Nun treten die Crematorianer schon das 2. Mal innert 8
Monaten bei the renewal zum Interview an. Wie Ihr aus Euren Privatleben
sicherlich selbst wisst, kann es nur zwei Gründe dafür geben, wenn man in
kürzester Zeit ein 2. Mal bei der gleichen Stelle Rede und Antwort stehen muss.
Richtig. Entweder man hat ganz grossen Mist gebaut oder wirklich tolle Arbeit
abgeliefert. Wer das neue Album von Crematory schon gehört hat, weiss, dass
letzteres der Fall ist, und so meldet sich ein gutgelaunter Harald, seines
Zeichens Bassist bei Crematory, am anderen Ende der Telefonlinie zum abendlichen
Plausch. Im Hintergrund hat sich auch Markus, der Drummer, irgendwo
niedergelassen, um ein, zwei Mal die Aussagen seines Kollegen lautstark zu
ergänzen. Lautstark deshalb, weil so eine Stimme ja erst mal ein paar hundert
Kilometer durch die Leitung gejagt werden muss, zumal sie nicht direkt am
Telefonhörer hängt. Zum Schluss des Gespräches sind dann alle zufrieden, denn
man kommt überein, dass Believe Crematory in absoluter Höchstform zeigt, die
Presse auch nicht mehr so heftig wie früher an den Deutschen herumkritisiert und
Nüsse einfach Killer sind! Aber lest selbst.
Was mir an Believe sofort aufgefallen ist, ist diese gewisse Rauheit in
einigen der neuen Songs. Hat Euch jemand geärgert?
Harald: Also diese Rauheit kommt natürlich eindeutig von Matze, unserem
Gitarristen. Er hat sich auf diesem Album noch mehr verwirklichen können als auf
Act Seven, da er zu dieser Zeit noch nicht so lange mit dabei gewesen war und
das Zusammenspiel zwischen ihm und der Band noch ein wenig fehlte. Da wir
relativ viel Zeit gehabt haben, dieses Album zu machen, konnte er sich auch gut
einleben. Somit hatte er die Möglichkeit, in Bezug auf die Gitarrentechnik mehr
beizusteuern.
Er hat also offensichtlich seine alte Thrashader wiederentdeckt.
Harald: Genau, er ist eh der Thrasher in Sachen Gitarrenspiel, und dadurch, dass
er nun noch mehr davon einfliessen lassen konnte, hat sich diese Rauheit auch
auf die Produktion niedergeschlagen.
Auf Time For Tears seid Ihr sicher schon unzählige Male angesprochen worden.
Dabei handelt es sich um eine Coverversion Eures Klassikers Tears Of Time, den
Ihr einfach rückwärts und in anderer Tonlage neu eingespielt habt. Jetzt musste
ich mit Entsetzen lesen, dass Time For Tears eventuell live als "Ausweichsong"
zu Tears Of Time benutzt werden könnte. Soll das etwa heissen, dass man unter
Umständen auf ein Crematory Konzert geht und kein Tears Of Time mehr hört?
Harald: Also das glaube ich eigentlich nicht, da die Fans Tears Of Time immer
fordern werden und wir deswegen gar nicht drum herum kommen, diesen Song auch zu
spielen. Time For Tears ist ja bewusst gemacht worden. Das war einer der wenigen
Songs, bei dem wir gesagt haben, der muss jetzt genau SO klingen, da viele Fans
an uns herangetreten sind und gesagt haben: "Macht doch wieder mal einen Song in
Richtung Tears Of Time". Time For Tears hebt sich deswegen auch vom Rest der
Platte etwas ab, weil er eben fast genau so klingt wie Tears Of Time. Der
ähnliche Titel soll zeigen, dass diese Aehnlichkeit von uns auch gewollt war,
und dass wir keine Rockmusiker sind, die nur ihren eigenen Kopf durchsetzen, um
ihre musikalische Weiterentwicklung voranzutreiben, sondern auch ein bisschen
offen sind für die Wünsche der Fans. Darum haben wir uns hingesetzt und
versucht, bewusst dieses Tears Of Time zu covern. Es ist ja nicht so einfach,
sich selbst zu kopieren.
David Coverdale von Whitesnake hat ja mehrfach seine eigenen Stücke gecovert,
was ihm dann irgendwann den Spitznamen David Coverversion eingebracht hat. Aber
ihr habt dieses Cover auf eine sehr witzige Weise umgesetzt. Shadows Of Mine
werdet Ihr in Zukunft aber sicher auch noch spielen, oder?
Harald: Ja, ich denke schon. Gerade auf diese "alten" Hits kann man gar nicht
verzichten, da man damit die Fans enttäuschen würde, und das wollen wir nicht.
Believe zeigt Crematory von einer modernen aber auch weiterentwickelten
Seite. Awake und Act Seven waren vor allem auch Platten, bei denen ihr versucht
habt, neue Wege zu gehen und einige Dinge auszuprobieren. Bei Believe hatte ich
den Eindruck, dass die alten und die neuen Tage der Band miteinander
verschmelzen. Hat sich das einfach so ergeben oder was das geplant?
Harald: In erster Linie hat sich das schon einfach ergeben. Nach Awake hat uns
unser damaliger Hauptsongwriter Lotte verlassen. Daraufhin fragten wir Matze, ob
er bei uns spielen wolle. Aber erst mal war durch den Weggang von Lotte schon
ein Loch zurückgeblieben. Nach dem Ausstieg von Lotte mussten wir uns fragen,
wie es nun weiterginge. Einige Magazine hatten uns auch schon totgesagt. Also
sagten wir uns: "Nee, wir machen jetzt erst recht weiter, und wenn's geht, dann
sogar noch besser." Daraufhin hat sich Markus (drums - Anm. d. Red.) dazu
bereiterklärt, sich vermehrt am Songwriting zu beteiligen. Ein grosser Teil der
jetzigen Songs sind von ihm, und da er eben noch das Gefühl für die früheren
Platten hat, sind da sehr viele ältere Elemente mit eingeflossen.
Das hat mir auf Believe besonders gefallen. Es ist nicht so, dass Ihr sagt:
"Wir machen, was wir JETZT machen. Das was früher war, war auch nett, aber wir
machen sowas einfach nicht mehr."
Harald: Ja. Crematory ist Crematory, und das wird man auch in Zukunft immer
heraushören. Klar, es kommen immer neue Elemente dazu, aber ich denke, dass
gerade dieser alte Stil, wie man beispielsweise die Keyboards einsetzt, immer
typisch für Crematory sein wird.
Bei Awake und Act Seven gehen die Meinungen etwas auseinander. Ich persönlich
meine, dass Illusions das letzte ganz grosse Album von Crematory gewesen ist,
obwohl die beiden anderen auch nicht schlecht waren. Believe halte ich hingegen
wieder für ein echtes Highlight, aber das sieht ja jeder immer ein wenig anders.
Harald: Die Illusions ist sicherlich eine der stärksten Platten von uns, was
sich auch in den Verkaufszahlen niedergeschlagen hat. Es war daher auch eines
unserer Ziele, für die neue Platte wieder die richtige Mischung zu finden, neue
Elemente einzubringen und die alten wieder aufleben zu lassen.
Matze (guitars - Anm. d. Red) hat alle cleanen Vocals selbst eingesungen und
schreibt auch an den Songs mit. Wie Du erwähnt hast, haben Euch einige Magazine
nach dem Weggang von Lotte bereits totgesagt, da Lotte der Hauptsongwriter
gewesen ist. Hört man sich jetzt einige Jahre später Believe an, muss man den
Weggang von Lotte fast schon als Glück im Unglück bezeichnen, oder denkst Du,
dass Ihr Euch gleich weiterentwickelt hättet, wenn Lotte heute noch dabei wäre?
Harald: Das ist sicherlich eine gute Frage. Ich denke, dass wir nicht diese
Richtung eingeschlagen hätten, wenn Lotte heute noch mit dabei wäre. Dazu waren
die musikalischen Differenzen einfach zu gross. Gerade diese "Eingriffe" von
Matze machen Believe auch aus. Wie Du gesagt hast, es war schon irgendwie Glück
im Unglück.
Ich kann mich erinnern, als ich Matze zum 1. Mal auf der Bühne gesehen habe.
Das war die Tour, an der Lotte nicht teilnehmen konnte, weil er, soviel ich
weiss, eine Handverletzung hatte. Ich kam auf das Konzert, sah diesen
unbekannten Menschen auf der Bühne stehen und dachte: "Der hat doch früher
anders ausgesehen." Aber man hat sofort gemerkt, dass er das richtige Feeling
für Crematory hat und wie der Rest der Band alles gibt. Habt Ihr eigentlich noch
Kontakt zu Lotte?
Harald: Eigentlich kaum noch.
In der Vergangenheit seid Ihr von der Presse immer viel kritisiert worden,
und trotzdem liebt Euch Euer Publikum, und ich denke, dass das vor allem mit
Euren Liveauftritten zu tun hat. Ich habe Euch etwa 3 Mal gesehen, und jedesmal
war etwas nicht ok mit dem Sound. Entweder er war matschig oder schlecht
abgemischt oder sonstwas. Doch die Leute waren immer begeistert. Es liegt wohl
einfach an dem Enthusiasmus, den Ihr auf der Bühne rüberbringt. Sicherlich auch
an Eurer Fannähe. Was denkt Ihr? Warum macht Euch die Presse so gerne nieder
ganz im Gegensatz zu den Fans?
Harald: Wir sind einfach eine Band, die gerne live spielt. Ich denke, dass die
Leute an unseren Konzerten spüren, dass wir einfach Spass daran haben und all
unsere Power da hineinstecken. Wir gehen auch gerne vor oder nach dem Konzert zu
den Leuten hinaus, da wir diese Fannähe haben wollen. Wir sind keine Rockstars,
die nur ihre Show spielen und danach gleich wieder nach hinten verschwinden. Wir
haben auch nichts dagegen, wenn man uns sagt, dass etwas am Konzert scheisse war
oder den Leuten nicht so gefallen hat. Lieber positive, ehrlich gemeinte Kritik
als hintenrum geredet. Ich weiss nicht, woran es gelegen hat, dass wir gerade
mit den alten Platten gerne verrissen worden sind. Da müsste man die Leute
selber fragen. Ob gewisse Hefte etwas gegen deutsche Bands haben, oder ob wir
diesen Leuten von den Songs her zu einfach gestrickt waren ... ich weiss es
nicht. Das hat sich aber Gott sei dank bei Act Seven gelegt. Viele Leute haben
erkannt, dass in der Band wirklich Potential steckt. Sicherlich nimmt man von
der Presse gerne positive Kritiken entgegen. Aber es ist schlussendlich immer
besser, wenn man von der Presse verrissen wird und die Fans einen lieben anstatt
umgekehrt. Die Fans machen die Band zu dem, was sie ist, nicht die Hefte.
Vielleicht ist es auch etwas die Krankheit der Deutschen, dass sie "ihre
liebsten Kinder" gerne niedermachen. Das ist ja auch bei den Sportlern und
anderen Grössen so. Zuerst werden sie hochgejubelt und dann wieder
heruntergerissen. Die Schweizer sind da nicht so kritisch, wenn's um ihre Stars
geht. Steht denn der Albumtitel Believe auch ein wenig dafür, dass man an sich
selbst glauben soll und sein Ding durchziehen muss, um schlussendlich die
anderen davon überzeugen zu können, dass es richtig ist, was man tut?
Harald: Genau, deshalb haben wir diesen Plattentitel auch gewählt. Wir haben
nach Act Seven gesehen, dass wir auch ohne Lotte unser Ding durchziehen können,
und wenn man an das glaubt, was man macht, hat man auch Erfolg. Das ist nicht
nur in der Musik so, sondern auch im Privatleben. Felix (vocals - Anm. d. Red.)
hat diesen Titel auch ein wenig in seine Texte einfliessen lassen, indem er
persönliche Erlebnisse in die Songs mit hineingenommen hat. Somit passt der
Albumtitel auch gut zu den Texten.
Die Nuclear Blast Tour steht Euch jetzt bevor. Da habt Ihr immerhin Acts wie
Hypocrisy und Destruction auf die Ränge verwiesen, denn ihr werdet diese Tour
headlinen. Gerade Hypocrisy sind ja als super Liveact bekannt. Ist dies für Euch
auch irgendwie ein Zeichen der Anerkennung für Eure Arbeit über all diese Jahre?
Harald: Sicherlich ist dies eine Genugtuung, aber ich sehe dieses Festival eben
schon als Festival. Es ist nicht direkt eine Headlinershow. Dass wir als
Headliner spielen, hat auch technische Gründe, aber natürlich sieht man es als
Band immer gerne, wenn man ganz oben als Headliner auf dem Plakat steht.
Ihr habt schon eine Menge Platten herausgebracht, seid lange mit dabei, habt
Eure eigenen Klassiker geschrieben, ein Live Album gemacht, Videoclips
aufgenommen und seid massenhaft getourt. Euren Namen kennt in unseren
Breitengraden mittlerweile auch jeder, egal, ob man Euch jetzt mag oder nicht.
Gibt es denn noch DEN grossen Traum für einen Crematorianer?
Markus ruft irgendwo aus dem Hintergrund: Wir wollen mit Metallica tour'n!!!
Harald: Haha ... also einer unserer grössten Träume ist es, einmal eine grössere
Tour im Ausland zu machen, zum Beispiel in Spanien, Portugal, Griechenland oder
auch Polen. Leider hat das bis heute noch nie so richtig geklappt. Um
Deutschland herum war das kein Problem. Frankreich, Oesterreich, Schweiz, das
ging immer. Aber mal in den südlicheren Ländern zu spielen und präsent zu sein,
das wäre schon einer unserer grössten Träume.
Bist Du derjenige, der ab und zu auf geheimen Kanälen mit Schokolade aus der
Schweiz beliefert wird?
Markus, sofort wieder im Hintergrund aktiv: Bitte????
Harald: Nee, das ist unser Schlagzeuger. Man sieht's ja auch an den Proportionen
haha.
Viele Deutsche, die ich kenne, lieben unsere Schokolade. Was sie aber ganz und
gar nicht mögen, ist, wenn es Nüsse drin hat. Jetzt wollte ich Markus
stellvertretend für seine Landsleute fragen: "Was ist falsch an Nüssen in
Schokolade?"
Markus, entrüstet aus dem Hintergrund brüllend: Ueberhaupt nichts!! Die Nüsse
sind Killer!!!
..... und damit hat er die Lacher aller Beteiligten auf seiner Seite
Dann bin ich eigentlich schon am Ende mit meinen Fragen. Ich freue mich, Euch
auf Tour zu sehen, denn Crematory Konzerte sind immer ein Fest. Noch ein letztes
Wort?
Harald: Wir waren ja jetzt schon ein paar Mal in der Schweiz, und die Konzerte
waren immer super. Wir hoffen, dass wir, wenn wir auf dieser Tour in die Schweiz
kommen, wieder so toll von den schweizerischen Fans unterstützt werden wie
bisher und dass sie das neue Album genauso lieben wie die alten.
Crematory - Ehrlichkeit zahlt sich immer aus
- Details
- Geschrieben von Skoddete
- Kategorie: Interview
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Nun treten die Crematorianer schon das 2. Mal innert 8 Monaten bei the renewal zum Interview an. Wie Ihr aus Euren Privatleben sicherlich selbst wisst, kann es nur zwei Gründe dafür geben...