Nach erfolglosem Bemühen um ein Interview mit Eisregen
(was allerdings nicht an der Band oder dem Vertrieb lag) hatten wir die
Thüringer für dieses Mal eigentlich fast schon "abgeschrieben" - bis plötzlich
ein Email von der Band kam, in welchem eine Nummer stand, die wir für eine
Terminabsprache anrufen konnten, eine Gelegenheit, die wir natürlich auch
umgehend nutzten.
Yantit erklärte sich bei diesem Anruf spontan dazu bereit, das Interview gleich
zu machen, und das an einem späten, Freitag abend. Aha, werden jetzt einige von
Euch denken, diese "verrückten Spinner" sind ja echt flexibel! Dass es sich bei
den Leuten von Eisregen aber keineswegs um letztere handelt, und dass ein
Gespräch mit den Thüringern immer sehr unterhaltsam und interessant ist, könnt
Ihr rund ein Jahr nach dem Interview mit Frontmann Micha Roth erneut feststellen
- dieses Mal, wie bereits erwähnt, mit Yantit ... here we go.
Gratulation erst mal zu Eurem neuen Album. Es ist wirklich grossartig geworden.
Für Eure letzten beiden Album hattet Ihr ja, wenn ich mich richtig erinnere,
einen Produzenten namens Uwe Hörmann gewinnen können. Farbenfinsternis wurde in
den Roth-Studios aufgenommen. Das heisst wohl, dass Ihr das neue Album selbst
produziert habt?
Yantit: Nein, das haben schon mehrere Leute gedacht. Der Produzent hiess Diether
Roth und hat unter anderem die Band Die Allergie produziert. Diether Roth wollte
aber nicht direkt als Produzent genannt werden, da er ansonsten hauptsächlich
von Klassik Produktionen lebt und daher nicht wollte, dass seine Arbeit mit uns,
gerade aufgrund der Texte von Eisregen, an die grosse Glocke gehängt wird. Wir
haben uns schon gedacht, dass dies zu Verwirrungen führen wird, da unser Sänger
ja auch Roth heisst.
Erstaunt hat mich auch der Titel der neuen CD, Farbenfinsternis, denn der hat
ausnahmsweise mal nichts mit Tod, Blut oder Krankheit zu tun. Er wirkt schon
fast poetisch. Zufall oder Kursänderung?
Yantit: Das Lied Farbenfinsternis war ursprünglich nur ein einzelner Song und
wurde erst später zum Konzept. Wir unterhielten uns darüber, dass wir seit dem
Album Zerfall eigentlich nichts mehr in Richtung Konzepte gemacht hatten, und so
kam es zum Zyklus Farbenfinsternis. Die Platte hätte wohl auch sonst so
geheissen, aber es stand keine Absicht dahinter, den neuen Albumtitel weniger
brutal oder blutlastiger klingen zu lassen, denn im Endeffekt, abgesehen von
diesem Konzeptteil, dreht sich ja jeder Text auf Farbenfinsternis um Tod,
Fleisch, Blut und Gewalt. Es gab halt viele Leute, die das Konzeptionelle auf
Zerfall sehr mochten, und daher dachten wir uns, dass es wieder mal sowas bei
Eisregen geben sollte.
Farbenfinsternis kam ja ein wenig später als geplant, was mehrere Gründe
hatte. Unter anderem soll Eure Plattenfirma die Produktionsraten nicht bezahlt
haben. Stimmt das oder ist das nur ein Gag?
Yantit: Nein, das war wirklich so. Wir wissen bis heute nicht, ob die
Plattenfirma pleite oder nur fast pleite ist. Das weiss eigentlich keiner, haha.
Im Januar waren wir das erste Mal im Studio, und im April war die CD bereits
fertig aufgenommen. Danach sollte sie gleich fertiggestellt werden. Aber Diether
Roth meinte, dass die Platte nicht abgemischt werden würde, bis die zweite
Hälfte der Produktionskosten bezahlt worden sei. Die ganze Geschichte zog sich
dann über mehrere Monate hin. Wir sind genau so hingehalten worden wie Roth.
Ein Song, der besonders heraussticht, ist Deutschland in Flammen. Früher hat
man ja immer gerne versucht, Euch ein bisschen in die rechte Ecke zu drängen,
was Ihr in Interviews immer wieder richtig gestellt habt. Ferner löst sich diese
Vermutung auch auf, wenn man sich mal Eure Text genau durchliest. Aber dennoch
habt Ihr auf Euren Platten immer ein zwei Songs drauf, die Fragen offen lassen -
Songs wie beispielsweise Deutschland in Flammen, bei dem man sich alles mögliche
vorstellen kann. Schreibt Ihr solche Stücke bewusst, quasi als Trotzreaktion?
Yantit: Also eigentlich stand hinter Deutschland in Flammen eher die Hoffnung,
dass dieser Song dem "rechten Ding" entgültig den Garaus macht. Aber
mittlerweile haben uns gegenüber schon mehrere Leute gemeint, dass man diesen
Text auch völlig umdrehen könne. Das war bestimmt nicht so gedacht gewesen, und
wir sind eigentlich erst darauf aufmerksam geworden, als man uns deswegen
angesprochen hat. Zuerst haben wir das gar nicht so ernst genommen, aber gerade
bei Konzerten gibt's bei Deutschland in Flammen schon immer wieder mal ein paar
"dumme Gesichter", was aber eigentlich auch ein ganz guter Effekt ist, denn über
kontroverse Texte machen sich die Leute Gedanken.
Die Musik, vor allem aber auch die krassen Texte, verleihen Eisregen ein sehr
"hartes" Erscheinungsbild. Jetzt werdet Ihr im Januar ein Benefizkonzert für die
"Ärzte ohne Grenzen" und deren momentane Arbeit in Afghanistan spielen, eine
Organisation, von der ich persönlich sehr viel halte, was ja aber ein harter
Gegensatz zum sonstigen Image von Eisregen darstellt. Seid Ihr also doch echte
Menschenfreunde, die sich einfach nur rabiat geben?
Yantit: Es soll eigentlich eher zeigen, dass wir auch nur Menschen sind. Die
Band Gardens Of Gehenna hat dieses Konzert organisiert und uns gefragt, ob wir
da auftreten wollen. Wir dachten uns, warum nicht? Aber wir haben nicht speziell
wegen der Organisation "Ärzte ohne Grenzen" dort zugesagt.
Wie gesagt, es geht dabei um die Arbeit dieser Organisation in Afghanistan,
wo gerade der absurdeste Krieg aller Zeiten geführt wird, absurd schon deswegen,
weil er von der Propagandamaschinerie gerne als "humaner Krieg" bezeichnet wird.
Hast Du Dir selbst denn auch mal Gedanken über diese Situation und über diesen
Krieg gemacht?
Yantit: Darüber möchte ich eigentlich gar nichts sagen, einfach aus dem Grund,
weil jeder von uns natürlich seine politische Meinung hat, wir aber denken, dass
diese nichts bei Eisregen zu suchen hat. Das war auch in der Vergangenheit immer
das Problem. Man bringt irgendwelchen Input, und die Leute interpretieren das
dann falsch.
Dann seid Ihr wohl diesbezüglich eher "gebrannte Kinder"?
Yantit: Nein, es ist eigentlich mehr eine Grundsatzentscheidung, dass keiner von
uns über Eisregen seine politische Meinung verbreitet.
Auf Euren Promofotos und den Albumcovern sieht man immer wieder eine
Gasmaske. Was hat es damit auf sich? Seid Ihr Gasmaskenfans? Im Militärdienst
musste ich eine solche ein paar mal tragen, und ich kann Dir sagen, das ist
scheisse.
Yantit: Wir bei Eisregen sind alles Kriegsdienstverweigerer, haha. Die Sache mit
der Gasmaske hat sich eigentlich mehr "eingeschlichen". Früher sind wir
beispielsweise immer mit einem ausgestopften Fuchs aufgetreten ...
Mit einem was?
Yantit: Mit einem ausgestopften Fuchs. Der steht für Thüringen (dort kommen
Eisregen her - Verf.). Die Gasmaske ist eigentlich mehr ein Gimmick, der
irgendwann mal dazugekommen ist. Mittlerweile rennen schon mehr Leute damit
herum, als dass wir dieses Teil selbst benutzen. Ich finde die Idee eine witzige
Sache. Wir haben zwei Stück davon damals über ein Inserat in einer 2nd Hand
Zeitung gekauft.
Auf Eurem neuen Cover ist die Gasmaske natürlich auch wieder darauf, und ich
habe mir beim Hören der CD immer wieder überlegt, wo denn der aktuelle Bezug vom
Cover zu den Texten liegt.
Yantit: Das Cover ist nicht auf die Texte bezogen. Das Mädchen, dass das Cover
gemalt hat, hatte die ganzen Texte vorliegen, und ich denke mal, sie wird sich
schon etwas dabei gedacht haben. Für mich repräsentiert diese Frau am Kreuz mit
der Gasmaske eher Eisregen selbst, denn irgendwie sterben in unseren Texten
extrem viele Frauen.
Stimmt eigentlich. In Euren Texten sterben wirklich viele Frauen. Habt Ihr
eigentlich weibliche Fans ... noch?
Yantit: Ich denke schon, haha.
Das Jahr 2001 ist jetzt gerade zu Ende gegangen. Welche fünf Stichworte
fallen Dir denn zu den vergangenen zwölf Monaten spontan ein?
Yantit: Schade, dass die Deutsche Mark weg ist. Neue Type O'Negative CD. Die
Musik, die ich selbst mache. Schlechte Erfahrungen mit Last Episode. Dreissig
Jahre warten auf Farbenfinsternis.
Du hast gesagt, dass Du es schade findest, dass die Deutsche Mark weg ist.
Hast Du Probleme mit dem Euro? Geht's einigermassen beim Einkaufen?
Yantit: Hm, ich mag das Geld einfach nicht sehen, und im Endeffekt halte ich den
Euro nur für einen grossen Beschiss.
Was kostet denn die Eisregen CD in Euro?
Yantit: Weiss ich gar nicht so genau. Ich glaube, 13 Euro 50 bei Last Episode,
und wir verkaufen sie dann auf den Konzerten für etwa 12 Euro 50 ... (Yantit,
das Werbegenie - Verf.)
Ihr habt ja beide ein Sideproject, Du und Micha Roth. Deines ist Ewigheim.
Erzähl mal etwas darüber.
Yantit: Die CD von Ewigheim erscheint am 17. Februar über Prophecy Productions.
Es wird ein Gemisch aus Gitarren und Elektronik sein, im Endeffekt aber doch
rockig ausfallen, mit deutschem, klarem, angenehmerem Gesang ...
Haha ...
Yantit ... äh mit eingängigerem Gesang, haha.
Eisregen - Geschichten aus dem Leichenlager
- Details
- Geschrieben von Skoddete
- Kategorie: Interview
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Nach erfolglosem Bemühen um ein Interview mit Eisregen (was allerdings nicht an der Band oder dem Vertrieb lag) hatten wir die Thüringer für dieses Mal eigentlich fast schon "abgeschrieben" - bis plötzlich ein Email von der Band kam...