Wie heisst es doch so schön? "Auf alten Pfannen lernt man
kochen", und daher spielen Fallen Yggdrasil schon seit jeher ihren null-trendy
Death Metal. Titan ist also kein Thema für diese Tübinger - hier wird noch nach
alter Schule gebraten und gebrutzelt.
Lest alles darüber, warum Ikarus ins Meer gestürzt ist, weshalb Simon den
Demotapes so nachtrauert und wieso Fallen Yggdrasil einen Molch am Schlagzeug
sitzen haben.
Ich finde, dass Ihr Euch einen ziemlich kultigen und mystischen Bandnamen
ausgesucht habt. Kompliment! Aber was bedeutet er denn?
Simon: Hallo erstmal! Ja, der Bandname ... auf den werden wir echt oft
angesprochen. "Yggdrasil" ist der Weltenbaum in der nordischen Mythologie. Er
symbolisiert für uns die Welt und das Leben darauf. "Fallen" ist einfach nur von
Englisch "to fall". Und damit ist glaube ich auch die Interpretation relativ
klar.
Fallen Yggdrasil ist gleichzeitig auch ein Name, den man sich nicht so leicht
merken kann ... vom Aussprechen möchte ich gar nicht reden. Von Fallen Ikarus
bis Fallen Alcacyl werdet Ihr sicherlich alles schon gehört haben. Kommt Ihr da
aus dem Erklären und Buchstabieren überhaupt noch heraus, wenn Ihr über Eure
Band reden wollt, und was war denn die schlimmste Verschandelung von Fallen
Yggdrasil, der ihr bisher begegnet seid?
Simon: Haha, wir hatten echt schon viel. Meistens sind es einfachere Fehler -
zum Beispiel, dass irgendwo ein "L" zu viel oder ein "G" zu wenig ist. Wir
hatten aber auch schon "Fallen Üggdrasyl" und ähnliches. Vor allem
Konzertveranstalter und Clubs schreiben unseren Namen gerne falsch. Dabei
bräuchten sie eigentlich nur abzuschreiben. Ausgesprochen wird er übrigens
einfach so, wie man ihn schreibt. Manchmal geht es mir ganz schön auf die Eier,
immer buchstabieren zu müssen. Andererseits scheint es aber auch so zu sein,
dass diejenigen, die den Namen mal draufhaben, ihn so schnell nicht wieder
vergessen. Blöder ist da schon eher, dass uns viele Leute, wenn sie den Namen
hören, für eine Black Metal halten.
Ihr habt Eure CD In No Sense Innocence getauft. Soll das frei übersetzt so
viel wie "Machen wir uns nichts vor, wir haben alle Dreck am Stecken" bedeuten
oder interpretiere ich das falsch?
Simon: Das geht schon in die Richtung. Letzen Endes geht es darum, dass niemand
von uns ein wirklich unschuldiges Leben führt. Es gibt vermutlich nur ganz
wenige Menschen, die wirklich im Einklang mit ihrer Umgebung leben und ein
glückliches Leben führen, ohne dafür andere Wesen in Mitleidenschaft ziehen zu
müssen. Das bezieht sich auf alle Bereiche des Lebens, sei es nun im privaten
Rahmen oder in grösseren Dimensionen wie zum Beispiel der Umgang mit der Natur.
In dem Song In No Sense Innocence geht es konkret um das Gefühl von Schuld.
Auf Eurem Cover sieht man einen Engel oder sowas in der Art, der einer
verzweifelt in die Höhe gestreckten Hand seine eigene reicht. Mit der zweiten
Hand verdeckt dieser "Engel" sein Gesicht. Sag doch bitte mal etwas dazu. Die
Idee zu diesem Cover scheint ja von Dir selbst zu stammen.
Simon: Das passt ganz gut zu der oben erwähnten Band "Fallen Ikarus". Für das
Cover habe ich mir das "Daedalus/Ikarus"-Motiv von den alten Griechen geborgt.
Diese Sage handelt in Kurzfassung davon, das Daedalus seinem Sohn Ikarus das
Fliegen mittels selbstgebauter Flügel aus Federn und Wachs beibringt. Er ermahnt
seinen Sohn, nicht zu hoch zu fliegen, da das Wachs durch die Wärme der Sonne
schmilzen könnte. Ikarus hält sich natürlich nicht daran, kommt in seinem
Übermut zu nah an die Sonne, das Wachs schmilzt und er stürzt ins Meer. Diese
Geschichte kann man in der In No Sense Innocence-Thematik interpretieren.
Daedalus hat durch seine Technik eine Grenze überschritten, die Menschen nicht
überscheiten sollten und für die sie nicht reif sind. Das zeigt sich daran, dass
Ikarus ganz offensichtlich nicht verantwortungsbewusst damit umgehen konnte. Ein
typisches Beispiel menschlicher Hybris. Die eigentliche Schuld an der Tragödie
liegt aber nicht bei Ikarus sondern bei Daedalus. Und das ist auf dem Cover
dargestellt: Ein dämonischer Daedalus mit seinen Flügeln, der versucht, den ins
Wasser gestürzten Ikarus zu retten. Seine Hand reicht aber nicht weit genug, und
ihm bleibt nur noch die Reue. Das geht also auch wieder in die Richtung
"Schuld". "In No Sense Innocence" eben.
Ihr habt zwei Songs mit deutschen Texten auf der CD. Die Titel der Tracks
sind allerdings auf Englisch. Wieso denn das?
Simon: Das hat sich halt so ergeben. Ich folge mit den Texten keinem bestimmten
Konzept sondern schreibe einfach nach dem Gefühl. Ich habe erst vor Kurzem
angefangen, deutsche Texte zu verfassen, weil ich mich da sicherer fühle. Man
ist ja nun mal kein englischer Muttersprachler. Ich tue mich aber schwer damit,
prägnante Songtitel auf Deutsch zu erfinden. Meistens hören die sich in meinen
Ohren entweder zu platt oder zu gekünstelt abgehoben an. Wenn ich aber mal für
einen Song einen guten deutschen Titel finde, dann werde ich ihn auch verwenden.
Aber wie gesagt, die meisten deutschen Songtitel hören sich immer recht
pathetisch an. NewAgeMephisto kann man aber auch deutsch lesen. Dann stünde "New
Age" nicht für das "Neue Zeitalter" sondern für diese teilweise dubiosen
Heilsbewegungen der Neuzeit, die man ja auch im Deutschen unter dem Begriff "New
Age" zusammengefasst hat. Ich spiele in den Texten gerne mit solchen
Doppeldeutigkeiten und Andeutungen.
Gib uns doch mal einen kurzen Überblick über Eure Bandgeschichte.
Simon: Angefangen hat alles damit, dass mein Bruder Raffael und ich uns
irgendwann 1996 dazu entschlossen haben, eine eigene Band zu gründen. Bis wir
dann Leute und einen Proberaum gefunden hatten, war es 1997. Dieses Jahr gebe
ich darum immer als eigentliches "Gründungsjahr" an, denn davor war eigentlich
noch nicht viel mit Proben oder so, sondern es mussten erst die ganzen
organisatorischen Sachen geklärt werden. Nach Rehearsal- und Livetapes kam dann
1998 das erste richtige Demo mit dem Namen Odyssey in Sorrow raus, welches ganz
ordentlich ankam und sich auch gut verkaufte. Das Beste war aber, dass wir uns
mit dem Demo einige Gigs sichern konnten, unter anderem auch mit Bands wie
beispielsweise Night in Gales, Fleshcrawl oder Centinex. Die nächste
Veröffentlichung kam dann erst im Jahre 2000 in Form einer 7". Die war auf 500
limitiert und ist zwischenzeitlich ausverkauft. 2000 war auch gleichzeitig ein
Jahr der grossen Umbrüche in der Band. Aus verschiedenen Gründen musste die Band
komplett umgekrempelt werden, so dass letzen Endes nur der Raffael und ich von
der Urbesetzung übrig blieben. Das hat uns natürlich alles etwas Zeit gekostet,
so dass es wieder fast zwei Jahre gedauert hat, bis die nächste
Veröffentlichung, nämlich In No Sense Innocence, aufgenommen wurde. Das war im
Herbst 2001. Seit Januar 2002 ist sie nun offiziell draussen.
Interessanterweise habt Ihr früher mal Keyboards benutzt, heute aber nicht
mehr. Die meisten anderen Bands, die irgendwann mit Keyboards in Kontakt kommen,
machen diese Entwicklung in die andere Richtung durch. Warum habt Ihr Euch
entschieden, dieses Instrument zukünftig wegzulassen?
Simon: Das war eine eher schleppende Entwicklung. Auf dem 98er Demo hatten wir
noch recht viele Keyboards, auf der 7" nur noch sehr sporadisch, und nun sind
sie ganz weg. Für diese Entwicklung gab es drei Gründe. Der erste war
musikalischer Art. Wir haben einfach immer mehr Lieder geschrieben, bei denen
wir dachten, dass ein Keyboard stören würde. Diese Entwicklung wurde dadurch
gefördert, dass sich unser Keyboarder Philipp sowohl musikalisch als auch
menschlich immer weiter von uns wegentwickelt hat - und wir vermutlich auch von
ihm. Irgendwann war dann keine gemeinsame Basis mehr da und er ist ausgestiegen.
Das war aber keine dramatische Sache. Es gab keinen Streit oder so. Wir
verstehen uns nach wie vor gut, eigentlich sogar fast besser als in den letzten
Wochen seiner Bandzugehörigkeit, wo es doch hin und wieder leichte Spannungen
gab. Ich könnte mir auf jeden Fall sehr gut vorstellen, dass wir den Philipp mal
für ein paar Songs mit ins Studio nehmen, wenn wir irgendwo ein Keyboard
brauchen können.
Simon, ich darf Dich aus einem älteren Interview zitieren: "... dass ich
diesen momentanen CD Trend im Underground ziemlich zum Kotzen finde. Das hat
mehrere Gründe: Der erste ist, dass ich halt totaler Demotapefanatiker bin ...
und es wäre echt schade, wenn die Tapes genau wie das Vinyl langsam aber sicher
von der Bildfläche verschwinden würden. Ausserdem sind viele CDs echte Abzocke."
Danach kamen ja noch viel herbere Äusserungen über CD Demos resp. Bands, die
Demo CDs aufnehmen. Wie dem auch sei, In No Sense Innocence wollte bei mir
einfach nicht ins Tapedeck passen, dafür war das Teil zu rund. Auf Deine
folgende "Stellungnahme" bin ich jetzt tatsächlich ziemlich gespannt.
Simon: Aaaaah, Enthüllungsjournalismus der bösesten Sorte. Ja, ich stehe
tatsächlich zu meiner Meinung. Ich trauere den Demotapes nach. Es geht dabei
auch nicht nur um das Format als solches. Das eigentlich Schlimme daran finde
ich eher, dass viele Fans denken, eine Band mit Demo-CD sei automatisch besser
als eine mit Demo-Tape. Dabei hat das Format des Tonträgers ja überhaupt nichts
mit dem Inhalt zu tun. Sieht aber halt besser aus, selbst wenn es dann nur eine
scheppernde Proberaumaufnahme auf CD-Rom ist. Meine exakte Meinung dazu lässt
sich auf unserer Homepage nachlesen. So, nun aber zum meiner Rechtfertigung,
warum wir nun selber eine CD herausgebracht haben: Ich habe schon in den
Interviews, die Du zitierst, gesagt, dass sich der Trend weg von Tapes und hin
zu CDs nicht mehr aufhalten lässt und dass man als Band über kurz oder lang
gezwungen sein wird, eine CD aufzunehmen. Das hat sich ja auch als wahr
erwiesen. Der Grossteil der Leute will einfach keine Tapes mehr. Ausserdem
möchte ich behaupten, dass sich viele Labels, Boker oder auch Journalisten nicht
mehr die Mühe machen, Tapes wirklich sorgfältig anzuhören, denn sie haben sich
schon zu sehr an den Komfort der CDs gewöhnt. Wie "out" Tapes sind, merken wir
zum Beispiel auch, wenn wir bei Konzerten einen kleinen Underground-Stand
aufbauen und CDs, Zines und Demos verkaufen. Wir müssen die Demotapes immer
billiger machen, um überhaupt noch welche zu verkaufen. Insofern war schon klar,
dass auch wir früher oder später auf CD wechseln würden, und wenn ich mich nicht
irre, habe ich das in dem Interview mit dem Into The Pit Fanzine sogar
angekündigt. Es ist ja auch einfach so: Selbst wenn ich persönlich ganz rigoros
gegen CDs wäre, müsste ich mich doch der Mehrheit in der Band fügen.
Euer Drummer Christoph hat in der Bandbiografie den Übernamen Molch bekommen.
Auch auf der Webseite ist er unter diesem Namen zu finden. Molche sind ja
nachtaktiv, äusserst lichtempfindlich, eher träge und beinahe blind, so viel ich
weiss. Was hat er denn angstellt, dass er unter diesem "Künstlernamen" sein
Drummerdasein fristen muss?
Simon: Guter Ansatz! Die Molch-Charakteristika, die Du beschrieben hast, passen
sehr gut auf unseren Drummer. Der eigentliche Grund, warum wir ihn so nennen,
ist aber der, dass wir finden, dass er einen ungewöhnlich breiten Mund hat, vor
allem dann, wenn er grinst. Und das hat uns immer an ein Amphibium erinnert ...
einen Molch eben. Interessanterweise wurde er in der Schule unabhängig von uns
von seinen Mitschülern immer "Kermit" genannt. Scheint also doch was dran zu
sein ...
Kontakt Fallen Yggdrasil:
Simon Kratzer
Untere Sonnhalde 4
72070 Tübingen/D
mailto:
Fallen Yggdrasil - Daedalus ist an allem Schuld
- Details
- Geschrieben von Skoddete
- Kategorie: Interview
- Zugriffe: 7214
Wie heisst es doch so schön? "Auf alten Pfannen lernt man kochen", und daher spielen Fallen Yggdrasil schon seit jeher ihren null-trendy Death Metal...