Die 25-Jährige Schweizerin Sarah ist leidenschaftliche Schlagzeugspielerin und beherrscht somit ein Instrument, das als doch ziemlich frauen-untypisch gilt. Aber nicht nur diese Tatsache ist in Bezug auf die Geschlechterrollen sehr interessant; ihre Band ShEver tanzt sozusagen ganz aus der Reihe und zelebriert selbsternannten Hexen-Doom mit nur Frauen an den Instrumenten.
Welchen Stellenwert hat Metal in deinem Leben?
Sarah: Metal ist die Freude und Erlösung in meinem Leben. Nicht unbedingt nur Metal, besser gesagt einfach Musik. Ich brauche das, um hier leben zu können. Gute Musik, dabei auch Metal, hat mich schon oft vor einem Zusammenbruch gerettet. Die ganze Energie und Freude dabei berühren mich.
Was drückt Metal für dich aus?
Sarah: Freiheit, Individualität, Spass, Kraft und tiefe Gefühle.
Wie ist dein Werdegang als Musikerin?
Sarah: Huch, ich hatte mit sieben für vier Jahre Schlagzeugunterricht und habe dann aufgehört zu spielen. Mit 16 habe ich für mich alleine wieder angefangen, habe mit allen möglichen Menschen gejammt. Dann auch mal ein bisschen initiativer mit zwei Freunden zwei Songs kreiert. Die wollten, dass ich ein Mannsweib am Drum werde und haben mich nonstop gepuscht, das hat noch Spass gemacht. Später versuchte ich mit zwei Mädels etwas auf die Beine zu stellen, was dann jedoch auch im Sand verlief: Wir zogen zusammen und keiner, ausser mir, wollte mehr in den Proberaum. Habe dann per Zufall wieder einmal eine alte Freundin getroffen, die ich schon ewig nicht mehr gesehen habe und zusammen mit ihr ging ich wieder in den Proberaum. Sie schrieb punkige Songs und ich trommelte dazu. Das hat sehr viel Spass gemacht. Eines Tages dachte ich "Was machen eigentlich shEver?, die würde ich gerne wieder einmal live sehen!". Also ging ich auf ihre Homepage und zu meinem - im ersten Moment - Entsetzen stand dort, dass die Drummerin ausgestiegen ist und sie jemand Neuen suchen. Ich war sehr traurig als ich das las, weil die damalige Drummerin mir immer sehr gut gefallen hat und ich sie sehr cool fand. Im zweiten Moment dachte ich "Halt, du spielst ja auch, melde dich doch bei denen!". Also schrieb ich sie an und ich bekam ein paar Songs zum Üben zugeschickt. Und so kam ich dann zu shEver.
Wie bist du zum Metal gekommen?
Sarah: Das fing ganz früh schon an, meine Mutter hat auch schon immer ein bisschen Metal gehört, mein Vater eher Volksmusik. Als ich dann in den Kindergarten ging und meine Mutter zu Hause dieses AC/DC-Video "Who Made Who" hatte, wollte ich es immer nach dem Kindergarten hören. Ich fand das Video so geil! Diese vielen Angus-Klone, die da im Clip Gitarre spielen, die sexy Frau mit diesem Kleid und die scheiss Fliege fand ich einfach stark und habe gerne dazu getanzt. Dieses Video hat mir immer so Spass gemacht! So fand ich den Zugang zum Metal und zur Musik allgemein. Später kam noch viel anderes dazu. Metal war und ist nicht das Einzige, was mich begeistert, aber immer eine Faszination und Befriedigung. Metal ist sehr vielseitig und echt, das gefällt mir!
Ist es dir wichtig, dass du nicht nur Konsument bist, sondern auch aktiv in der Szene tätig bist?
Sarah: Da ich gelernt habe Schlagzeug zu spielen, finde ich es schon geil selber Musik machen zu können und möchte es nicht missen müssen. Es tut nämlich verdammt gut, vor allem mit den Mädels von shEver. Mit denen fühle ich mich wohl, jeder kann sich dort irgendwie verwirklichen. Insofern ist es mir schon wichtig, selbst Musik machen zu können, jedoch nicht in einer spezifischen Szene. Es ist egal, wohin dich die Musik treibt. Hauptsache, es stimmt für dich selbst.
Metal ist männlich – würdest du dieser Aussage zustimmen?
Sarah: Teils teils. Frauen waren schon immer ein fester Bestandteil des Metal. Metal ohne vielseitige, schöne Frauen wäre kein Metal. Die emotionalen Anteile, welche durch die Metal-Musik wiedergegeben werden, lauern auch in den Frauen und sind deshalb auch weiblich. Nur haben die Männer das Ganze so richtig ins Rollen gebracht und sich getraut, es rauszulassen. An dieser Stelle; Danke, und lasst den Frauen trotzdem Platz.
Wie ist selbst dein Bild von Frauen im Metal?
Sarah: Ich sehe zwei Arten von Frauen im Metal: Diejenigen, die Metal intensiv und interessiert hören, lieben und leben, und diejenigen, die das Anhängsel von ihrem Metal-Freund sind...
Es gibt einige Metal-Bands mit sexistischen Songtexten, die manchmal sogar frauenverachtend sind. Was denkst du, woher das kommt?
Sarah: Vernachlässigt von der eigenen Mutter? Irgendwelche Störungen in der Entwicklung gehabt, welche nicht verarbeitet werden konnten? Sonst ein Trauma? Metal ist sehr ehrlich und beschäftigt sich nicht mit Wunschvorstellungen und Scheinheiligtum. Metal deckt Lügen auf und zeigt oft die wahre Seite des Erdgeschehens. Somit sind für mich sexistische und frauenverachtende Texte oft nur eine Darlegung der Realität.
Fühltest du dich innerhalb der Metal-Szene schon einmal nicht ernst genommen oder nicht akzeptiert aufgrund deines Geschlechts?
Sarah: Eigentlich achte ich nicht so darauf. Doch wenn wir mit shEver irgendwo ein Konzert haben, wo uns die Leute nicht kennen, haben wir es auch schon erlebt, dass es uns so vorkam, als hätten uns die Leute vor unserem Auftritt nur belächelt – im Stil von "Was wollen die süssen Mädchen da?". Auch merke ich immer wieder, dass viele Männer doch Mühe haben mit Frauen im Metal. Habe das Gefühl, die haben irgendwie Angst oder so... auf jeden Fall können die mich alle mal kreuzweise!
Wie wirst du speziell als Musiker im Metal beurteilt? Merkst du, dass man aufgrund des Geschlechts einen Unterschied macht und dass viele Klischees vorhanden sind?
Sarah: Keine Ahnung, wie ich beurteilt werde. Ja, es werden schon Unterschiede aufgrund des Geschlechts gemacht. Das nervt manchmal, weil es oft heisst "Titten- oder Frauenbonus", das ist ein bisschen zum Kotzen finde ich. Ich glaube, Frauen im Metal werden oft strenger beurteilt als Männer. Es ist doch scheissegal, ob Männchen oder Weibchen, jeder darf die Musik machen, die er möchte und die einem gefällt. Das hat doch nichts mit Frau-Sein zu tun - obwohl bestimmt gewisse Unterschiede bei der Art Musik zu machen, und wie sie sich dann anhört, zu finden sind. Aber das ist doch genau das Interessante und Schöne an dem Ganzen. Man darf sich gegenseitig nicht unterdrücken, denn das ist einfach lächerlich.
Was denkst du, warum gibt es eigentlich viel mehr Männer als Frauen im Metal?
Sarah: Weil die ursprüngliche Umsetzung dieser Musik von Männern ausgeht, und weil sich mehr Männer trauen diesem Anteil ihres Wesens freien Lauf zu lassen. Ich denke auch, dass es nicht so viele Frauen wie Männer gibt die, dieser Musikrichtung mit dem Herzen verfallen sind.
Es heisst ja, dass Frauen im Metal sich oft bewusst männlich geben, um besser akzeptiert zu werden. Hast du niemals das Gefühl, etwas von deiner Weiblichkeit zu unterdrücken?
Sarah: Nein, ich kann so sein, wie ich möchte und das ist schön so. Dies ist auch das Tolle am Metal.
Inwiefern unterscheiden sich Metal-Frauen von solchen, die nicht diese Musik hören?
Sarah: Die hören meistens sehr schlechte Musik (lacht), nein. Ich habe manchmal das Gefühl, dass Frauen, die Metal hören, echter in ihrem Sein sind, und dass die Nicht-Metal-Hörerinnen probieren irgendeinem Ideal hinterher zu rennen, welches ihnen aufzeigt, wer sie nicht sind. Die verfolgen ein fremdes Ziel. Was nicht heisst, dass es im Metal nicht auch solche Frauen und Leute gibt, und dass alle Nicht-Metal-Hörerinnen immer so sein müssen.
Thema "weibliche Reize": Findest du es okay, wenn Metal-Musikerinnen sie einsetzen, oder ist dies für die Akzeptanz/Gleichstellung schädlich?
Sarah: Ich finde es schön, wenn diese eingesetzt werden, schliesslich ist es ein Teil der Weiblichkeit, und Frauen im Metal lassen oft auch ihren Reizen freien Lauf. Jedem das Seine, so dass man sich gut fühlt. Ich finde es nur dann doof, wenn die Reize wichtiger werden als die Musik.
Können Frauen genau so Metal sein wie Männer?
Sarah: Natürlich! Metal liegt in jedem, der Musik liebt. Das ist die schlechteste Frage vom ganzen Interview. Sie ist vielleicht nicht schlecht, aber überflüssig.
Gibt es Metal-Bands mit Musikerinnen, die du gut findest und auch weiter empfehlen kannst?
Sarah: Acid King, Electric Wizard, Kylesa, Jex Thoth, The Cramps, Stinking Lizaveta, Thorr’s Hammer, Rose Kemp, Rise and Shine, Jarboe und natürlich shEver (schmunzelt).
Sarah, ich bedanke mich für deine offenen Antworten.