Bereits nach wenigen Takten vom Opener "Birke im Moor" wird klar, dass sich Helrunar nicht nur äußerst eindrucksvoll von ihren Kollegen abheben, indem sie zweifellos die von so vielen Bands selbst auferlegten Ketten durchbrechen, sondern noch dazu höchstqualitative und vereinnahmend eigenständige Hymnen, ursprünglichen nordischen Black Metal erschaffen. Können, Begeisterung und Leidenschaft sind sowohl hörbar, als auch spürbar deutlich Mittelpunkt der kongenialen deutschen Formation. Doch lassen wir den Frontmann nun einmal selbst zu Wort kommen...
Mit eurem im Jahre 2003 produzierten Demo "Grátr" seid ihr quasi aus dem Nichts aufgetaucht und habt dabei die komplette deutsche Pagan/Black Metal-Bewegung in Aufruhr versetzt. Nun habt ihr mit dem rohen, aggressiven, mystisch-folkig angehauchten und wahrlich Lobeschöre auslösenden "Frostnacht" die erste reguläre Labelveröffentlichung vorgelegt. Wie zufrieden seid ihr mit dem Endergebnis und was für ein Gefühl war es, das fertig gestellte Werk endlich in den Händen zu halten?
Skald: Es war ein gutes Erlebnis... es hat auch lange genug gedauert, da der Endmix sich doch in die Länge zog. Aber das ist normal... wenn man Musik macht, dauert irgendwie immer alles länger als man will. Mit dem Ergebnis sind wir sehr zufrieden, wären wir es nicht, hätten wir die Platte nicht so veröffentlicht.
Hättet ihr allerdings mit solchen durchweg positiven Resonanzen gerechnet? Die Messlatte lag nach dem Demo ja nicht gerade niedrig…
Skald: Nun, mit positiven Reaktionen hatten wir schon gerechnet... wir waren ja überzeugt von dem, was wir da tun. Dass die Reaktionen aber zum großen Teil derart positiv sein würden, damit hatten wir nicht gerechnet. Andererseits kann es ja auch ganz schön nach hinten losgehen, wenn die Messlatte sehr hoch liegt.
Für viele war die Verständlichkeit deines Gesangs überraschend. Damit hebt ihr euch noch mehr von anderen Formationen ab. Hat dich bei einigen anderen Bands der undeutliche Gesang geärgert oder hat dieser Zug andere Gründe?
Skald: Ich habe wohl einfach nur eine sehr deutliche Art zu singen...
Ihr hattet euch von Beginn an ein kleines Label mit gutem Ruf und anderen ausgezeichneten Bands gewünscht, das euch insbesondere allerdings auch, eure künstlerische Freiheit bewahren lässt. Letztendlich seid ihr jetzt beim Prophecy Sublabel Lupus Lounge untergekommen. Welche Unterschiede machten sich eventuell beim Songwriting, -und Aufnahmeprozess bemerkbar? Worin unterscheiden sich deiner Meinung nach "Frostnacht" und "Grátr"?
Skald: Ich denke, Frostnacht ist etwas ausgereifter und technischer. Aber das liegt natürlich an der Entwicklung der Band und nicht am Label. Durch das Label hatten wir aber einen besseren finanziellen Background, um unsere Ideen umzusetzen, was man z.B. an der Produktion merkt. Eine solche CD mit einem derart aufwendigen Cover und einer so passenden Produktion hätten wir wohl allein nicht bezahlen können.
Wie kamt ihr überhaupt auf Prophecy?
Skald: Von vorne herein dachten wir, dass Prophecy das beste und zuverlässigste Label für diese Art Musik in Deutschland ist. Es war auch von Anfang an unser Wunschlabel, aber wir hatten niemals damit gerechnet, dass sie uns einen Deal anbieten würden... Unterstützung bekamen wir dabei vom Mörkeskye- Fanzine.
Wie sieht es innerhalb der Band mit der Verteilung der einzelnen Aktivitäten aus? Wer übernimmt die Komposition, wer das Songwriting?
Skald: Das Songwriting übernehmen wir alle, aber es sind vor allem Dionysos und Alsvartr, die die Musik schreiben. Aber ein paar Parts und ein Song auf der Frostnacht sind auch von mir. Die Texte schreibe ich allein. Wir gehen, was die Arbeit an der Musik und die Texte betrifft in der Band sehr demokratisch vor, was auch manchmal zu Reibereien führt... aber so ist es nun mal. Ich denke, jeder der eine Band hat, wird dieses Problem kennen.
Auffallend bei euren Albumtiteln ist meiner Ansicht nach, dass sie alle Eigenschaften des jeweiligen Werkes stets eindrucksvoll zusammenfassen. Wie entstehen Titel und Songs bei euch? Woher stammen deine Inspirationen?
Skald: Es ist vor allem das Leben, das mich inspiriert... dann kommen natürlich noch Mythen hinzu oder altnordische Dichtung. Manchmal auch andere Textsorten, Dinge, die ich beobachte und in mich aufnehme. Der Prozess des Textschreibens ist immer verschieden... manchmal schreibe ich einen Text in einer halben Stunde, manchmal braucht er Jahre. Im Proberaum scheue ich dann, welcher Text atmosphärisch zu welchem Stück passt... manchmal entstehen Text und Stück auch parallel. Manchmal ist ein Stück schon fertig. Dann höre ich es mir ein paar Mal an und schreibe dann einen Text dazu... es läuft immer anders.
Besonders überrascht hat es mich, von einer in Deutschland beheimateten Band abseits deutscher Lyrics auch norwegische Texte vorzufinden. Transportiert die Sprache für dich ein bestimmtes Gefühl, so dass du dich schon nahezu in ihr beheimatet fühlst oder ist sie mehr "Mittel zum Zweck"?
Skald: Mal kurz zur Erklärung: "Altnordisch" ist der Oberbegriff... die Sprachen spalten sich dann in Altwestnordisch (Altisländisch und Altnorwegisch) und Altostnordisch (Altschwedisch und Altdänisch). Innerhalb des Altwestnordischen sind die Unterschiede so gering, dass man eigentlich nur von Altwestnordisch spricht, Altisländisch ist also quasi fast dasselbe. Natürlich transportiert die Sprache für mich ein Gefühl... dass ich mich in ihr "beheimatet" fühle geht aber vielleicht etwas zu weit. Sie transportiert eher etwas Archaisches, was ihren Klang und ihre Wendungen betrifft... sie ist nun mal die Sprache der Mythen. In Altwestnordisch gesprochen wirken sie mystischer, natürlicher als wenn man eine deutsche Übersetzung nimmt. Als "Mittel zum Zweck" fühlt sich die Sprache bei mir nicht an... dazu "raunt" sie irgendwie zu sehr...
Ursprünglich wolltet ihr euer Debüt "Frostnótt" und damit wie schon bereits "Grátr", altnordisch benennen. Gibt es für eure Umentscheidung tiefergehende Gründe? Warum habt ihr euch zudem diesmal entschieden alle Songs mit Ausnahme von "Mímis Brunnr" auf Deutsch einzusingen?
Skald: Nein, eigentlich nicht. Ich hatte einfach das Gefühl, dass "Frostnacht" als deutscher Titel besser passen würde... Irgendwann waren alle Texte fertig und sie waren halt zum größten Teil auf Deutsch. Ich kann Dir dafür keine genauen Gründe nennen. Dafür gibt es keinen speziellen Grund…ich arbeite viel instinktiv, aus dem Bauch heraus, wenn es um die Texte geht.
Was hat es eigentlich mit den beiden Titeln "Frostnacht" und "Nachtfrost" auf sich? Ist letzteres eine Art Fortsetzung für den Tag, an dessen Morgen "nichts mehr wie zuvor" ist?
Skald: "Nachtfrost" schließt den ersten Teil der CD ab, der mit "Birke im Moor" bzw. "Frostnacht" seinen Anfang nimmt. Ja, es ist eine Art Fortsetzung und zugleich auch ein Ende dieses "Tages" bzw. des Zyklus.
Die Verbundenheit zur Natur und eine Fokussierung auf Kraft aus Natürlichkeit und Ursprünglichkeit sind Merkmale des Neofolks. Erst vor wenigen Monaten veröffentlichte Auerbach nach mehrjähriger Recherche das über 500 Seiten umfassende Buch "Looking for Europe", in dem es sich mit dem Neofolk auseinandersetzt und vor allen Dingen die vorurteilsfreie Notwendigkeit eine Bereitschaft für die Auseinandersetzung mit komplexen Materien zu entwickeln besonders verdeutlicht. Auf diesem Wege wurde der bei vielen längst schon in Vergessenheit geratene Musikstil wieder in Erinnerung gerufen. Auch in eurer Musik kristallisieren sich einige dieser Elemente heraus. Könnten sie möglicherweise in zukünftigen Arbeiten eine größere Gewichtung erhalten?
Skald: Das mag sein... ich hatte mit Dionysos schon mal den Plan gefasst, irgendwann ein reines Akustik- Album aufzunehmen... dazu kann ich aber noch nichts Genaueres sagen... vielleicht kommt es auch gar nicht dazu.
In Helrunars Musik scheinen also sowohl folkige Elemente mit metallischen Aspekten Kompromisse einzugehen, aber auch die Vergangenheit und Gegenwart bilden einen fließenden Übergang, so dass sich "Frostnacht" als ein stimmiges, in sich geschlossenes und ungemein dicht-gereiftes Meisterwerk atmosphärischen Black Metal präsentiert. Nichtsdestotrotz macht sich bemerkbar, dass ihr Musikeingrenzungen eher abgeneigt seid und euch von jenen lieber distanziert. Dennoch scheint Black Metal große Einflüsse auf euch ausgeübt zu haben. Wie erklärst du dir deine Faszination für diese Bewegung? War sie für die Bandgründung ausschlaggebend?
Skald: Nun, diese Musikeingrenzungen sind dann hinderlich und schädlich, wenn sie mit Eingrenzung des Denkens einhergehen, was leider meist der Fall ist. Für uns bedeutet Black Metal wohl eher eine Befreiung des Denkens... ein kritisches Hinterfragen der Welt und zementierter Denkweisen, gleich aus welchem Bereich sie kommen. Das ist es, was diese Musik seit jeher für mich verkörpert hat: Freiheit, Emotionalität, natürlich auch Konfrontation mit den dunklen Aspekten des Selbst, die unsere Gesellschaft immer so gern ignoriert. Diese Konfrontation darf aber auch kein Selbstzweck werden, denn auch die Dunkelheit ist nur ein Teil des Ganzen. Natürlich hat Black Metal große Einflüsse auf uns gehabt, auf unser Denken, unser Fühlen, unser Leben, unser Selbstverständnis als Person. Ich denke, in der Musikform Black Metal liegt großes Potential andere Pfade zu beschreiten, einen Zugang zu sich selbst oder der Welt zu finden. Man darf sich nur nicht selbst limitieren, wie ich es zu Anfang schon sagte... man muss immer die Augen offen halten, sich auch beschäftigen mit Kunst, Philosophie, Literatur... auch wenn viele (Szene-intern wie -extern) es gerne verneinen würden: Black Metal ist eine Kunstform. Eine radikale, extreme Kunstform. Eine, die mit Konventionen bricht. Das ist wohl das wichtige, mit Konventionen brechen, Grenzen überschreiten. Das haben die Expressionisten auch getan, auf ihre Weise. Grenzen überschreiten, nicht Grenzen aufstellen.
Schweden und Norwegen sind beide skandinavische Länder mit ähnlichen Traditionen und Landschaften. Deine Affinität scheint jedoch gerade für Norwegen besonders groß zu sein. Wieso gerade dieses Land und wie kam eine derartige Begeisterung für den Norden überhaupt zustande?
Skald: Mmmh... ich glaube, es begann ähnlich wie bei vielen, die diese Musik hören... zunächst einmal hat man so ein mythisch- überhöhtes Bild vom Norden. Norwegen, oder auch wahlweise ein anderes skandinavisches Land wird eine Art Projektionsfläche für Sehnsüchte und Fernweh. Dann habe ich das Land bereist, vieles darüber gelernt. Natürlich entzauberte diese Konfrontation einiges, aber die Geschichte, die Kultur und vor allem die herrliche Natur wie man sie dort findet, faszinieren mich bis heute, und dem Ganzen wohnt ein Zauber inne, der sich nicht wegdiskutieren lässt. Es ist wohl vor allem die Natur, die Ruhe, die Abgeschiedenheit. Alles Dinge, die man hierzulande nur noch selten vorfindet.
Eure Lyrics fallen für die heutigen Verhältnisse ungewöhnlich poetisch und höchst qualitativ aus. So habt ihr sie mit altnordischen Mythen und Symbolen versehen, die man bekanntlich erst einmal zu deuten lernen muss. Sind ihre Botschaften allerdings entschlüsselt, so können sie uns nicht nur dabei helfen den Alltag zu bewältigen, sondern auch uns selbst verstehen zu lernen. Wie stehst du dem gegenüber? Helfen sie dir?
Skald: Natürlich! Sonst würde ich sie nicht in so großem Maße verwenden.
Gibt es in unserem Alltag deiner Ansicht nach Erfahrungen, die jeder von uns macht und die man als heidnisch bezeichnen könnte?
Skald: Wenn du ein "heidnisches" Weltbild hast, dann ist alles "heidnisch". Wenn Du ein Christ bist, dann siehst du überall Gott. Wenn du ein Nihilist bist, dann lauert überall das Nichts. Es ist eine Frage des Standpunktes.
Wotans Suche nach Weisheit ist, insofern ich es richtig aufgefasst habe, eines der Kernpunkte des neusten Werkes. Überhaupt scheinen dich die hochkomplexen und ausdrucksstarken Sagen der Edda, welche wichtige Quellen für die Kenntnis der germanischen Dichtung und Mythologie darstellen und auch die altnordische Dichtungsart der Skalden, die als wichtigste historische Quelle der mittelalterlichen skandinavischen Geschichte gilt und hinsichtlich des Quellenwertes noch vor den Sagas agiert, enorm wichtig zu sein. Wieso fühlst du dich gerade damit so verbunden?
Skald: Das hatte vermutlich zunächst einmal rein ästhetische Gründe: Mir gefällt die Dichtung, mir gefallen die Symbole. Ich finde mich darin wieder, finde leicht Zugang dazu. Die Spiritualität, die dahintersteckt, enthält für mich viel Wahrheit. Wir sind alle, wie Óðinn, Wahrheitssucher. Oder wir sollten es zumindest sein. Viele haben vergessen, dass wir zunächst mit aller Kraft die Wahrheit suchen sollten, uns von unseren Illusionen und Trugbildern befreien. Davon gibt es viele in unserer Welt. Der Weg dahin ist für jeden Menschen ein Anderer. Dieser ist nun mal meiner, aber es sind nicht nur die Mythen, die dabei für mich wichtig sind... auch Philosophie, Psychologie, Beobachtung des Lebens etc.
Welche Bücher neben der Edda und der klassischen Göttersagen haben dich des Weiteren derartig beeindruckt, dass du sie in dein Schaffen bei Helrunar einfließen lässt? Lässt sich Jan Fries' Buch, nach dem ihr gewissermaßen auch die Band benannt habt darunter finden?
Skald: Ja, ganz bestimmt! Jan Fries ist ein Meister darin, mit Hilfe von Mythen und Runensymbolismus die gerade genannten Trugbilder zu enttarnen. Viele nutzen ihren "heidnischen" Glauben nur, um etwas zu kompensieren, um ihr Ego zu stärken, irgendwie besonders zu sein. Aber, wie gesagt, es geht zunächst einmal um Erkenntnis. Und diese Leute dringen nicht einmal zu der Erkenntnis vor, dass ihr "ach-so-engagiert-verfolgter-Glaube" auch nur eines dieser Trugbilder ist. Ansonsten beeinflussen mich alle möglichen Arten von Literatur: Existenzialisten, Dichter, Theaterautoren etc. Vielleicht merkt man nicht immer viel davon, dass mich diese Autoren beeinflusst haben, es ist aber so.
Zwischen Mythen, Sagen und Märchen gibt es keine klaren Grenzen. Auch auf eurer Platte fließen beispielsweise Realität und Traum nahtlos ineinander. Siehst du dich gewissermaßen als Erzähler?
Skald: Ja, vermutlich schon... das Handwerk des Erzählers ist ja auch ein sehr altes... einerseits muss er sein Publikum unterhalten, andererseits aber auch tiefere Wahrheiten vermitteln. Das ist oft ein schwieriger Spagat. Unterhält man zu sehr, geht der tiefere Sinn verloren... "sinniert" man zu sehr, finden die Leute keinen Zugang. Das ist das schöne an den Mythen- sie unterhalten und vermitteln zugleich. Vielleicht ist auch das ein Grund, weshalb ich mich bei ihnen "bediene". Zum Unterschied zwischen Realität und Traum: Der Traum ist ja auch nur eine andere, symbolhaft verschleierte Darstellung von Realität. So wie es gewissermaßen auch ein Mythos ist. Nicht umsonst ähneln sich oft Symbole aus Traum und Mythos so sehr.
Wie wichtig ist dir der Spagat zwischen Idealismus, Realismus, Optimismus und Pessimismus? Was assoziierst du mit den jeweiligen Begriffen?
Skald: Um Idealist zu sein, muss man erst mal wissen, welche Ideale man hat. Und wenn man das weiß, sollte man sich auch fragen, ob diese Ideale sinnvoll sind. Ein Realist weiß um die Grenzen, die sein Tun in der Welt hat- ich denke, zu dieser Weltsicht tendiere ich am ehesten. Optimisten und Pessimisten rennen beide selbstgefälligen Illusionen hinterher.
Mythen sind Weltauslegungen und Lebensdeutungen in erzählerischen Berichtsformen, versehen mit Symbolen, Visionen und fabulierenden Darstellungen, die jedoch eine allgemeine Wahrheit, sowie einen tieferen inneren Wert enthalten. Sie stellen das Handeln und Wirken von Göttern in Ablehnung an menschliche Verhältnisse dar und arbeiten menschliche Urängste und Hoffnungen auf. Einige eurer Texte klingen auch recht verbittert. Wie siehst du die aktuelle Situation der Menschheit?
Skald: Lass´ mich mal mit einem Zitat antworten: "Es mag bessere Zeiten gegeben haben, aber diese ist unsere!" (Jean Paul Sartré).
Euch gelingt das Kunststück vereinnahmende, frische, eigenständige Hymnen mit modernen Aspekten zu erschaffen und trotzdem die ursprünglichen Motive des nordischen Black Metal dermaßen hinzu zu kombinieren, dass ihr auf eine lebendige Weise "altnordisch" und dabei alles andere wie eine billige Kopie klingt. "Frostnacht" würde ich nahezu als eine Transformation des norwegischen Black Metal der frühen 90er in ein eigenes Gewand bezeichnen. Es scheint viel Wahrheit und Ehrlichkeit darin verborgen zu liegen, so dass man dazu befördert wird, sich bewusst mehr Gedanken zu machen. Funktionieren Heidentum, Neofolk und Black Metal eventuell deshalb so gut zusammen, weil sie alle sozialen Außenseiterpositionen darstellen?
Skald: Funktionieren sie gut? Ich weiß nicht... ich will es hoffen! Die soziale Außenseiterposition lässt sich in zwei Richtungen interpretieren: Zum einen positiv. Der Außenseiter bricht, wie schon früher angemerkt, mit Konventionen und kann dadurch zu neuen Einsichten und tieferen Erkenntnissen gelangen. Zum anderen negativ: Der Außenseiter stellt sich bewusst an den Rand um seinem erbärmlichen Dasein den Hauch von etwas Besonderem zu verleihen. Wenn er merkt, dass das nicht immer funktioniert, wird er fanatisch und unterliegt so seinen Illusionen.
Ihr wurdet darum gebeten einen Liedbeitrag für einen Sampler zur Erinnerung an Sveinbjörn Beinteinsson, den Gründer der isländischen Heiden-Gemeinschaft, beizusteuern. Hattet ihr diesbezüglich irgendwelche Bedenken? Was ging nach dieser Anfrage in euch vor?
Skald: Weder hatten wir Bedenken, noch ging etwas Spezielles in uns vor. Ich empfand einen Samplerbeitrag zu Ehren von Sveinbjörn Beinteinsson einfach nur als gute Idee. Daraufhin habe ich dann nach Quellen gesucht, speziell was die "Rímur"- Tradition betrifft. Das Problem war nur, dass meine Bandkollegen nicht so große Lust darauf hatten... es war ihnen einfach zu wenig Black Metal. Überhaupt mögen sie es nicht so sehr, dass wir immer in die Pagan-Ecke gesteckt werden... das mag zwar textlich bisweilen stimmen, aber musikalisch gibt es da doch größere Unterschiede.
Den emotionalen und intellektuellen Kontakt den sich der Hörer zu den Texten herstellen kann empfindest du viel wichtiger als genauere Details über den Inhalt eurer Lyrics zu verraten. Wie wichtig ist dir dieser Interpretationsfreiraum? Ist es nicht gerade manchmal dieser, der zu Missverständnissen und Konflikten führt?
Skald: Natürlich! Aber dennoch ist Interpretationsfreiraum wichtig. Den Menschen muss doch freier Raum zum Denken gewährt werden. Ihnen muss auch die Möglichkeit gegeben werden, sich selbst im Text wieder zu finden und einen eigenen Bezug aufzubauen. Wäre dem nicht so, würde sich doch kein Schwein für Dichtung oder Musiktexte interessieren!
Eigentlich spiegelt der Black Metal in vielerlei Hinsicht Elemente der Romantik wider. Neben der Suche nach spiritueller Entfaltung der eigenen Person tritt eine generelle Sehnsucht nach der Natur ans Licht. Es lässt die Konfrontation mit den eigenen Wurzeln zu und einen besonderen Bezug zur Heimat konstruieren. Einige scheinen dies falsch verstanden zu haben, denn sie stellen rechtsextremes Gedankengut, wie Ausländerfeindlichkeit in ihren Mittelpunkt. Was hältst du von solchen Gedankengängen? Musste schon bereits ein Helrunar Konzert darunter leiden?
Skald: Bereits zweimal hat die Antifa herumkrakeelt. Das nervt einfach nur. In mehreren Interviews habe ich mich sehr deutlich dazu geäußert, dass wir rechte Tendenzen in dieser Szene weder vertreten noch unterstützen. Aber das interessiert diese Herren wohl nicht... denen sind ihre Feindbilder wichtiger. Ich kann es gerne noch mal sagen: Rechte Tendenzen haben weder im Black Metal noch im Pagan Metal noch im Neo- Heidentum irgendetwas verloren. Extreme politische Anschauungen und Hass sind die Folge von Angst und sind reiner Fanatismus. Mit Wahrheitssuche oder Reflektion über sich selbst hat das nichts zu tun, auch nicht mit Weisheit, Vernunft oder anderen Dingen, die für mich wichtiger Bestandteil einer heidnischen Spiritualität sind. Verblendete, von beiden Seiten.
Die meisten Bands sehen Gigs als eine zwielichtige Angelegenheit, da sie nicht wirklich gern live spielen und die Transferierung zwischen dem Geist der Werke und der Bühne oftmals für unmöglich erhalten. Wie stehst du Live-Auftritten gegenüber?
Skald: Eigentlich genauso. Trotzdem macht es natürlich Spass... ich denke aber schon, dass wir etwas vom Geist der CD auch live vermitteln.
Fallen dir vielleicht sogar stimmungsvolle Orte ein, an denen ihr unbedingt einmal gerne live spielen würdet und die ihr für die Helrunar besonders geeignet anseht?
Skald: Dazu fällt mir jetzt nicht viel ein, darüber haben wir wohl auch nie grossartig nachgedacht... was sicher lustig wäre, wäre ein Unplugged-Gig in einem Theater.
Im Dezember 2004 habt ihr den Song "Hauch wird Sturm" für einen Split, der im Mai 2005 erschien, mit Nachtmahr aufgenommen. Wie kam es zu jener Zusammenarbeit? Stehen in naher Zukunft ähnliche Projekte mit anderen Prophecy Künstlern an, wie Secrets of The Moon oder gibt es schon sogar Vorbereitungen für ein neues Werk?
Skald: Der Kontakt kam natürlich über das Label zustande, die auch die Idee hatten, ein solches Projekt zu verwirklichen. Ähnliche Aktionen sind momentan nicht geplant, wir würden so etwas aber natürlich gerne wieder machen!
Ich bedanke mich vielmals für das Interview und wünsche euch eine gelungene, erfolgreiche Tour, sowie ein inspiratives Jahr!
Skald: Danke für das Interview, die tiefgehenden Fragen und eure Unterstützung. Heill ok sæll!