Die Leute von Crematory waren ja auch nicht immer zu
beneiden. Zuckerbrot und Peitsche schien die Devise zu lauten, denn neben viel
Lob musste auch immer wieder mal eine kräftige Ladung Kritik eingesteckt werden.
Mit Early Years können die deutschen Gothic Metaller auf 7 Alben zurückblicken.
Eine Zahl, auf die man sicher stolz sein kann, denn nach 7 Veröffentlichungen in
ebensoviel Jahren noch mit der Spitze mithalten zu können, ist sicherlich nicht
selbstverständlich, zumal die Konkurrenz in diesem Bereich ständig wächst, was
es auch für eine etablierte Band nicht unbedingt einfach macht, weiterhin dabei
zu bleiben. Crematory haben sich eine treue Fangemeinschaft erspielen können,
was sicherlich das beste Gegenmittel gegen Kurzlebigkeit ist, und versuchten von
Album zu Album, ihre Musik weiterzuentwickeln, ohne dabei die ursprünglichen
Grundelemente ihres Stils, die sie einst gross gemacht haben, zu
vernachlässigen. Dadurch entstanden echte Klassiker wie Shadows Of Mine oder
Tears Of Time, die mittlerweile so ziemlich jeder kennen dürfte, sogar
diejenigen, die mit den deutschen Gothic Metallern rein gar nichts anfangen
können. Wer die Band in den letzten Monaten mal wieder live gesehen hat, konnte
sicherlich feststellen, dass Crematory auch nach diesen vielen Jahren nichts von
ihrer Spielfreude eingebüsst haben und stets versuchen, eine tolle Show
abzuliefern. Harald, der Bassist, erklärte sich auch sofort bereit, ein paar 'past
and present' Fragen für uns zu beantworten. Ein weiteres Sympathieplus der
Gothic Metaller. Sie nehmen sich für jeden Fan ausreichend Zeit und werden auch
nicht gleich muffig, wenn mal eine kritischere Frage gestellt wird. Doch nun,
lest selbst (kann ja keiner, wenn Du die ganze Zeit laberst - Anm. d. Red.).
Als Ihr 1993 Transmigration herausgebracht habt, gabt Ihr Euch ja noch ziemlich
brutal und beinahe schon Death Metal lastig, auch wenn Songs wie beispielsweise
Eyes Of Suffering schon einen gewissen Gothic Metal Anstrich aufwiesen. Gehörte
diese erste Platte zur allgemeinen Stilfindung oder sollte das Album einfach
hart genug ausfallen, um zur damaligen Zeit genügend Aufmerksamkeit zu bekommen?
Harald: Crematory war damals eine Death Metal Band. Das Demo war noch Death
Metal lastiger als die erste Platte. Trotzdem waren auch schon hier Keyboards
mit dabei. Das wurde so gut aufgenommen, dass klar war, dass wir auf jeden Fall
weiter mit Keyboards arbeiteten, da es auch unseren Geschmack wiederspiegelte
und es auf jeden Fall was Neues gegenüber den anderen Death Metal Bands war. Es
gab zu dieser Zeit auch keine andere Band außer Nocturnus, die das tat, und
Nocturnus setzten das Keyboard etwas anders ein als wir.
Ein Jahr später kam Just Dreaming raus, und da drauf war ein Song mit
deutschen Texten, der heute einer Eurer grössten Klassiker ist, Shadows Of Mine.
Mal davon abgesehen, war es 1994 ja nicht unbedingt üblich, Gothic Metal Songs
mit deutschen Lyrics zu verfassen. Wie entstand die Idee?
Harald: Der deutsche Text zu Shadows Of Mine ist eigentlich aus Zufall
entstanden, da Felix seine Texte immer erst auf Deutsch schreibt und sie dann
übersetzt. Als wir das Lied musikalisch soweit fertig hatten, war der Text noch
nicht übersetzt. Also hat Felix im Proberaum einfach mal den Song in Deutsch
gesungen. Das fanden wir richtig gut und haben es dann auch im Studio so
übernommen. Diese Idee kam richtig gut an, da bis dahin noch keine Gothic oder
Death Metal Band in Deutsch gesungen hatte.
Mit Illusions habt Ihr 1995 dann gleich noch einen weiteren Killersong
nachgeliefert, Tears Of Time. Was ist das für ein Gefühl, wenn man auf der Bühne
steht, einen dieser Klassiker anspielt und sich die Zuschauer vor der Bühne wie
auf Kommando in eine tobende Meute verwandeln?
Harald: Jedesmal, wenn wir Tears Of Time spielen, gehen die Leute voll ab, und
Felix müßte eigentlich gar nicht mehr singen, da die Fans den Text schon in- und
auswendig kennen. Das ist natürlich das Grösste für uns und der Grund, warum wir
überhaupt Musik machen. Dieses Gefühl kann man eigentlich gar nicht beschreiben,
denn jeder von uns spielt am liebsten live!
Ein Jahr später, 1996, kam das selbstbetitelte Album mit den rein deutschen
Lyrics. Es ist zwar absolut in Ordnung, wenn man diese Platte aufgrund der
Verkaufszahlen als Erfolg wertet. Aber gleichzeitig sollte man nicht vergessen,
dass Ihr dafür auch einiges an Kritik einstecken musstet. Nicht jeder Crematory
Fan der alten Tage konnte sich mit diesem Album anfreunden, trotz dem damaligen
Shadows Of Mine Titels, der wohl die Grundlage für solch eine Platte war. Oder
habt Ihr persönlich keine negativen Reaktionen auf diese Veröffentlichung
erhalten?
Harald: Dadurch, dass Shadows Of Mine so gut ankam und uns immer mehr Leute
ansprachen, mehr deutsche Songs zu schreiben, haben wir uns dann entschlossen,
ein komplettes Album in Deutsch zu machen. Dieses Album war auch als Dankeschön
an all unsere Fans gedacht, die uns trotz schlechter Kritiken immer unterstützt
haben. Sicher gab es nicht nur schlechte Kritiken von der Presse. Auch einige
Fans traten an uns heran und fragten, warum das deutsche Album so anders klang
wie die Vorgänger. Aber die Mehrheit der Fans beklagte eher den Scheiss, der vor
allem von den Presseleuten des Rock Hard dazu geschrieben wurde. Da wir diese CD
nicht als richtigen Nachfolger von Illusions sahen, dachten wir uns, dass wir
einfach mal etwas herumprobieren sollten, und dadurch ist das Album ein bisschen
langsamer und rockiger ausgefallen. Wir waren eben damals so drauf, und da wir
in musikalischer Hinsicht schon immer unseren eigenen Weg gegangen sind und
gehen werden, klingt das deutsche Album wie es klingt!
Nach der Live CD und dem dazugehörigen Video 1997 kam dann der Wechsel zu
Nuclear Blast. In dieser Zeit wurde in der Oeffentlichkeit viel schmutzige
Wäsche gewaschen, von allen Seiten her, wie ich fand. Es gab unglückliche
Statements von Massacre Records, aber auch viele Beschuldigungen seitens der
Band gegenüber der alten Plattenfirma. Wär ja nicht unbedingt nötig gewesen,
diese Diskussionen über die Medien zu führen, oder doch? Seither ist viel Zeit
verstrichen. Wie seht Ihr die Angelegenheit heute?
Harald: Sicherlich wurde damals viel gesagt, was nicht unbedingt nach außen
getragen hätten werden sollen, aber es ist wie immer. Eins ergibt das Andere,
und es wird nicht alles so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Wie man an der
Early Years CD Box sehen kann, sind diese Streitigkeiten schon lange beigelegt,
da sie auf Massacre Records herausgekommen ist und die Zusammenarbeit wunderbar
funktioniert hat.
Ebenfalls 1997 erschien dann Awake, nach meiner persönlichen Meinung das
schwächste Album von Crematory. Ich hatte den Eindruck, Ihr wusstet damals nicht
so recht, wo Ihr hin wolltet. Awake hat sich sicher gut verkauft und überzeugte
auch produktionstechnisch. Aber trotzdem kann ich dieser Scheibe damals wie
heute nicht viel abgewinnen. Wie bewertet Ihr Awake selbst?
Harald: Ich selbst würde nicht sagen, dass Awake unser schwächstes Album war. Es
hat sich sehr gut verkauft und über Geschmack läßt sich ja bekanntlich streiten.
Dass Du meinst, wir hätten nicht gewusst, wo wir hin wollten, liegt vielleicht
daran, dass wir auf diesem Album verstärkt mit Samples gearbeitet haben, was
auch für uns ein wenig Neuland war. Alles in allem haben wir eine Menge Zeit in
dieses Album investiert und sind damals wie heute sehr zufrieden mit der Awake
CD.
Als 1998 Lotte die Band verliess, fragten sich ja viele, wie es mit Crematory
weitergehen soll. Als ich dann plötzlich Matthias an der Gitarre auf der Bühne
stehen sah, wie er mit vollem Einsatz und unübersehbarer Spielfreude bei Euch
mitgemischt hat, war mir klar, dass sich diese Frage nicht mehr stellen würde.
Da habt Ihr echt einen Glücksgriff getan. Wie seid ihr zusammengekommen?
Harald: Sicher haben wir uns am Anfang die Frage gestellt, wie es ohne Lotte
weitergehen sollte, da er ja unser Hauptsongwriter war. Matthias kannten wir
schon länger. Er spielte bei Shit For Brain, einer sehr technischen Thrash Band.
Wir fragten ihn damals, ob er nicht die Tour spielen wolle, da Lotte sich ja
kurz vor der Tour am Arm verletzt hatte, und er willigte sofort ein. Als sich
dann die Wege von Crematory und Lotte trennten, lag es nahe, Matthias zu fragen,
ob er nicht fest bei uns einsteigen wolle. Er sagte begeistert zu, da es bei
Shit For Brain nicht mehr so lief und sie sich sowieso auflösen wollten. Für uns
war dieser Schritt sehr gut, da Matthias neuen Wind in die Band brachte und sich
voll am Songwriting zu Act Seven beteiligte.
Mit Act Seven sollte 1999 die alte Crematory Aera abgeschlossen werden, um
ein neues Kapitel in der Bandgeschichte aufzuschlagen. Awake und Act Seven
scheinen mir dennoch nicht so weit auseinanderzuliegen, auch wenn ich Act Seven
für ein sehr starkes Album halte, dass Awake um Längen schlägt. Wohin wird sich
Crematory musikalisch bewegen? Mehr cleane Vocals? Mehr Gothic Einflüsse?
Harald: Da ist sie wieder, die berühmte Frage. Sicher werden wir mit der neuen
Platte versuchen, eins drauf zu setzen. Ich glaube nicht, dass wir mehr cleane
Vocals einsetzen werden, da wir das ja auf der Act Seven schon ziemlich
ausgereizt haben. Vielleicht wird Matthias verstärkt Felix gesanglich
unterstützen! Sicher ist, dass auf der neue Scheibe mehr treibende Gitarren zu
hören sein werden, was natürlich nicht heißen soll, dass wir das Keyboard
vernachlässigen. Ich sage nur, laßt Euch überraschen.
Ende 1999 kam dann die Compilation Early Years, die ich zugegebenermassen
nicht besitze. Bei uns in der Schweiz kostet die CD rund 40 Franken. Das ist ca.
ein Drittel mehr als eine normale CD. Wenn jemand Eure Platten besitzt, gibt es
eigentlich keinen Anreiz, diese Scheibe zu kaufen. Klar, es hat Remixe und
Videoclips drauf. Aber trotzdem. Eigentlich ist es durchwegs bekanntes Material.
Für wen war dieses Album gedacht?
Harald: Massacre Records sind mit dem Vorschlag, ein Best of Album zu machen, an
uns herangetreten. Da wir aber nicht einfach nur eine Best of machen wollten,
kam uns die Idee, mal wieder ein wenig musikalisch herumzuprobieren und
entschlossen uns, eine alte Idee aufzugreifen. Wir fragten einfach einige DJ`s,
die wir kannten, unter anderem Bruno Kramm von Das Ich, ob Sie nicht Lust
hätten, unsere alten Songs zu remixen. Dies wurde dann auch in die Tat
umgesetzt. Das Ergebnis ist vielleicht nicht jedermanns Geschmack, aber es hat
eine Menge Spaß gemacht. Die CD Rom sollte die ganze Sache dann noch abrunden.
Bei uns wird diese Box zum Preis einer normalen CD verkauft. Das ist, denke ich,
für alle ein fairer Preis! Vor allem für DJ`s ist die Box eine feine Sache, da
Sie nur noch eine CD mit in die Clubs schleppen müssen, auf der unsere 'besten
Songs' drauf sind.
Crematory - Ehrlichkeit zahlt sich immer aus
- Details
- Geschrieben von Skoddete
- Kategorie: Interview
- Zugriffe: 7310
Die Leute von Crematory waren ja auch nicht immer zu beneiden. Zuckerbrot und Peitsche schien die Devise zu lauten, denn neben viel Lob musste auch immer wieder mal eine kräftige Ladung Kritik eingesteckt werden...