Tribes of Caïn kommen aus der grössten Stadt der Schweiz und trotzdem oder gerade deswegen besingen sie Pracht der Natur. Welche Gedanken und Hintergründe die Musik der Black und Death Metal Band mit sich bringt, erfahrt ihr von Reto, dem Gitarristen von Tribes of Caïn.
Die Idee eine Band zu formen war vor bald 4 Jahren auf deinem Mist gewachsen, als du von Dissection und Embraced inspiriert aus einem Jahr in Schweden zurückkamst. Wie ging es weiter?
Reto: Ich war eigentlich noch bei Saduced tätig, die für die Zeit meiner Abwesenheit Oli von Chlambrüd als Aushilfsgitarristen engagierten. Leider hatten sich Saduced in eine Richtung entwickelt, die mir nicht mehr sonderlich zusagte. Die got(h)ischen Einflüsse wurden immer deutlicher hörbar, die Songs lange und verstrickt und der Frauengesang war ebenfalls nicht nach meinem Gusto. Völlig zufällig bin ich dann Donato, der üblicherweise für Hardcorebands den Bass bearbeitete, über den Weg gelaufen. Schnell wurde uns klar, dass wir uns beide nach einer Band der härteren Art sehnten. Wenige Tage später wurde ein berüchtigter Fellmalträtierer namens Inti herbeigezogen und Tribes Of Caïn waren gegründet.
Schweden scheint nicht nur als Land in deinem Herz zu liegen. Auch musikalisch hat es dich und die Band hörbar inspiriert...
Reto: Ja, da hast du wohl recht. Ich höre sehr viel Musik aus Schweden resp. Skandinavien und dies schon seit geraumer Zeit. Die Nordländer produzieren herausragende Musik in hohem Masse und dies in allen möglichen Sparten. Die ersten CDs (resp. Vinyl) aus Schweden, die in meinem Player rotierten, waren Shotgun Messiah (genialer Heavymetal), Candlemass und die legendären Nihilist. Chrigi ist wohl durch sein unentwegtes Hören von Dissection auch etwas schwedisch beeinflusst. Inti hat sich seit einigen Jahren vom „bolivianischen Grindcore“ abgewandt und horcht vorzugsweise konventionellen Black Metal.
Könntest du uns kurz eure Bandmitglieder vorstellen?
Reto: Wie bereits erwähnt wird das Schlagzeug von Inti Sanchez gepeinigt. Sven Gryspeerdt schindet seine Stimmbänder, Birgit Oellbrunner traktiert den Bass und Chrigi Sennhauser und ich martern die Gitarren.
Wenn ich das richtig verstanden habe, schreiben vor allem du und Chrigi die Songs. Worin unterscheiden sich die Songs von dir und diejenigen von Chrigi und wie schafft ihr es trotzdem immer nach „Tribes Of Caïn“ zu klingen?
Reto: Das hast du richtig verstanden. Meine Songs entstehen völlig nach Gefühl und ich versuche, all die Skalen usw. zu vergessen wenn ich an einem Riff arbeite oder Melodien schreibe. Jeder Song hat seine eigene Geschichte, z.T. ist zuerst der Text entstanden (z.B. In War With) und dann die Musik zum Text, oder umgekehrt (z.B. bei Der Natur Pracht). Die dritte Variante, dass die zwei Komponenten unabhängig voneinander entstanden sind und dann zusammengefügt wurden, kommt weniger häufig vor, ist aber auch vorhanden (z.B. Mourning Of Time). Chrigi und ich haben bereits an der Kantonsschule zusammen Gitarrenunterricht genossen und kennen uns musikalisch ziemlich gut. Ein hilfreiches Gefühl, denn ich weiss genau, dass, falls mir ein gutes Riff einfällt, Chrigi die passende Melodie dazu findet (oder umgekehrt).
Als ich zunächst den Titel des Albums „The First Born“ sah, dachte ich mir, dass nun ein Konzeptalbum, die sich der Lebensgeschichte von Caïn widmet, folgen wird. Dem war nicht so. Ist der Titel nur ein Hinweis darauf, dass „The First Born“ euer erstes Baby ist oder steckt mehr dahinter?
Reto: Es ist nicht nur ein Hinweis auf unsere erste offizielle Veröffentlichung sondern auch eine Anspielung auf Kaïn, der als Sohn von Adam und Eva den erstgeborenen Menschen symbolisiert. The First Kill handelt natürlich ebenfalls von Kaïn aber ein Konzeptalbum zu dieser Thematik ist die CD nicht und ein solches wird es wohl auch in Zukunft nicht geben.
Studioaufnahmen sind sauteuer. Aber meistens lohnt es sich! Eure Produktion scheint mir trotz dem Verzicht aufs Studio absolut gelungen. Wo habt ihr die CD aufgenommen und wie war es bei den Aufnahmen? Seid ihr zufrieden mit dem Ergebnis?
Reto: Studioaufnahmen sind für uns momentan leider unerschwinglich, da wir nicht über genügend finanzielle Mittel verfügen. Wir haben die komplette CD Produktion selbst in die Hand genommen und bis aufs Mastering wurde alles in unserem Bandraum in Altstetten eingespielt. Klar war es auch nicht billig, ein Harddisc Recording Pult zu erstehen und 15 Mikrophone usw. aber wir sind mit dem Ergebnis sehr zufrieden und werden uns bald an die nächsten Aufnahmen machen.
In eueren Texten gibt es einen ausgeprägten Hang zur Verherrlichung der Natur. Beispielsweise „Der Natur Pracht“ und „In War With“ haben als Kernthema die Natur. Was bedeutet für dich der Begriff Natur und inwiefern fühlst du dich mit ihr verbunden?
Reto: Natur ist für mich ein wichtiger und grosser Bestandteil meines Lebens. Eine Kraft, stärker als alles andere auf diesem Planeten. Der Mensch tut sich schwer daran, die Schönheit und Pracht der Natur zu erkennen; im Gegenteil, er zerstört riesige Wälder, die Lungen der Erde, verpestet Luft, Land und Wasser. Wir sind weder Greenpeace Aktivisten, noch der grünen Partei angehörig; ich persönlich habe jedoch wenig Verständnis für Leute, die naiv und mit verschlossenen Augen durch den Alltag trotten und nebenbei unsere Natur ruinieren, obgleich jene immer gewinnen wird. Der Mensch ist ein übler Virus, aber er kümmert sich wenigsten selbst um sein Verschwinden. Obwohl ich in der Agglomeration von Zürich wohne, bin ich oft in einem Wald, den Bergen oder an einem See anzutreffen. Vorzugsweise in Schweden. Die Natur in der Schweiz ist wunderschön, nur ist mir das Land zu klein und die Anzahl Einwohner pro Quadratkilometer definitiv zu hoch.
Nach dieser Platte, werdet ihr dann wohl einen Plattenvertrag ernten und reich von der Musik werden...
Reto: Ganz genau! Reich an Emotionen und Gedanken, welche durch die Musik vermittelt und archiviert werden. Bis anhin haben wir uns nicht aktiv um einen Plattenvertrag gekümmert und sämtliche anfallenden Arbeiten selbst übernommen. Nicht zuletzt dank den Möglichkeiten der modernen Medien ist dies in den letzten Jahren immer besser möglich, hat aber auch einen entsprechenden Arbeitsaufwand zufolge und vermindert die Zeit für die primären Angelegenheiten (Songwriting, Texte schreiben). Wir prüfen momentan die Möglichkeit, einen "Quasi-Manager" anzustellen, der uns bei den anfallenden administrativen Arbeiten unterstützt. Die anstehende Mini-CD werden wir erneut in kompletter Eigenregie produzieren.
In der Schweiz gibt es einige ziemlich überzeugende Metal Bands. Trotzdem hat fast keine einen Plattenvertrag. Was denkst du, wo das Problem liegt?
Reto: Diese Tatsache könnte sich in der nächsten Zeit ändern. Persönlich denke ich, dass v.a. der Markt in Deutschland langsam aber sicher wieder auf die Schweiz aufmerksam wird. Auch geniessen Live-Konzerte in der Schweiz zumindest in unseren Nachbarländern einen positiven Ruf und viele Bands sind gerne bereit, in Hellvetien zu rocken. Vielleicht bedarf es einer Band, die eine Art Vorreiterrolle spielt und den Weg für weitere einheimische Bands ebnet.
Im Winter hattet ihr die grossartige Gelegenheit, auf Europatour zu gehen. Welches sind die Szenen, die euch in Erinnerung geblieben sind und welches war das beste Publikum?
Reto: An dieser Stelle möchte ich auf unseren Tourbericht verweisen (http://www.tribesofcain.ch/de/extras/tourbericht/index.htm ), da die aktiven Erinnerungen durch übermässigen Alkoholkonsum aus meinem Grosshirn verbannt worden sind. ;-)
Einige denken, dass in der heutigen Metalszene nur noch wenig Neues zu Stande kommt. In den Achtzigern hat noch bald jede Band einen eigenen neuen Stil entwickelt. Glaubst du auch, dass der Metal stagniert? Oder bist du da anderer Meinung? Und was hast du dir in der letzten Zeit so reingezogen? Welche Band/Platte hat dich schwer beeindruckt?
Reto: Natürlich wird es immer schwieriger, neue Stile im Metalbereich zu entwickeln, da viele Varianten und Kreationen bereits existieren (was in den Achtzigern natürlich nicht der Fall war!). Als Stagnation würde ich das aber nicht bezeichnen. Ich persönlich mag „echte“ Musik, ob die nun neu oder konventionell oder was auch immer ist, beachte ich kaum. Die (ex)Black Metaller Manes haben z.B. ein sehr interessantes neues Album veröffentlicht, das Elemente von Black Metal, Breakbeats usw. vereint. Ved Buens Ende vermischen auf ihrem Album „Written in Waters“ Black Metal mit einer Art disharmonischem Jazz. Dann gibt es natürlich Ulver, die mich seit geraumer Zeit immer wieder aufs Neue beeindrucken! Meine neuste Death Metal-Scheibe ist "Life Erazer" von Soulreaper, im Rockbereich habe ich mir Queens of the Stone Age mit "Songs for the Deaf" angetan. Ich höre auch sehr gerne nordische Folklore, vorzugsweise mit weiblichem Gesang. Empfehlen würde ich da z.B. (die alten) Garmarna aus Schweden. Gespannt bin ich z.B. auf die kommende Dissection…Fear the return…?!
Was machst du, sobald dieses Interview fertig beantwortet ist?
Reto: Tickets fürs Summerbreeze bestellen und mich vom Restmet des Mittelerde-Festes befreien. Schlafen. Schlafen. Nach Schweden reisen.
Vielen Dank für deine Worte und viel Spass in Schweden!