Alles gepackt und startklar! Von der Schweiz aus führte meine Fahrt schon ganz traditionell von Süd nach Nord über die ganzen deutschen Autobahnen. In einem Tag versteht sich, für mich als passionierter Autofahrer. Dann abends einschiffen auf die Fähre und am nächsten Morgen erwacht man bereits in Süd-Schweden und nach ein paar wenigen (hundert) Kilometern war ich bereits am Ziel: Sölvesborg! Heimat des Sweden Rock Festivals!
Nun schon zum 21. Male findet das Festival statt und auch dieses Jahr konnte mit einem abwechslungsreichen Line-Up aufgewartet werden. Wie immer ist die tolle Mischung von den 70ern bis heute, von Blues Rock bis Black und Death Metal, einmalig und für jeden Geschmack lässt sich etwas finden. Eindrücklich auch, dass rund ein Drittel der Bands aus Schweden kommen, darunter viele junge, tolle Bands, denen hier eine richtig gute Plattform gegeben wird. Die eine oder andere Überraschung – im positiven Sinne – entdecke ich so.
Ins Getümmel stürzte ich mich bereits am Mittwoch. Der Eintausch Ticket gegen Bändel und der Einlass ging wie immer zackig, die Security ist wie immer freundlich und nett.
Tag 1, Mittwoch 6. Juni
Unter den Klängen von Reenact kam ich auf das Festival Gelände. Ziemlich grooviger Metal spielen sie und in keine Schublade zu stecken.
Mein Weg führte aber zum Sweden Stage, wo das Festival mit Sabaton dann richtig eröffnet wird. Schliesslich ist schwedischer Nationalfeiertag und obwohl aus Zeitgründen kein ganzes Konzert von Sabaton durchgeführt werden konnte, wurden sie mit einer speziellen Nationalhymnen-Einlage angekündigt. Und dann starteten sie. Vor bereits ca. 15’000 versammelten Besuchern eröffneten sie – wie eben angekündigt – mit der schwedischen Nationalhymne und alle, naja, fast alle, sangen kräftig mit. Danach folgten noch Ghost Division, Carolus Rex, Into the Fire, Primo Victoria, Gott mit uns und Metal Crüe. Und dann war ihre zu kurze, halbe Stunde leider bereits um. Schade. Sabaton sind eine echt gute Live-Band und energiemässig geht echt es ab. Auch mit fast 80% neuen Musikern sind Sabaton (fast) in alter Stärke aufgetreten.
Ich ging dann zu In Solitude. Die Band gib es seit ca. 10 Jahren und sie spielen eine Mischung aus Iron Maiden und Mercyful Fate. Eine Mischung, die mir doch sehr gefiel. Und sie beherrschen ihr Handwerk wirklich gut.
Weiter ging ich zu Fear Factory. Die US Industrial Metaller brachten mich zurück in die 90er Jahre. Nun ja, irgendwie war es glaub nicht der Abend dieser Band. Ziemlich energielos, insbesondere Sänger Burton C. Bell gab eine schwache Vorstellung. Ich verzog mich daher bereits früh zu den Essensständen, welche ebenfalls wie immer eine abwechslungsreiche Vielfalt boten.
Ich ging danach zu H.E.A.T., die nächste, junge, schwedische Band. Im Gegensatz zu Fear Factory hatte der talentierte H.E.A.T. Sänger alles bestens im Griff. Ich genoss den erfrischenden Hard Rock. Im Vergleich zu vorher und um es vorwegzunehmen, danach, richtig gut.
Nach dem Konzert von The Crown, welches sowohl soundmässig, als auch von ihrem Energieniveau nahe am Gefrierpunkt war – wäre ja vielleicht ideal für eine Black Metal Band, aber nicht für die – ging ich dann zu meinen Höhepunkt des ersten Abends: Entombed. Auch wenn nun viele sagen "nach den zwei ersten Alben waren sie tot" – was auch ich nicht ganz bestreite – das Konzert war exzellent: Living Dead, Revel in Flesh, Chaos Breed, Supposed to Rot, Stranger Aeons und zum Abschluss des regulären Teils dann noch Left Hand Path. Grandios! Natürlich gab es auch noch den einen oder anderen Song der anderen Alben, aber alles in allem eine gute Zeitreise zurück und wirklich ein Höhepunkt.
Zum Abschluss des Tages gab es dann noch Edguy. Wenn auch nicht ganz meine Musik, die Show war gut und ebenso der Sound. Sogar richtig Stimmung herrschte. Ein guter Abschluss eines ersten guten Tages.
Tag 2, Donnerstag 7. Juni
Den Tag startete ich mit Exodus. Und auch hier wurde ich nicht enttäuscht. Das Konzert bestand de facto fast nur aus Songs der ersten drei Alben: The Last Act of Defiance, Piranha, Brain Dead, Metal Command, Pleasures of the Flesh, A Lesson in Violence, And Then There Were None, Bonded by Blood, The Toxic Waltz und Strike of the Beast. Was soll man da noch sagen? Einfach grossartig! Während Metallica sich selber zu Grabe getragen haben, legen die Begründer des Bay Area Thrash los, als hätte es die 25 Jahre dazwischen nie gegeben.
Ohne Pause ging ich zu Saint Vitus. Meine Doom Lieblinge der späten 80er und Anfang 90er Jahre. Auch hier wurde ich nicht enttäuscht. Dann schaute und hörte natürlich ich mir Sepultura an. Wie immer ein sehr energiegeladenes Konzert, wie in alten Zeiten, ausser, dass halt Max Cavalera doch irgendwie fehlt und Sepultura nicht mehr das ist, wie ich sie in guter Erinnerung habe. Trotzdem ein tolles Konzert. Und in Anbetracht des parallel laufenden Steel Panther Konzertes - oh yeah, I hate them – ja auch eh Pflichtprogramm.
Weiter ging es zu Mastodon. Nicht mein Geschmack und daher ging ich nach einer Viertelstunde direkt zu einer der Nebenbühnen. Graveyard, eine junge, schwedische Blues Rock Band spielte dort. Da es wohl noch anderen 10’000 Leuten gleich erging, wie mir, versammelte sich vor der Bühne eine riesige Zuhörerschaft. Und: Ich glaubte es nicht. DAS ist nun meine Entdeckung des Festivals. Ihre Alben muss ich haben! Graveyard spielen einen genialen, rockigen Blues Rock. Und sie spielten und spielten und spielten und nutzen ihre Zeit voll aus. Wirklich genial. Eine Band, die man sich merken muss. Und deren Alben ich unbedingt haben muss.
Danach war die Wahl zwischen Ex-Skid Row Sänger Sebastian Bach und Dimmu Borgir. Wobei Wahl wohl übertrieben ist. Während die weiblichen Festivalbesucher, vor allem die Jüngeren, sich bei Herrn Bach platzierten, stand die andere Hälfte der gestandenen Festivalbesucher, mich inklusive, bei Dimmu Borgir. Und es war der Höhepunkt des heutigen Tages. Mit Mourning Palace, Spellbound (By the Devil) und In Death's Embrace eröffneten sie schon mal nach Mass. Und selbst ein Raabjørn Speiler Draugheimens Skodde durfte nicht fehlen. Tolle Show, tolle ‚hail Satan’ Stimmung, toller Sound. Leider war das Konzert viel zu schnell vorbei.
Danach schaut ich noch kurz bei den Headlinern des Abends, Soundgarden, eine der Big 4 im Grunge Bereich, vorbei. Nun, mit Soundgarden konnte ich nie etwas anfangen, auch dieses Mal nicht, zudem war das Energieniveau der Band tief, also ging ich via Dark Funeral bereits eine Stunde früher schlafen als geplant.
Tag 3, Freitag 8.Juni
Traditionsgemäss eröffnete ich den Tag wie immer mit einem Bier. Dass gerade mal 12:15 ist, stört hier keiner. Und da es an diesem Tag noch zu heftigen Regengüssen kommen sollte, ist es von Vorteil, dies nicht ganz nüchtern miterleben zu müssen. Aber der Reihe nach.
Zuerst ging ich mal zu Amorphis. Jawohl, Amorphis. Ich mag ihre alten Alben, aber auch das neue. Trotz des leichten Regens war die Stimmung um kurz nach zwölf Uhr Mittag bereits am Sieden. Amorphis schafften es, das Publikum in den Bann ihrer Musik zu ziehen. Neben den Songs vom neuen Album gingen sie quer durch alle Alben und mit Vulgar Necrolatry bis zu ihrem allerersten zurück. Damals noch Death Metal. Die Stimmung war grossartig, die Zuhörer machten mit. Toller Einstieg in den Tag.
Anschliessend ging ich zu Axel Rudi Pell. Obwohl ich keines seiner Alben besitze, da ich die Songs z.T. langweilig finde, ist er Live exzellent. Natürlich dreht sich alles um ihn und sein Gitarrenspiel. Und so muss es auch sein. Ich genoss die 75 Minuten seiner Gitarrenvirtuosität.
Parallel spielten dann Michael Schenker und Gamma Ray. Da ich Michael Schenker schon in Zürich in kleiner Clubatmosphäre mit rund 100 Zuhörern gesehen hatte, entschloss ich mich, zu Gamma Ray zu gehen. Auch hier ist nicht zu klagen. Eröffnet wurde mit New World Order, kurz darauf folgte mit Ride the Sky der erste alte Helloween Klassiker und mit I Want Out folgte später noch ein zweiter. Das Publikum bedankte es mit guter Stimmung. Ich finde es interessant, dass sowohl Helloween, wie Gamma Ray immer wieder viele Songs der alten Helloween Zeiten spielen. Oder anderes gesehen, halt das Eingeständnis, dass beide einzeln nie mehr an die grossen Taten anknüpfen können. Trotz allem ein gutes Konzert.
Anschliessend erfolgte der Platzregen. Es regnete, was runter mochte und regnete und regnete und regnete in Strömen. Da mir Blue Öyster Cult eh zu intellektuell sind, verbrachte ich diese Zeit in einem Zelt bei Bier und Fleischspiess und danach im Gibson Zelt mit einer SG am Testen. Musikalisch verpasst habe ich zumindest in diese eineinhalb Stunden nichts.
Als der Regen nachliess, ging ich zur Rock Stage. Gotthard waren angesagt. Ja, da reise ich Schweizer doch nach Schweden und sehe mir Gotthard an. Da die Alternative Ugly Kid Joe gewesen ist, versteht ihr mich wohl. Live sind Gotthard grossartig. Wirklich eine gute Show und Leo Leoni posiert wie ein Verrückter und ist der Showman des Abends. Das Gitarrenspiel ist dabei etwas unsauber, aber Gotthard bringen das Publikum zum Kochen und der neue Sänger Nic Maeder fügt sich gut ein. Er gibt sich und singt, wie er ist und versucht nicht Steve Lee nachzuahmen. Das ist gut so, sehr gut sogar. Und ja, zurück zu Leo Leoni. Der weiter auf Showman machte, posierte und das Publikum wirklich mitriss. Da verzeihe ich ihm das manchmal doch unsaubere Spiel.
Anschliessend ging ich dann noch zu Pentagram aus den USA, sie spielten Doom Metal à la Black Sabbath. Diese älteren Herren brachten eine guten Stimmung rüber und nutzten ihr Zeitfenster voll aus. Ihr Sänger Bobby Liebling meinte dann auch "Do you have time?" "I have time, and we are already paid for playing". Und sie hörten erst auf, als auf der Bühne gegenüber die nächste Band begann.
Nach einem Ausflug zu The Flower Kings, ebenfalls eine Band aus Schweden und sie spielen progressiven Rock, ging ich zum Abschluss des Abends noch kurz bei Katatonia vorbei, bevor ich mich wieder zum Schlafen legte.
4. und letzter Tag, Samstag 9.Juni
Ich starte den Tag wie immer um 12.15 Uhr - na klar auch wie immer mit einem Bier und heute strahlendem Sonnenschein - und dann Girlschool. Natürlich sah ich sie zum ersten Mal. Und die Girls, verzeihung, zwischenzeitlich Damen im fortgeschrittenen Alter machten ihre Sache nicht schlecht. Guten Rock ’n’ Roll zur Mittagsstunde wurde geboten.
Dann waren Bonafide und Electric Boys, zwei weitere schwedische Rock Bands an der Reihe. Beide Bands sah und hörte ich zum ersten Mal und ich fand beide gut. Bonafide spielen eine Blues unterlegten Hard Rock. Sie haben zudem den Song zum Sweden Rock Festival Motto "Fill Your Head With Rock" geschieben und dieser durfte daher natürlich nicht fehlen. Electric Boys auf der anderen Seite spielen eine Mischung aus Funk und Metal. Auch das interessant.
Danach ging's zu Bad Company. Das erste Mal seit 37 Jahren spielten sie in Orginalbesetzung ausserhalb UK. Und dann ging's los. Can’t Get Enough, der erste Song ihres ersten Album eröffnete das Konzert. Paul Rogers hatte die Szene von Anfang an im Griff mit seiner Präsenz. Quer durch ihr Schaffen spielen sie und am Ende gibt’s dann mit den Zugaben Bad Company und Ready for Love sogar einen tollen Höhepunkt.
Die progressiv Metaler Symphony X standen als nächstes auf meinem Programm. Während Drean Theater mir heutzutage mit ihrem "höher, weiter, schneller und noch progressiver" auf den Kecks gehen, bleiben Symphony X dem ursprünglichen Metal, vermischt mit progressiven Elementen treu. Die Songs hatten Speed und Power und die Stimmung war entsprechend toll.
Dann ging es zum nächsten Dinosaurier des heutigen Tages: Lynard Skynard. Und mit ihnen toller Südstaaten Rock. Der Band machte es sichtlich Spass, dem Sänger Ronnie Van Zant wurden mehrere Südstaaten Flaggen auf die Bühne geworfen und natürlich alle ihre Hits wurden gespielt. Sweet Home Alabama zum Abschluss durfte genau so wenig fehlen, wie dann wirklich am Ende Free Bird. Beider wurden vom Publikum lautstark mitgesungen.
Dann kam der Höhepunkt des letzten Abends: King Diamond. Die Bühnen-Szenerie war ganz Schock-Rocker mässig aufgebaut. Hinter Gittern, mit Totengräber, umgedrehten Kreuzen und Kerzenbeleuchtung erzählte er hier seine Geschichte mit Songs wie Welcome Home, At the Graves, Voodoo, Sleepless Nights und kurz vor Schluss kam dann noch Come tot he Sabbath von Mercyful Fate, zusammen mit Hank Shermann und Michael Poulsen von Volbeat und bei den Zugaben gab es dann noch Halloween mit Michael Denner and Mikkey Dee von Motörhead. Gute Unterhaltung, die Musik war ebenfalls wie immer Klasse, wirklich der Höhrepunkt des Abends.
Zum Abschluss dann noch die eigentlich als Headliner angekündigten Mötley Crüe. Naja, im ersten Teil war die Soundabmischung schlecht und alles tönte gleich. Vince Neil rannte ständig irgendwo auf der Bühne rum und versuchte an seine besten Zeiten anzuknüpfen. Das beste war dann wie immer Tommy Lee’s Schlagzeug Solo. Das war’s dann aber. Entweder bin ich zu alt für Mötley Crüe’s Musik oder sie sind zu alt für ihre Musik.
Das war's dann. Dann wurde es dunkel. Ende. Aus für 2012.
Und das Gesamtfazit des Festivals?
Wie immer ist es ein Festival der Superlative. Neben den auftretenden Bands, welche alle viel Spielzeit erhalten, der guten Mischung für jedermann, der Raum für (schwedische) Neuentdeckungen, gibt es viel Platz auf dem Gelände, WCs mit Wasserspülung, welche mehrmals täglich gereinigt und mit Klopapier nachgerüstet werden, saubere Festivalanlage durch die vielen Putzkolonnen, die immer alles fein säuberlich wegputzen und ein Sitzen am Boden ermöglichen, eine grosse Auswahl von Essständen mit gutem, abwechslungsreichen Essen, genügend Bier und angenehme, friedliche Festivalbesucher. Sogar das Wetter war nicht so schlecht. Einziger Wermutstropfen: Die Headliner an allen drei Abenden waren schwach. Insbesondere Soundgarden und Mötley Crüe wo keine Energie, keine Motivation oder schlechte Soundabstimmung vorhanden waren. Schade.
Aber zuversichtlich schauen wir ins Jahr 2013. Rush, nach 33 Jahren wieder an einem Festival in Europa, sind bereits angekündigt. Wenn das nicht wieder eine Reise wert ist! Mein Urlaub ist bereits eingereicht und schon bewilligt.
Sweden Rock Festival: Ich komme wieder! Nächstes Jahr, gleiche Zeit!