Schloss-Holte Stukenbrock ist werktags ein beschauliches Städtchen mit 26.000 Einwohnern und wartet im Umkreis eigentlich mit wenigen Attraktionen auf. Neben dem Safari Park gibt es hier und da die üblichen Ladengeschäfte sowie die übliche Menge unterschiedlicher Schulen. Das Serengeti Festival fand auch dieses Jahr wieder unmittelbar neben dem Hallenbad statt, das an die örtliche Realschule grenzt. Am besagten Samstag war das Dörfchen doch ansehnlich gefüllt mit den traditionell gekleideten Anhängern härterer Klänge, ich war sehr überrascht von dem starken Aufgebot an Todesmetallern und Kuttenträgern. Das Line-Up spricht dieses Jahr scheinbar die gröbere Szene an, dementsprechend hatten meine Augen auch angenehm wenig mit schwarz-weiss karierten Schuhen und Schals zu kämpfen. Dass die nahegelegene Filiale eines gelb-grünen Grossmarktes extra Sicherheitsleute einstellte wunderte den einen oder anderen Festivalbesucher sicherlich ebenso wie mich, zumindest anfänglich. Dass es gewisse Risiken in sich birgt, ein Festival mit teilweise arg unterschiedlichen Musikstilen vollzupacken und die Fans allesamt auf einem kleinen Gelände frei laufen zu lassen, dürfte jeder wissen. Feuer und Wasser kommt nicht zusammen, um mal Rammstein zu zitieren.
Also, die Menge war ordentlich gemischt mit einem sehr deutlichen Schwenk in Richtung Metal und die Stimmung war bei meiner Ankunftszeit gegen 18 Uhr schon ordentlich.
Static-X wurden von Konservensound begleitet - schade, aber unumgänglich.
Static-X kloppten eine gute Stunde lang ihren Alternative Metal durch die Boxen, mich faszinierte dabei vor allem die gigantisch albumnahe Umsetzung ihrer groovigen Lieder unter freiem Himmel. Der kultig frisierte Sänger Wayne Static klang praktisch wie hinterm Studiomikrofon, die Gitarren wurden exzellent abgemischt und die Tieftöner wamsten die Gehörgänge in Dimensionen des Schmerzes. Vom Sound her schon jetzt ein Highlight, wie man es von einer Band mit stark elektronischen Einflüssen allerdings auch nicht anders erwarten darf. Leider kam hier ein Batzen Effekte und Samples vom Band, was der Show an sich zwar keine Einbusse an Stimmung und Leistung einbrachte, mich persönlich aber immer ein wenig kratzt. Ich bevorzuge es da lieber, mit ansehen zu können wie jeder einzelne Ton live auf der Bühne produziert wird und nicht mysteriös aus dem Hintergrund zu kommen scheint. Kurz und schmerzlos ohne viele Ansagen brachten die Amerikaner ihre Show zu Ende, im Gepäck immergrüne Kracher wie "Dirthouse" und "Push It" und ebneten damit den Weg für die Landsmänner von Down.
Mir fehlt bei Down einfach das Ventil – es klingt alles zu sololastig und schwermetallisch.
Eben diesen stand der Veranstalter ebenso nur 60 Minuten Spielzeit zu – und man machte trotzdem einiges daraus. Down haben mich nie wirklich beeindrucken können, live legte sich die lebende Musikerlegende Phil Anselmo allerdings grimmigen Gesichtes gekonnt ins Zeug um die Menge zum Toben zu bringen. Da diese ohnehin mit vielen extra angereisten Fans gefüllt war, ging das recht leicht von der Hand und der trockene Boden vor der einzigen Bühne litt ein weiteres Mal unter trampelnden Füssen. Die dargebotene Musik ging gemütlich von der Hand, der leicht aggressive aber weitgehend angenehme musikalische Grundsatz der 1991 gegründeten Truppe eignete sich hervorragend zum aufrechten Biertrinken.
Mir fehlt bei Down einfach das Ventil – es klingt alles zu sololastig und schwermetallisch. Kaum bru-tale Höhepunkte oder wirklich schwere Riffs, Down bevorzugen es einfach etwas vom Leben zu erzählen und Sänger Phil vor sich zu sehen, der ja nun eine wirklich unsagbare Biografie vorzuweisen hat, war schon ein wertes Erlebnis. Sei es seine Zusammenarbeit mit Maniac, Satyr und Fenriz bei dem Projekt Eibon, seine mit Drogen versüsste Vergangenheit oder natürlich seine Zeit bei Pantera, man sieht diesem Kerl einfach sein Leben an und dieses lässt er in seine Performance einfliessen. Das ein Fan es irgendwie auf die Bühne schaffte schadete dem Konzert dabei nicht im Geringsten, im Gegenteil, ein ordentlicher Handschlag inklusive Umarmung mit Phil und Schulterklopfen bei den restlichen Musikern und trotzdem nur ein nettes Herunterbegleiten von der Bühne durch Sicherheitskräfte. Klarer Pluspunkt für unbürokratische Lockerheit der gesamten Truppe! Down – für mich ein nettes Erlebnis das aber nicht unbedingt nochmal sein muss, für einheimische Fans ein wahrgewordener Traum. Die Idole vor der Haustür, im historisch wenig bedeutsamen Schloss Holte-Stukenbrock. Hm, fing nicht jedes Festival mal klein an?
Nun sollten die kultigen Amerikaner von Anthrax die Bretter dominieren – und das taten sie.
Die 20 Minuten Umbaupause kamen jedesmal sehr gelegen für einen gehörigen Abstecher in besagten, zur Festung ausgebauten und wie Fort Knox bewachten Supermarkt, um sich unter Verfolgung und Beobachtung von Sicherheitsleuten und Kaufhausdetektiven (ich glaube es gab kaum richtige Kunden dort) ein erfrischendes Dosenbier zu besorgen.
Denn nun sollten die kultigen Amerikaner von Anthrax die Bretter dominieren – und das taten sie. Ihren mit Rock und nahezu Popmusik durchsetzten Thrash Metal mochte ich nie wirklich, aber auch hier machte sich das Ticket bezahlt. Die Stimmen vom Bandneuling Dan Nelson und Gründungsmitglied Scott Ian klangen verdammt genial und überhaupt wurde hier wieder recht gut abgemischt. Im Vergleich zu den vorigen Bands setzten die Herren die Messlatte in Sachen Brutalität und Kloppfähigkeit unermesslich höher und vor allen die zum Ende des Auftritts hin vermehrt eingestreuten Thrash-Eskapaden in den jeweiligen Stücken brachten die Meute zum Ausrasten.
Nochmal schnell ein Bier geholt und wieder von den scheinbar sehr unerfahrenen Security-Leuten fahrlässig abtasten lassen. Am Eingang erschien die Prozedur ziemlich unkoordiniert. Taschen sollten mal geöffnet, mal komplett ausgepackt werden, mal musste man gar nichts dergleichen tun – und das unabhängig davon, wie viele weitere Leute Einlass verlangten. Willkür oder Stichproben, ich weiss es nicht, jedenfalls habe ich auf keinem anderen Konzert jemals so lockere Kontrollen erlebt. Abgetastet wurde ich nur ein einziges Mal. Die Sicherheitskräfte waren dabei etwas humorlos, verkrampft und schienen noch nicht viel mit dem langhaarigen Publikum gearbeitet zu haben. Naja, jetzt wissen sie ja Bescheid. Ob man es nun auf die Suche nach Waffen, Drogen oder unerwünschten Gegenständen ausgelegt hatte, mit so einer Prozedur konnte man nichts davon finden, hätte jemand es darauf angelegt. Ich hörte davon, dass jemand am Eingang sein Brötchen aus dem Mund nehmen sollte, als er gestikulierend andeutete es nur noch schnell aufzuessen, drohte man ihm angeblich einen Platzverweis an. Waffen hätte man also reinschmuggeln können, Brötchen nicht. Naja. Auch sollen die Sicherheitskräfte sehr grob im Umgang mit Crowdsurfern gewesen sein, was ich allerdings nicht beurteilen kann und auch keine derartigen Beobachtungen gemacht habe. Wie dem auch sei, Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser, ich sehe das bei Konzerten und Festivals nicht anders, mit der Sicherheit übertreiben sollte man es trotzdem nicht. Die Koordination und ein routinierter, "gleichberechtigter" Ablauf sollten hier ganz oben stehen um einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten. Kritikpunkt für das nächste Jahr!
Bloodhound Gang - Rumgerotze, Kotzorgien, Penisexhibitionismus, simple Vulgarität und andere Entgleisungen.
Dann nahte der von vielen lang ersehnte Auftritt der Bloodhound Gang. Um es mal relativ kurz zu halten, musikalisch war die ganze Sache ziemlich öde, wie hätte es auch anders sein können, die "Performance" auf der Bühne war allerdings recht amüsant. Wer auf Rumgerotze, Kotzorgien, Penisexhibitionismus, simple Vulgarität und andere Entgleisungen der Machart Jackass steht, sollte sich diese Show um Evil Jared und Co. einmal im Leben antun. Zu mehr hat es dann aber auch nicht wirklich getaugt, die Band ist eben total hinüber, kann nichts und basiert auf einfacher Provokation. Okay, die Jungs hatten Spass dabei und einmal muss man’s gesehen haben. Nochmal muss das aber wirklich nicht sein.
"Roots Bloody Roots" - Soulfly versetzten der erschöpften Menge nochmal einen Energietritt ins Gesicht.
Der absolute Headliner des Abends hob das Niveau dann in vielerlei Hinsicht wieder an. Soulfly betraten die Bühne und brachten die elendig staubige Luft zum Kochen, Fans entledigten sich ihrer Shirts und die völlig brach getretene Grasfläche unterlag unter moshenden Massen der Desertifikation. Höhepunkte erreichte die brasilianische Formation dann u.a. mit Klassikern wie "Eye For An Eye", "Prophecy" und der Granate "Roots Bloody Roots". Die Menge strotzte trotz Staublungen und massivem Dreck in den Augen vor Energie.
Hüpfer wurden von etwas härter beseelten Fans gnadenlos niedertorpediert und im Sekundentakt gingen Besucher zu Boden. Mich überraschte die sehr hohe Hilfsbereitschaft hier ein wenig, den Leuten wurde schneller aufgeholfen als auf manchen Metal Events des Riesenformats.
Ein von Mr. Cavalera geforderter Circle Pit scheiterte nach kurzer Zeit an Überfüllung und einem Menschenberg, bestehend aus gestürzten Fans. Der arg unebene Untergrund und die wirklich nicht mehr spassige Staubluft sorgte dafür, dass der Durchschnittsbesucher nach 60 Sekunden hundertprozentigem Körpereinsatz eine mindestens 4x so lange Pause brauchte, was den Konzertgenuss teilweise wirklich sehr bremste. Für das nächste Jahr würde ich den Veranstaltern DRINGEND Wasserwerfer nahelegen, um dieses unerträgliche Desaster zu verhindern. Dass sich die Besucher aber weder durch Hitze noch Luftqualität am Feiern hindern liessen, zeugte von Standfestigkeit und Begeisterung. Cavalera bedankte sich, indem er einen Fan aus der ersten Reihe auf die Bühne holte und gemeinsam mit ihm auf eine grosse Trommel eindrosch. Geiles Konzert, wenn nicht gar der Auftritt des Abends. Aus der Dose überzeugten mich Soulfly bisher weniger, die Brutalität eines Live-Auftrittes ist allerdings in ihrer Dynamik und Überzeugungskraft beispiellos.
Jedes einzelne Konzert klang ziemlich unproblematisch und kurzfristig ab, keine grossen Abschiedsreden, kein ewig hallender Schlussakkord im Hintergrund, kein ausklingendes Schlagzeuggehämmer. Ende war Ende, ohne Kompromiss. Natürlich hat sich die ganze Show zum Ende hin etwas nach hinten geschoben, war ein leichtes Überziehen der Spielzeit ja kaum vermeidbar. Ich möchte nicht sagen, dass es ein trockener Abschied war, allerdings war es wohl eben jenes durchmischte Publikum, dass die Bands daran hinderte ein paar klare Abschiedsworte zu finden und die sehr eng gesteckte Spielzeit jeder einzelnen Band.
Ich würde es jedenfalls begrüssen, wenn bei der Bandauswahl für das nächste Jahr der eingeschlagene Kurs beibehalten wird. Die örtliche Szene ist arg zerstreut und klein, ein solches Event treibt die Massen auf einen Punkt. Ein Festival für die alternative Szene hingegen kann man überall aus dem Boden stampfen und findet dabei immer genug Besucher.
Da man bereits händeringend nach einer neuen Location sucht, wurde das Problem der Überfüllung wohl schon realisiert und man arbeitet zum Glück daran. Nach wie vor eben ein verhältnismässig sehr kleines Festival mit sehr grossen Acts auf den Brettern. Wer keinen allzu grossen Weg auf sich nehmen muss und aus der Umgebung stammt sollte nächstes Jahr dringend aufmerksam bleiben!