Amok gehört zu jenen Raritäten, wo der Bandname auch Programm ist. Kaum eine andere Schweizer Band vermag derart komplexe, chaotische und abgefahrene Klanggebilde zu produzieren. Auch handwerklich verstehen die Genfer ihr Metier und haben dies mit ihren letzten Veröffentlichungen eindrucksvoll belegt. Bei solch extremen Rhythmusakrobaten mag manch ein Metallkonsument zwar schnell überfordert sein, aber ohne Amok wäre die Schweizer Szene definitiv etwas eintöniger und das sollte als Grund für ein weiteres Interview im Zuge unseres Death Metal Special ausreichen.
Hallo! Wie geht’s - wie steht’s?
Phil: Mir geht es gut, danke der Nachfrage. Ich freu mich, mich deinen Fragen zu stellen.
Ugo: Ich fühl mich wie ein Alkoholiker in einem Tank voll Whisky!
Wie würdet ihr Individuen, welche noch nie von euch gehört haben, Amok beschreiben?
Wlad: Also, wir sind eine Art freie Death Metal Band aus Genf. Wir spielen seit 2001 zusammen und haben zwei EPs/Demos „Necrosapiens“ und „Hephaistos“ veröffentlicht. Unser erstes Album namens „Lullabies of Silence“ haben wir ende 2005 eingespielt und im April dieses Jahres veröffentlicht.
Wie würdet ihr eure Musik mit möglichst wenigen Worten beschreiben?
Wald: Komplex, brutal, intensiv und human.
Mit „Lullabies of Silence“ ist euch ein kleines Meisterwerk geglückt und ihr habt in der Metallpresse meist gute bis überragende Kritiken erhalten. Was hält eigentlich Amok von diesem Album?
Wald: Wir sind ziemlich zufrieden mit der geleisteten Arbeit für das Album, vor allem wenn man in Betracht zieht, dass wir bisher keine Erfahrung in einem professionellen Studio gesammelt hatten. Manches hätte mit ein bisschen mehr Ahnung besser gemacht werden können. Wir versuchten einen humanen Klang zu erzeugen, im Vergleich mit den meisten skandinavischen Produktionen…
Eure spielerischen Fähigkeiten sind hoch entwickelt und eure Diskographie beweist eine stetige technische und musikalische Steigerung. Was ist euer Antrieb und woher nehmt ihr all die Energie um besser und noch besser zu werden?
Wald: Unsere Lieder sind Konstrukte, die aus Inspirationen der Momente gebildet werden. Wir wollen etwas Furioses kreieren, das den Hörer nur atmen lässt, wenn wir es erlauben. Wir jamen gerne, aber eher spasseshalber, genau so wie all die Musikarten die wir spielen (Jazz, Heavy Metal und manchmal sogar Funk). Wir sind ein Teil der modernen Metalbewegung. Wir flechten gerne komplexe Strukturen mit sonderbaren Riffs und versuchen uns als Musiker und Komponisten weiter zu entwickeln.
Wenn ihr zurückschaut, wie betrachtet ihr Amoks Entwicklung?
Wald: Seit unserer ersten EP „Necrosapiens“ hat sich Amok in eine positive Richtung entwickelt. Als Musiker haben wir uns verbessert, während der letzten fünf Jahre haben wir intensiv an unseren Instrumenten geübt. Natürlich hätte die Musik früher etwas exakter und technischer eingespielt werden können und wir hätten uns weiteren Einflüssen öffnen können, aber dafür sind unsere Klangwelt und die Kompositionen im Laufe der Zeit persönlicher geworden.
Euer Debüt wurde über Fastbeast Entertainment veröffentlicht. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit und seid ihr mit eurem Label zufrieden?
Phil: Das erste Mal trafen wir die Leute von Fastbeast Entertainment in Italien, als wir mit Claudio und Stefan von Cropment zusammenspielten. Wir hatten eine gute Zeit und entschieden uns, bei weitern Konzerten zusammen aufzutreten. Danach gründeten sie ihr Labelprojekt und sie unterbreiteten uns einen interessanten Vertrag über ein Album. Sie sind absolut professionell und wir sind total zufrieden mit ihrer Arbeit.
Verbirgt das für eure Musik untypisch filigrane Cover von „Lullabies of Silence“ eine Botschaft oder ist es gar ein Konzeptalbum?
Wald: Es ist kein Konzeptalbum, alle Stücke sind individuell aufgebaut. Es gibt auch kein verbindendes lyrisches Konzept, dafür aber einige immer wiederkehrende Themen. Der Albumtitel und das Cover wurden vorsätzlich als Gegenpool zu unserer Musik kreiert. Wenn du das Cover siehst, würdest du nicht im Traum an ein Death Metal Album denken, aber so bald der Silberling im CD-Fach rotiert schlägt dir eine Stichflamme mitten ins Gesicht. Wir versuchten einfach unser Liedgut zu verschlüsseln.
Woher nehmt ihr eure Inspiration?
Wald: Die Liebe, das Leben, Musik, Komplexität… Ich weiss es eigentlich nicht…
Phil: Diese Frage ist sehr schwer zu beantworten. Ich studiere Neurowissenschaft und habe mir schon oft den Kopf darüber zerbrochen. Es ist wirklich sehr seltsam, ich brauche nur ein sich im Gehörgang festsetzendes Riff zu finden und kreiere dann eine komplette Welt dazu. Manchmal wundere ich mich wirklich, wie ich den instrumentalen Teil am Beginn von „Sip of Thorns“ gefunden habe, er ist absolut untypisch für mich.
Ihr vermischt alle Arten von extremem Metal und Core-Genres. Setzt ihr euch selbst Grenzen oder ist alles erlaubt?
Wald: Es gibt keine Regeln, es hängt alles von der Limitiertheit deiner Inspiration ab. Wir versuchen eigentlich nur neue Riffs zu kreieren und nicht dieselbe Nummer zweimal zu schreiben… Trotzdem glaube ich nicht, dass wir jemals ein Reggae Stück schreiben werden.
Ihr hattet einen Wechsel hinter dem Schlagzeug: Edward wurde durch Jean ersetzt. Warum hat Edward Amok verlassen? Wie seid ihr auf Jean gekommen und warum habt ihr ihn gewählt? Wird Jean grösseren Einfluss auf euren Stil ausüben?
Wald: Edward hat uns aus verschiedenen Gründen verlassen, aber der hauptsächlichste Grund war, dass er von Metal nicht mehr so begeistert war. Ed kannte Jean schon einige Jahre, sie gingen zur selben Schule. Als Jean von Eds Abgang hörte, kontaktierte er uns und wir versuchten mit ihm zu spielen. In Genf gibt es nicht wirklich viele Trommler, die sich für extremen Metal begeistern können. Nach einigen Proben mit Jean haben wir ihn in unsere Band aufgenommen. Jeans Stil ist brutaler, aber weniger Jazz-beeinflusst als der von Ed. Es wird uns also beeinflussen. Im Moment arbeiten wir an einer Setliste für die nächsten Konzerte, erst danach werden wir neue Stücke schreiben.
Phil: Jean ist ein Fan von der Band und hatte bereits alle unserer Veröffentlichungen. Er kennt die Stücke sehr gut und das ist ein nicht unwesentlicher Punkt, wenn du unsere Komplexität betrachtest.
Amok entstand aus den Überresten diverser Genfer Bands. Gibt es eine eigentliche Death Metal Szene in Genf?
Wald: Es gibt nicht so viele Death Metal Bands in Genf, aber dafür existiert eine ausgeprägte Metal und Core-Szene mit Bands wie Stumpfucking, Mumakil, Knut, Impure Wilhelmina, Cardiac, Prejudice und andere, die sich aufgelöst haben… zum Beispiel Nostromo, Fractal Point...
Was fasziniert euch an Genf und gibt es Sachen, die euch stören?
Phil: Genf ist eine multikulturelle und internationale Stadt. Man kann viele tolle Sachen unternehmen und es gibt auch gute Feste. Zudem sind die Berge nicht so weit, denn wir lieben Snowboarden!!! Leider ist es ein sehr teurer Flecken und Auto fahren in der Stadt kannst du vergessen!
Ihr gebt oft Konzerte und seid unter anderem schon im Ausland und am kultigen Mountains of Death Open Air aufgetreten. Welches war bisher euer bestes, beziehungsweise schlechtestes Bühnenerlebnis?
Ugo: Das beste Erlebnis war wohl das Mostovna Open Air in Slovenien. Es war eine der ersten Auftritte im Ausland und man hiess uns herzlich willkommen. Das Publikum war offen für unsere Musik und wir lernten da viele tolle Leute kennen - aber das wichtigste war, dass es nicht nur Death Metal gab… Ich hoffe, wir können da wieder einmal spielen. Am schlimmsten war die Erfahrung einige Tage vorher an einem Konzert in Italien. Die Leute interessierten sich nicht für uns und wir hatten keine Zuhörer… Beim ersten Mal trifft dich das schon…
Phil: Mein favorisiertes Konzert war das letzte zusammen mit Edward in Prag. Es lag ein seltsames Gefühl in der Band und auch im Publikum, weil wir es als unser letztes Konzert angekündigt hatten. Wir haben viel getrunken (wenigstens ich, haha!) und wir improvisierten viel. Die Leute dort mochten das sehr und ein Freak rollte sich gar am Boden. Verrückte Tschechen, wir mögen sie!
Was haltet ihr von der Schweizer Todesblei-Szene? Fühlt ihr euch als ein Teil davon? Welche Bands sind nach euerer Ansicht die grossen Hoffnungsträger?
Phil: Die Schweizer Todesblei-Szene im weitesten Sinn ist wirklich gut. Es gibt viele hervorragende Bands wie zum Beispiel Requiem oder Mumakil um einige aufzuzählen. Natürlich gibt es auch viel Mist… wie überhall halt. Das Problem in der Schweiz ist, dass es schwierig ist für Neulinge, an Konzerte zu kommen. Es gibt auch nicht all zu viele Labels, welche die Schweizer Bands fördern. Natürlich sind wir ein Teil dieser Szene, aber wir wissen, dass unser Stil nicht jedem Mattenschüttler zusagt.
Hat Amok bereits Zukunftspläne?
Ugo: Wie gewöhnlich: Mehr Auftritte überall auf diesem Planeten und neue Lieder für ein weiteres Album. Im Moment üben wir unser Material mit dem neuen Schlagwerker ein. Wie bereits erwähnt, unterscheidet sich sein Stil recht von Edward. Ich glaube, er wird uns neu inspirieren und andere Möglichkeiten eröffnen. Das nächste Album wird sicherlich anders sein.
Welche CDs befinden sich momentan in eurer Heavy Rotation?
Phil: Ich habe während unserer Studiozeit zu „Lullabies of Silence“ Allan Holdswoth entdeckt. Ich höre sehr oft sein „Hard Hat Area“, ein Meisterwerk unserer Zeit. Auch „Oceanic“ von Isis hat es mir angetan und ich warte gespannt auf die Neue von Coverge!
Vielen Dank für das Interview! Falls euch noch etwas auf dem Herzen liegt, habt ihr jetzt die Gelegenheit es los zu werden.
Ugo: Danke dir! Heisst unseren neuen Schlagzeuger willkommen.
Phil: Und haltet anfangs 2007 nach unseren zündenden Konzerten und Tours Ausschau!