade mit
Tschechien und verblüffte den Interviewer mit einer englischen Begrüssung. Der
sympathische Bassist von Night In Gales stellte aber schnell um, offensichtlich
mit der Absicht, den Gesprächspartner arbeitslos zu machen, denn bereits nach
den ersten beiden Antworten, die beinahe schon als Gesamtstatements bezeichnet
werden können, hatte der Gesprächsführer heftig damit zu tun, auf seinem
Notizblock die bereits geklärten Fragen auszukritzeln und nach irgendwelchen,
noch nicht geklärten Fakten über Night In Gales zu suchen. Daraus entwickelte
sich eine äusserst angenehme und längere Plauderei, welche die Finanzbuchhaltung
von Nuclear Blast (die tragen ja die Telefonkosten) wohl ins Schwitzen bringen
wird, denn so ein Anruf in die Schweiz ist nicht gerade billig. Zum Dank haben
wir dann auch noch ein Bild von der Nuclear Blast Webseite geklaut, weil wir auf
die Schnelle kein anderes von Night In Gales auftreiben konnten (dafür hast Du
den Firmennamen 3 x erwähnt, sie werden's Dir verzeihen - Anm. d. Red.). Lest
nun, was der Bassist so alles zu erzählen hatte. Tobias über Nailwork,
Vokalistentausch, den Drang, wieder live zu spielen und vieles mehr.
Tobias: Yes hello!
Wie hello? Sprichst Du Kein Deutsch?
Tobias: Doch, klar.
Du weisst schon, dass Du in die Schweiz telefonierst, oder?
Tobias: Schweiz? Aha! Ne, ich dachte Tschechien. Klar, dann sprechen wir
natürlich Deutsch.
Super. Mit dem neuen Album Nailwork habt Ihr Euch ein wenig von diesem
Göteborg-Touch gelöst. War das eher Zufall oder durchaus gewollt?
Tobias: Die gesamte Entwicklung war eigentlich schon gewollt. Man muss
allerdings dazu sagen, dass wir auch schon zuvor nicht unbedingt einen
bestimmten Stil verfolgt haben, sondern einfach Songs schrieben, die dann eben
in diese Schublade passten. Wir haben uns allerdings von Album zu Album
weiterentwickelt und uns auch immer ein Stückchen verändert. Dieses Mal ist der
Schritt ein wenig grösser und krasser ausgefallen. Wir wollten mit dem neuen
Album darstellen, dass wir auch moderne Songs schreiben können, die trotzdem zu
Night In Gales passen. Unser neues Album hebt sich sicherlich auch von den
anderen ab, da Björn, unser Sänger, wirklich hart an sich gearbeitet und viele
Chorus Lines clean eingesungen hat, was in dieser Form neu für ihn war. Die
Songs sind eigentlich nicht sehr verschieden zu den älteren. Aber wir merkten,
dass wir durch diese melodic Titel eigentlich nie dazu gekommen sind, mal
wirklich harte und fette Riffs zu spielen. Auf Nailwork sind hingegen sehr viele
davon zu hören, und die melodic Hooklines findet man dann erst später wieder,
beispielsweise im Chorus. Zusätzlich wollten wir nicht, dass man aus Nailwork
einen Song herauspicken kann, um das ganze Album zu beschreiben. Jeder Titel
kann für sich alleine stehen, passt dann aber doch innerhalb des Album zum
restlichen Material. Ich denke einfach, dass Nailwork ein wenig frischer als
unsere alten Platten klingt, was Dir natürlich jede Band sagt, wenn sie ein
neues Album herausbringt, klar. Wir haben uns von unserem alten Stil ein
bisschen gelöst, aber man erkennt trotzdem noch, dass wir das sind.
Oha, Du hast eigentlich alle Fragen, die ich Dir zum neuen Album stellen
wollte, schon beantwortet, und das mit einem einzigen Statement! Ok. Seit Eurer
letzten Platte sind etwa 1 1/2 Jahre vergangen. Früher seid Ihr schneller
gewesen mit dem Veröffentlichen. Habt Ihr eine Auszeit gebraucht?
Tobias: Ja, die haben wir wirklich gebraucht, um ein wenig Abstand zu allem zu
gewinnen, was sich natürlich auch im Songwriting niedergeschlagen hat, weil wir
früher, als wir ständig unterwegs waren, nur wenig Zeit hatten, um uns um die
Songs für die nächste CD zu kümmern. Das ging gleich zu Anfang so los, 1995 war
das. Wir spielten überall in Deutschland, wo man nur spielen kann. Danach haben
wir den Vertrag mit Nuclear Blast unterschrieben, und eine neue CD musste
aufgenommen werden. Auch wenn wir nur 4 oder 5 Tage in der Woche unterwegs
waren, so kamen wir nie so richtig aus dem Tour Rhythmus heraus. Das änderte
sich erst 1999, da in diesem Jahr livetechnisch relativ wenig für uns lief. Wir
beschränkten uns weitgehend darauf, das neue Album auszuarbeiten. Ende September
gingen wir dann ins Studio. Ob die 1 1/2 Jahre nun sehr schnell vergangen sind
oder eher nicht, kann ich eigentlich nicht direkt sagen, denn ich war in der
Zeit sehr beschäftigt, da ich noch mit einer anderen Band ein Album aufgenommen
habe, das allerdings erst dieses Jahr im Juli herauskommt. Der Hauptinput zu
unserer Musik kommt übrigens von Jens, unserem Leadgitarristen, der auch für
Nailwork das Muster gestrickt hatte, das wir dann im Studio nur noch
zusammensetzen mussten. Diese Auszeit hat uns aber auch wieder neue Energie
gegeben und ich glaube, dass wir mit Nailwork einen guten Start hatten.
Besonders aus Amerika bekommen wir äusserst gute Kritiken, sowohl von den
Promotern wie auch von den Interviewpartnern.
Ihr habt auf Nailwork den Song Black Velvet von Alannah Myles gecovert. Ich
hab nur gedacht: Mein Gott, die arme Frau! Wenn die das hört! Eine tolle
Interpretation, die Ihr da abgeliefert habt, aber auch eine sehr abgefahrene.
Wie seid Ihr auf die Idee gekommen, gerade diesen Titel zu nehmen?
Tobias: Diese Frage bekommen wir oft gestellt. Die Reaktionen auf diesen
Coversong sind überraschend positiv. Die meisten Leute finden ihn ziemlich cool.
Gestern habe ich mit einem Kanadier gesprochen, der aus der selben Stadt wie
Alannah Myles kommt. Dieser gab folgendes Statement ab, das ich auch oft
benutze. Alannah Myles würde wahrscheinlich die Augen verdrehen und sagen:
"Diese Jungs könnte man jetzt eigentlich guten Gewissens töten." Es ist
natürlich auch so, dass es nicht ganz einfach ist, einen Song zu finden, der
nicht schon mehrfach von einer Metalband gecovert wurde. Black Velvet war ja vor
etwa 10 Jahren mal ein richtiger Chartbreaker und hat in Deutschland sehr lange
Platz 1 belegt. Jens hat sich damals sogar diese Platte ins Regal gestellt. Die
wurde ihm geschenkt, soviel ich weiss (natürlich, sowas kaufen wir uns als
Metaller doch nicht, die haben wir alle geschenkt bekommen hehehe, Anm. d.
Red.). Jens hielt diesen Titel für ideal. Natürlich haben wir darauf geschaut,
dass dieser Song Night In Gales-like auf das Album kommt. Das Stück im Original
zu covern hätte wenig Sinn gemacht und wäre auch gar nicht möglich gewesen. So
ist das ein schöner Rumpler geworden und im Refrain merkt man dann sogar, dass
es sich dabei um Black Velvet handelt haha.
Auf der Platte hört man auch Euren Ex-Sänger Christian Müller. Die Trennung
von ihm scheint also nicht im Streit geendet zu haben, wie es aussieht.
Tobias: Als Nuclear Blast uns einen Vertag anboten, hatte Christian bereits
andere Zukunftspläne, die heute wieder ein wenig anders aussehen. Er singt
mittlerweile bei meiner anderen Band. Die Trennung ist also absolut
freundschaftlich über die Bühne gegangen. Christian hat uns schon früh gesagt,
dass wir, wenn wir grössere Ambitionen in Bezug auf Night In Gales hätten, einen
anderen Sänger suchen sollten, da er privat andere Pläne habe. Tja, und der
Björn hat damals in der Band gesungen, in der Christian heute singt. Heute ist
Christian wieder voll dabei in Sachen Metal. Ich möchte jetzt nicht beschwören,
dass es auch an seiner Partnerin gelegen hat, aber wenn jemand so sehr im Metal
verwurzelt ist wie Christian, dann kommt er nicht schnell davon los. Christian
war schon immer ein Metal Fan und hat eigentlich nie was anderes gehört. Auch
während der Zeit, in der er nicht bei uns gesungen hat, war er immer
interessiert daran zu erfahren, was wir gerade so machen. Bei All Scissors Smile
singt er etwa 40 % der Vocalparts.
Ihr habt ja sehr viel getourt und geltet auch als vorzügliche Liveband, die
dann eigentlich noch stärker herüberkommt als auf den Alben.
Tobias: Ja, wir sind definitiv eine Liveband. Das stellte übrigens früher auch
ein Problem für uns dar. Bei den ersten Platten waren wir im Studio sehr
verkrampft. Bei Syphlike schien das noch nicht so extrem, weil wir damals noch
sehr jungfräulich und unerfahren an die Sache herangegangen sind. Bei Towards
The Twilight sah das allerdings schon ganz anders aus, weil die Nervosität sehr
gross war, und das hat man uns auch angehört. Darum kann man wohl schon sagen,
dass Nailwork der Release ist, den wir als bestgelungenen bezeichnen würden,
nicht nur von der Produktion her, sondern auch vom spielerischen Standpunkt aus.
Ich will damit nichts entschuldigen. Wir sind einfach routinierter geworden und
haben viel dazu gelernt, was sich eben auch auf Nailwork ausgewirkt hat. Wir
wollten ein Album machen, das modern klingt und die Leute auch wieder für Night
In Gales begeistern kann, so wie es früher mal war, als wir noch regelmässig auf
Tour gingen.
Euer Gitarrenduo, Basten und Basten, sind das eigentlich Brüder?
Tobias: Ja, das sind Geschwister.
Sind denn schon irgendwelche Tourdaten bekannt?
Tobias: Ja, wir sind im Mai 3 Wochen auf Europatournee. Wir spielen in
Deutschland, Holland, Belgien, Frankreich, Oesterreich, Spanien, Italien und
auch in der Schweiz. Zusammen mit Gorgoroth, Old Man's Child und Krisiun
übrigens.
Mit Gorgoroth und Krisiun? Was für eine Mischung. Fühlt Ihr Euch wohl in
dieser Zusammenstellung?
Tobias: Ach das ist kein Problem. Ausserdem sind wir in letzer Zeit mit
Tourangeboten nicht gerade überhäuft worden. Wir wollten eben wieder live
unterwegs sein, das war das Wichtigste für uns.
Und die neue Platte von Gorgoroth ist ja auch nicht mehr so extrem. Ganz im
Gegensatz zu Krisiun, die spielen etwa doppelt so schnell wie ihr.
Tobias: Krisiun kenne ich eigentlich gar nicht. Ich hab nur gehört, das seien
super Techniker, die ihre Instrumente perfekt beherrschen. Auf Tour ist das
Wichtigste, dass es menschlich stimmt, denke ich mal. Ach ja, jetzt fällt mir
noch was zum Thema Coverversionen ein. Für die japanische Variante von Nailwork
haben wir auch noch Indians von Anthrax aufgenommen. Ich denke mal, dass dieser
Song später auf irgendeinem Sampler wie beispielsweise Death Is Just The
Beginning auch den europäischen Fans zugänglich gemacht wird.
Intruder werdet Ihr live auch spielen, oder?
Tobias: Nein, auf dieser Tour nicht.
Was? Willst Du mich .....? Das ist doch einer Eurer coolsten Songs!
Tobias: Wir legen bei den kommenden Liveauftritten den Schwerpunkt auf die neue
Scheibe.
Also kein Intruder ... (jetzt lass doch den armen Mann mit Deinem Intruder in
Ruh - Anm. d. Red.)
Tobias: Auf der kommen den Tour nicht. Wir haben halt leider nicht die Zeit,
alles zu spielen, was wir gerne spielen würden. Es wäre natürlich schon toll,
diese alten Titel zu bringen, weil die Reaktionen der Leute sehr viel stärker
sind als beim neuen Material. Wir werden aber sicher Black Velvet spielen.
Wahrscheinlich wechseln wir dann mit Indians ab, damit beide Coverversionen zum
Zuge kommen.
Night In Gales - schwarzer Samt und stürmische Nächte
- Details
- Geschrieben von Skoddete
- Kategorie: Interview
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Dachte doch der Tobias, er telefoniere gerade mit Tschechien und verblüffte den Interviewer mit einer englischen Begrüssung. Der sympathische Bassist von Night In Gales stellte aber schnell um...