Erst mal ein ganz grosses Dankeschön an Darkseed. Stefan
Hertrich hatte aufgrund einiger Missverständnisse grade mal 40 Minuten vor
Interviewbeginn erfahren, dass er uns anrufen sollte. Doch das schien absolut
kein Problem für ihn zu sein, und so konnte das Gespräch pünktlich über die
Bühne gehen. Flexibel, der Mann! Nach einigen begrüssenden Worten legte der
sympathische Münchner auch sofort los, um über die neusten Entwicklungen bei
Darkseed zu berichten.Mit Diving Into Darkness haben Darkseed einen ziemlich
guten Job hingelegt. In der Gothic Rock oder Gothic Metal Szene zu bestehen, und
das über Jahre, gelingt nicht mehr vielen Bands. Dafür ist auch diese Szene viel
zu kurzlebig geworden. Also war es natürlich interessant zu hören, wie die
ersten Reaktionen auf das neue Album waren, da Darkseed Scheiben schon seit
jeher für lange und detaillierte Reviews in den deutschen Magazinen gesorgt
haben. Intensive Auseinandersetzung mit dem Material einheimischer Bands oder
übertriebene Analytik bis ins kleinste Detail? Darkseed sehen das nicht so eng,
denn sie machen die Musik in erster Linie für die Fans und für sich selbst. Das
soll sich auch in Zukunft nicht ändern. Gut so.
Ihr habt 1992 Euer erstes Demo, Sharing The Grave, herausgebracht. Es war die
erste Produktion unter dem Namen Darkseed, wenn ich das richtig gelesen habe.
Der Titel dieses Demos hört sich doch noch sehr nach Death Metal an. Seid Ihr
früher mal so ein richtig wilder Haufen gewesen?
Stefan: Nun ja, die Musik von Darkseed war schon immer sehr melodiös geprägt.
Wir haben nie voll auf die Glocke gehauen. Unsere Musik entwickelte sich mit
unserem privaten Geschmack weiter. Früher haben wir uns diese schwedischen Death
Metal Bands angehört. Daher ging unsere Musik auch etwas in diese Richtung,
obwohl wir auch damals schon etwas Melodie reingebracht haben. Später kamen dann
diese Century Media Gothic Metal Bands wie Tiamat, Moonspell oder The Gathering,
und so wurden wir eben auch melodiöser. Heute sind wir zum Glück relativ frei
von solchen Einflüssen.
Was denkst Du eigentlich über die neueren Alben von Paradise Lost oder Tiamat?
Das ist ja immer ein bisschen eine Streitfrage.
Stefan: Das ist eine schwierige Sache. Es ist schon ok, Elektronikeinflüsse
einzubauen, aber ich finde, das kann man auch anders machen. Das Problem bei
Paradise Lost oder Tiamat ist, dass diese Gruppen irgendwie ihr Feeling dabei
verlieren. Ich habe überhaupt nichts gegen Bands, die Elektronik einbauen. Ich
fände unter anderen Umständen die Host von Paradise Lost wahrscheinlich auch
richtig gut, aber irgendwie ist es nicht mehr die emotionale Sache, wie sie es
früher mal war. Paradise Lost und Tiamat haben sich einfach komplett verändert.
Es gibt Gruppen, die mit elektronischen Einflüssen sehr gut umgehen können, weil
sie damit gross geworden sind, diese Art von Musik schon seit jeher machen und
sich dadurch auch in dieser Form ausdrücken können. Gruppen wie beispielsweise
Depeche Mode. Bei Paradise Lost oder Tiamat wirkt das Ganze einfach so
erzwungen.
Der Name Darkseed stammt von einem Pc Spiel, in die Ihr ja alle ein wenig
vernarrt seid. Was ist denn im Moment so angesagt bei Euch?
Stefan: Ich spiele am liebsten Aufbaustrategiespiele wie Age Of Kings, Pharao
oder Anno 1602, übrigens besonders gerne gegen andere Leute im Internet. Tommy
steht mehr auf Adventure Spiele.
Ihr habt Diving Into Darkness im hauseigenen Studio aufgenommen, dem Dark
Music Media. Steht das schon lange und wollt Ihr da auch andere Bands
produzieren?
Stefan: Vor etwa einem Jahr hat Tommy damit begonnen, sich eine Menge Equipment
zu kaufen. Da ich auch schon einiges an Ausrüstung hatte, beschlossen wir, die
ganze Sache professionell aufzuziehen und als erste, amtliche Produktion die
Darkseed CD dort zu machen. Es ist nicht unbedingt geplant, dort andere Bands zu
produzieren. Ich mein, ok, wenn jemand daran Interesse hätte, wär das absolut
kein Problem. Aber in erster Linie werden wir dort selbst neue Ideen
verwirklichen, die wohl in Richtung Film- oder Computerspielemusik gehen werden.
Dein Gesangsstil wurde in der Vergangenheit oft mit dem von Nick Holmes oder
James Hetfield verglichen. Das ist ja eigentlich nichts Schlimmes. Aber regst Du
Dich nicht manchmal darüber auf? Irgendwie spricht man Dir damit doch die
Eigenständigkeit als Vokalist ab, oder nicht?
Stefan: Ach das ist eigentlich ok. Mir fällt halt auf, dass gerade Bands wie
Darkseed oft stark kritisiert werden. Das ist jetzt aber nicht negativ gemeint.
Die Musik von Darkseed wird eben immer sehr genau beobachtet und analysiert.
Manchmal verstehe ich das aber nicht so ganz. Bei Diving Into Darkness werfen
uns einige Leute beispielsweise mangelnde Experimentierfreudigkeit vor, oder
auch, dass die Platte in der zweiten Hälfte etwas schwächer wird. Ich meine, das
trifft doch auch auf Alben vieler anderer Bands zu. Ich habe keine Ahnung, warum
man das wieder nur uns ankreidet. Dazu möchte ich aber auch sagen, dass ich als
Musiker natürlich unsere eigene Musik nicht so objektiv beurteilen kann wie ein
Hörer. Und wenn das die Leute so empfinden, wird's wohl auch so sein. Das ist
auch völlig in Ordnung. Damit habe ich echt kein Problem. Was jetzt Nick Holmes
und Paradise Lost betrifft. Klar, das mag schon stimmen. Aber ich finde auch,
dass gesangstechnisch alle Power, True, Death oder Black Metal Bands
untereinander ziemlich ähnlich klingen. Ich sehe diese Vergleiche mit Holmes und
Hetfield sowieso mehr als Kompliment und nicht als Vorwurf. Das sind
professionelle Sänger, und wenn ich halbwegs an die herankomme ... warum nicht?
Diving Into Darkness hat ja einige starke Stücke zu bieten. Seid Ihr denn
auch persönlich mit dem neuen Material zufrieden?
Stefan: Ja, ich persönlich fühle mich schon sehr wohl damit. Sicher, wenn es
nach mir gegangen wäre, wären die Stücke etwas abgefahrener geworden, gerade was
die Elektronik betrifft. Wir haben ja auch sehr viel Elektronik drin, die aber
sehr weit nach hinten gemischt wurde, weil die Fans noch ein wenig Probleme
haben, sich damit auseinanderzusetzen. Dass wir dadurch in den Magazinen weniger
gut abgeschnitten haben als wir vielleicht hätten abschneiden können, wenn wir
diese Elemente noch vermehrt oder lauter in die Musik eingebracht hätten, das
ist schon klar. Aber wir wollen den Fans halt auch geben, was sie von uns
erwarten und niemanden vor den Kopf stossen. Dennoch sind wir mit den Kritiken
sehr zufrieden. Sicher hätte das Album eigenständiger und experimentierfreudiger
werden können. Aber wir machen die Platten ja nicht für die Zeitschriften. Es
soll hauptsächlich den Fans und natürlich auch uns gefallen.
Wie Du schon gesagt hast. Auf Diving Into Darkness habt Ihr mit vielen
elektronischen Effekten gearbeitet. Bei der Frage nach Euren Einflüssen fallen
Namen von Depeche Mode bis Samael. Du hattest auch erwähnt, dass, wenn es nach
Dir gegangen wäre, mehr von diesen elektronischen Einflüssen auf Diving Into
Darkness zu hören wären. Fühlt Ihr Euch manchmal durch die Gothic Metal Schiene
etwas eingeschränkt?
Stefan: Sicherlich sind wir dadruch etwas eingeschränkt, besonders beim
Songwriting, da wir uns immer ein wenig Gedanken darüber machen müssen, ob sich
das Material für Darkseed eignet oder vielleicht doch zu krass ist.
Die Lyrics sind etwas düster, depressiv und hoffnunglsos. Du scheinst mir
aber kein depressiver oder hoffnungsloser Mensch zu sein.
Stefan: Nicht unbedingt. Was meinen Lebenswandel betrifft, sogar mit Sicherheit
nicht. Was jedoch meine Gedanken über die Welt, die Gesellschaft und die Zukunft
angeht, bin ich schon sehr negativ eingestellt.
Ihr habt Euch letztes Jahr von zwei Bandmitgliedern getrennt, von Rico und
von Willy Wurm, der Mann, der so seltsam heisst haha. Gab's einen speziellen
Anlass dafür?
Stefan: Ja, also .... es lag an seinem Namen haha. Nein, das war so. Willy und
Rico sind sehr gute Livemusiker, und es war für sie nicht sehr zufriedenstellend,
dass wir v.a. im letzten Jahr sehr wenig live gespielt hatten. Dadurch sank die
Motivation natürlich in den Keller. Es kamen auch keine Impulse mehr von den
Beiden. Also haben wir beschlossen, dass sich Willy und Rico eine andere Band
suchen, mit der sie mehr live spielen können. Darkseed ist eher eine
Experimentier- und Studioband. Natürlich sind wir gegen Liveauftritte nicht
abgeneigt, aber wir wollen in Zukunft dann doch lieber mit Gastmusiker arbeiten.
In der Bandgeschichte von Darkseed gab es einige Probleme durch
Besetzungswechsel und Defizite in Bezug auf die Promotion. Läuft es jetzt in
etwa so, wie Ihr Euch das vorstellt?
Stefan: Dazu kann ich eigentlich noch gar nicht viel sagen. Die Platte ist ja
erst seit eineinhalb Wochen draussen. Allerdings haben wir in den grossen
Magazinen dieses Mal echt gut abgeschnitten, was bei Darkseed nicht immer der
Fall war, besonders im Underground Bereich, weil man uns da immer gerne den
Vorwurf der Kommerzialisierung und der Trendverfolgung gemacht hat. Ich hätte
mir allerdings in Sachen Promotion schon mehr erhofft, aber weder im Metal
Hammer noch im Rock Hard war etwas zu finden.
Wobei man bemerken muss, dass Ihr Euch mittlerweile einen guten Namen gemacht
habt, was Euch sicherlich weiterhelfen wird. Zum Glück, muss man sagen.
Stefan: Trotzdem. Wir verkaufen in Japan doppelt soviele Alben wie in
Deutschland, was natürlich schon mit der Promotion zu tun hat. Wie sollen die
Leute auf unsere Songs aufmerksam werden, wenn nirgendwo eine Anzeige zu sehen
ist? Nuclear Blast hat mittlerweile einfach zu viele Bands. Wir akzeptieren und
verstehen das natürlich auch, aber wenn gar nichts passiert, habe ich schon Mühe
damit.
Was sind Eure nächsten Pläne?
Stefan: Nun gut, mal sehen, was jetzt passiert. Momentan sind einige Auftritte
in Planung. Ansonsten lassen wir uns überraschen.
Darkseed - kein Problem mit Vergleichen und Kritik
- Details
- Geschrieben von Skoddete
- Kategorie: Interview
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Erst mal ein ganz grosses Dankeschön an Darkseed. Stefan Hertrich hatte aufgrund einiger Missverständnisse grade mal 40 Minuten vor Interviewbeginn erfahren, dass er uns anrufen sollte...